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Biosprit - eine Bilanz

Biokraftstoffe sind Benzin- oder Dieselersatz aus nachwachsenden Rohstoffen, meist pflanzlichen Ursprungs. So wird Biodiesel aus dem Öl stark ölhaltiger Früchte gewonnen.

In Europa wird zu diesem Zweck meistens Raps angebaut. In tropischen Ländern gibt es Soja- und Ölpalmenplantagen. Der zweite alternative Kraftstoff – das Bioethanol – wird mit Hilfe von Mikroorganismen aus Getreide und Zucker hergestellt.

Die Sonnenseite der Biokraftstoffe

Der Vorteil der Biokraftstoffe: Beim Verbrennen wird nur das Kohlendioxid frei, das von den Pflanzen während des Wachstums fixiert wurde. Damit wären Biokraftstoffe deutlich besser für das Klima als fossile Brennstoffe wie das Erdöl. Diese Ansicht hat dazu geführt, dass der Anbau von Biospritpflanzen weltweit stark gefördert wurde, insbesondere durch die USA, aber auch von der EU.

Die Schattenseite

Inzwischen ist klar: Es ist zwar richtig, dass bei der Verbrennung nicht mehr Kohlendioxid frei wird als die Pflanze aufgenommen hat. Doch beim Anbau der Pflanzen und der Herstellung des Kraftstoffs fallen große Mengen von klimawirksamer Gase an.

Klimaschädlicher als gedacht

Vor allem die Herstellung des Stickstoffdüngers ist sehr energieaufwändig – genau wie die Produktion von Pflanzenschutzmitteln. Beide setzen damit große Mengen an CO2 frei. Ebenso verbrauchen Traktoren und Erntemaschinen Kraftstoff und setzen ebenfalls Kohlendioxid frei.

Die ganze Situation verschärft sich, weil inzwischen die Früchte der Biospritpflanzen oft über weite Entfernungen zu den Ölmühlen und Ethanolwerken transportiert werden. Für diese Transporte wird wiederum klimaschädlicher Treibstoff verbraucht.

Doch das ist noch nicht alles: Die Produktion der Kraftstoffe in großen Fabriken verschlingt ebenfalls große Mengen Energie. Seit kurzer Zeit weiß man außerdem, dass Bodenbakterien den Stickstoffdünger der Energiepflanzen in Lachgas umwandeln. Und das ist noch klimaschädlicher als Kohlendioxid. Diese Untersuchungen sind Ende Februar 2008 in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht worden.

Urwälder werden gerodet

Zur schlechten Klimabilanz des Biosprits kommt hinzu, dass der Anbau von Energiepflanzen vor allem in den Tropen wichtige Urwälder vernichtet. Um immer mehr Ölpalmen- und Sojakulturen anzupflanzen, werden in den armen Ländern Südamerikas und Südostasiens die Regenwälder mit Brandrodung vernichtet.

Riesige Flächen werden abgebrannt, und dabei werden Tonnen von Klimagasen frei. Der Dschungel wächst häufig auf kohlenstoffreichen Torfböden. Durch die Verbrennung wird auch dieses, eigentlich dauerhaft konservierte Kohlendioxid freigesetzt. Die große Nachfrage nach Biosprit fördert diese Naturvernichtung. Um Biokraftstoffe herzustellen, müssen riesige Flächen mit Energiepflanzen bepflanzt werden.

Keine ausreichenden Anbauflächen vorhanden

Das Ziel der EU ist es, Benzin und Diesel mittelfristig zehn Prozent Biosprit beizumischen. Langfristig sollen es sogar zwanzig bis 25 Prozent werden. Wissenschaftler aber warnen: Es gibt dafür keine ausreichenden Anbauflächen. Sie haben ausgerechnet, dass bei einer Beimischung von zwanzig Prozent praktisch alle ungenutzten Flächen, wie Dschungel, Pampa, Prärie und Savanne zu Energiepflanzenkulturen werden müssten – eine Naturvernichtung von unvorstellbarem Ausmaß.

Konkurrenz zwischen Teller und Tank

Die Nachfrage nach Biokraftstoffen der ersten Generation gefährdet nicht nur die Natur, sondern auch die Ernährung der Menschen. Denn auf vielen Feldern, auf denen heute Energiepflanzen wachsen, wuchsen bis vor kurzem Pflanzen, aus denen Lebensmittel hergestellt werden.

Es sind vor allem Entwicklungsländer, die auf die Produktion von Biokraftstoffen setzen, Länder wie Senegal, Nigeria, Swasiland und Sambia. Und der Anbau von Energiepflanzen konkurriert mit dem Anbau von Nahrungspflanzen. Nahrungsmittel werden also unter anderem in Folge des Anbaus von Energiepflanzen knapper und teurer.

Autor: Lars Westermann

Literatur

Land Clearing and the Biofuel Carbon Debt

Autor: Joseph Fargione
Zeitschrift: Science, 29 February 2008:
Vol. 319. no. 5867, pp. 1235 - 1238
DOI: 10.1126/science.1152747

Bio im Tank: Chancen, Risiken, Nebenwirkungen

Autor: Hartwig Berger (Hrsg.)

Dokumentation einer Fachtagung
am 15. April 2005 in Berlin.
Darin vor allem zu empfehlen:
Biofuels and competition for global land use.

Autoren: Stefan Bringezu und Sören Steger.
Vertrieb: Heinrich Böll Stiftung.

Der "beste Nutzen"des begrenzten Rohstoffs Biomasse

Autor: Karin Arnold
Verlag: E&M, 2006
Gut verständlicher Fachartikel über die sinnvollste Verwendung von Biomasse.

Stand: 19.03.2013 17:06 Uhr

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