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Industrieroboter

Industrieroboter ersetzen Arbeitskräfte. In der Regel werden sie eingesetzt, um sich wiederholende Bewegungsabläufe zu automatisieren. Sie arbeiten rund um die Uhr, streiken nicht, werden nie krank, gehen nicht in Mutterschutz und erwarten weder Abfindung noch Rente.

Traumhafte Arbeiter für Unternehmer. Einmal programmiert machen sie den ihnen vorgegebenen Job. Keine Nachfragen, kein Unmut, keine Zweifel.

Roboter hinter "Gittern"

Doch auf Arbeitnehmerseite sind sie keine gern gesehenen Kollegen, denn es stimmt: Sie vernichten Arbeitsplätze. Aber nicht nur das, denn sie sind auch gefährlich. Ein Industrieroboter arbeitet sein vorprogrammiertes Pab, ohne Rücksicht darauf, ob ein menschlicher Kollege im Weg steht. Deshalb schreibt die Arbeitssicherheit vor, dass Roboter immer hinter Gittern arbeiten müssen oder Kollege Mensch muss raus aus der Halle.

Industrieroboter für neue Einsatzgebiete
Jetzt tritt eine neue Generation von Robotern an. Sie wird weite Teile der Arbeitswelt umkrempeln. Im Kern ein Industrieroboter soll "Kollege Roboter" ein williger Helfer des Facharbeiters werden. Das neue Einsatzgebiet: Werkstätten und kleine Betriebe.

Doch mit dem neuen Arbeitsumfeld betreten auch die Entwickler Neuland, denn einfach mal kurz ein neues Kapitel im Buch der technischen Revolutionen aufzuschlagen, ist nicht einfach, erläutert Eberhard Kroth, Geschäftsführer der Reis Robotics: "Um Roboter in diesem Umfeld etablieren zu können, müssen sie sehr flexibel sein, sie müssen einfach zu handhaben sein, einfach zu programmieren sein und auf der anderen Seite natürlich auch günstig sein."

Erster Prototyp für Schreinerwerkstatt

Im Rahmen der europäischen Initiative SMErobot werden Prototypen entwickelt, die nun in der praktischen Anwendung arbeiten. Ein Handwerksroboter steht bei Schreinermeister Josef Som in Michelstadt im Odenwald. Er testet den Industrieroboter seit Monaten auf seine Praxistauglichkeit. Der Roboter ist im Kern ein Industrieroboter, der mit vier neuen Funktionen für die Arbeit mit Holz ausgestattet ist.

Möchte Schreinermeister Som beispielsweise ein rundes Brett – den Fuß eines Stehtisches – in Serie herstellen, muss er das unbekannte Werkstück erst einscannen. Som montiert den Scannerkopf auf und fährt per Handbetrieb über das runde Brett.

Scanner für Roboter

Das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt hat den Hightechscanner entwickelt. Der Scanner erkennt die Vorlage exakt. Die Daten speichert der Handwerksroboter ab, und wandelt sie grafisch so um, dass sie einfach weiter verarbeitet werden können. Mit ein paar Mausklicks programmiert Josef Som dann über ein Display den nächsten Arbeitsschritt.

Der Roboter kann bisher bohren, lackieren und fräsen. Gemäß den Anweisungen fertigt die Maschine nun weitgehend selbständig eine hundertprozentige Kopie der Vorlage an. Der Schreinermeister muss lediglich die Werkzeuge am Kopf wechseln und das zu bearbeitende Material bereitstellen.

Die einfache und flexible Programmierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Doch ganz perfekt ist der Prototyp natürlich noch nicht, schildert Schreibermeister Josef Som seine Erfahrungen mit dem Industrieroboter: "So wie er da steht, ist er für mich noch nicht brauchbar. Er müsste noch vergrößert werden, der Aktionsradius ist zu klein. Es müsste noch an der Steuerung gearbeitet werden, die ist noch zu kompliziert, sie müsste noch einfacher werden."

Schweißroboter in der Testphase

An einer völlig anderen Art der Programmierung forschen Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Prozesstechnik und Automation in Stuttgart. Hier steht der Prototyp eines Schweißroboters zum Einsatz in kleinen Werkstätten. Hier wird er erstmals von Testern aus einem Metallbetrieb ausprobiert. Der Schweißroboter lernt seine Aufgaben indem die geplanten Schweißnähte vom Fachmann genau abgefahren werden. Wird der Roboter über drei Sekundne nicht bewegt, speichert er automatisch den Schweißpunkt. Sind alle Schweißpunkte abgespeichert, kann der Roboter die Bahnen automatisch abfahren und schweißen.

Der Systemwissenschaftler Christian Meyer erklärt, wie man dem Roboter das Schweißen beibringt: "Wir wollen den Roboter durch 'vor machen' programmieren, damit die Programmierung einfacher wird. Einfacher, einmal schneller und auch intuitiver. Dadurch wollen wir erreichen, dass Roboter nicht nur in der Großindustrie eingesetzt werden können, wo halt große Stückzahlen gefertigt werden, sondern auch beim Klein- und Mittelständler, wo zehn, vielleicht 20 Teile geschweißt werden."

Langwierige Gewöhnungsphase

Die Tester kommen jedoch mit dem Prototypen nicht auf Anhieb zu Recht. Der Roboter "lernt" zu langsam. Mensch und Maschine müssen sich erst aneinander gewöhnen. Bei der Bedienung stockt der Schweißautomat immer wieder und bleibt schließlich hängen.

Die Tester stört etwa der Zeitverzug zum Programmieren eines Schweißpunktes. Sie würden einen Druckknopf bevorzugen.

Ohne Sicherheit keine Zusammenarbeit
Kinderkrankheiten gehören zu jeder echten Innovation dazu. Nur ein Grundproblem ist noch ungelöst: die Sicherheit. Rücksicht kennt eine Maschine nicht. Sie würde den Schweißpunkt auch auf einen Handrücken setzen.

Damit keine Unfälle passieren, müssen Roboter die Arbeit sofort einstellen, wenn ein Hindernis in ihren Arbeitsraum eindringt. Bisherige Versuche am Fraunhofer Institut verlaufen erfolgreich. Die Idee ist einfach: Ein Computer beobachtet den Arbeitsradius von oben mit einer Kamera. Der Rechner baut mit einer Software um die einzelnen Roboterteile virtuelle Schutzräume. Sobald dort eine Störung auftritt, steht die Maschine.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Aus technischer Sicht ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis "Kollege Roboter" voll einsatzfähig ist. Doch welche Auswirkungen haben die Maschinen auf die Arbeitsplätze in mittelständischen Metallbetrieben? Einer der Tester des Schweißroboters ist Paul Treffler jun., Geschäftsführer eines Stahl- und Maschinenbaubetriebes mit rund einhundert Mitarbeitern: "Er wird definiv keine Arbeitsplätze vernichten. Im Gegenteil: Er wird Arbeitsplätze schaffen. Der Roboter kann nur so gut schweißen, wie der Programmierer schweißen kann. Er wird auch junge Leute eher beflügeln in die Metallbranche einzusteigen."

Auch Schreinermeister Som, in dessen Betrieb weniger als ein halbes Dutzend Mitarbeiter tätig sind, ist optimistisch: "Dadurch, dass der Roboter etwas schneller arbeitet und kontinuierlich arbeitet, könnten sogar noch Arbeitsplätze geschaffen werden, denn dann könnte ich mehr Aufträge annehmen und abarbeiten."

Ob die Annahmen der beiden Handwerker aus der Metall- und Holzbranche zutreffen, wird sich in der Zukunft zeigen. Fakt ist jedenfalls: Die Entwicklung eines "Kollegen Roboter" wird nicht aufzuhalten sein.

Bericht: Ingo Herbst

Stand: 06.11.2015 09:28 Uhr

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