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Überleben am Berg

Knapp 15 Kilometer vom Matterhorn entfernt, an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien, liegt der Monte Rosa. Wissenschaftler der Universität Heidelberg wollen mit Bergsportler hinauf.

Ihr Vorhaben: Die Höhenkrankheit zu erforschen. Ab 2500 Metern kann sie jeden treffen und sogar tödlich enden.

Höchste Forschungsstation Europas

Hubschrauber im Hochgebirge
Ein Hubschrauber transportiert die Ausrüstung auf die 4.600 Meter Hohe Berghütte | Bild: BR

Mit 4600 Metern ist die Capanna Refugio Margherita die höchste Hütte und zugleich die höchste Forschungsstation Europas. Seine Theorie: Bestimmte körperliche Veränderungen erhöhen das Risiko diese Krankheit am Berg zu bekommen, etwa wenn man einen erhöhten Blutdruck in den Lungenarterien hat.

Immer mehr Alpen-Touristen sterben an Höhenkrankheit

Diese Forschung hat einen ernsten Hintergrund: Allein am Berg Kailash in Tibet, in einer Höhe von etwa 5000 Meter sind im vergangenen Jahr 15 Trekking-Touristen an der Höhenkrankheit gestorben. Und auch in den Alpen gehen die Menschen immer höher hinaus, so hoch, daß es gefährlich werden kann.

Alpinsportler kommen immer leichter in Hochlagen

Auf einst schneesicheren Lagen zwischen 1.000 und 2.000 Meter liegt durch die warmen Winter nun auch immer weniger Schnee. Skitourer stiegen bei ihren Wanderungen in immer höheren Berglagen hinauf. Und Wintersportorte entscheiden sich, immer mehr Lifte ins Hochgebirge zu bauen. So wird derzeit der höchste Lift Österreichs gebaut, der bis in über 3400 Metern Höhe reicht.

Jeder kann also künftig ohne Vorbereitung Höhen erreichen, ab der bereits akute Höhenerkrankungen bis hin zum tödlichen Höhenhirn- oder Höhenlungen-Ödem möglich sind. Ab 1.500 Metern Höhe gilt zudem: Mit der Zunahme der Höhe um 100 Meter sinkt die körperliche Leistungsfähigkeit um.

Das Experiment

Um abzuklären, unter welchen Umständen man höhenkrank wird, gar ein Höhenlungenödem bekommt, hat Bärtsch seine Probanden im Sommer in nur 20 Stunden in die extreme Höhe getrieben. Oben, auf knapp 4600 Meter, transportieren Hubschrauber inzwischen die Ausrüstung auf den Gipfel. Auf dem die höchste Forschungsstation Europas thront: die Margherita-Hütte.

Ein Hubschrauber nach dem anderen lädt Ausrüstung ab. Darunter sogar ein Röntgengerät. Es muss schnell gehen. Das Wetter soll nur kurz halten.

Wissenschaftler jederzeit einsatzbereit

Die Gruppe ist jetzt auf über 3.500 Metern Höhe angelangt. Alle kämpfen, auch Forschungsleiter Peter Bärtsch. So ein Aufstieg führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Höhenkrankheit. Und hier im Hochgebirge könnte sie tödlich enden. Aber die Wissenschaftler rechnen mit allem, können jederzeit eingreifen.

Der erste Fall

In der Hütte 500 Meter weiter oben der erste Fall: Eine Bergsteigerin liegt mit typischen Symptomen flach: Schwäche, Schwindel, Kopfschmerz. Sie wird gut versorgt und ist bald auch wieder auf den Beinen. Ohne ärztliche Hilfe aber, ohne die schützende Hütte wäre sie in akuter Lebensgefahr.

Dann kommen auch die anderen an. Während die Hüttenwirte das Mittagessen zubereiten, beginnen schon die ersten Untersuchungen. Alle spüren die Höhe. Die Luft ist dünn, es herrscht ständiger Sauerstoffmangel. Das führt zu Kurzatmigkeit. Bei der kleinsten Bewegung rast das Herz. Als erstes die obligatorische Blutabnahme.

Laufende Untersuchungen

Ein Zimmer weiter. Eine Versuchsperson wird verkabelt. Damit wird ihr Schlaf in der Höhe überwacht. Andere müssen – trotz des Sauerstoffmangels – strampeln. Ein Medikament, wirksam gegen die Höhenkrankheit, wird getestet. Erhöht es auch die Leistungsfähigkeit des Körpers in der dünnen Luft?

Bei der Schlafforschung wird das gleiche Medikament erprobt. Die Forscher hoffen, daß es den Schlaf in der Höhe verbessert. Denn Schlaflosigkeit ist ein typisches Problem hier oben. Fast jeder leidet daran.

Mit Ultraschall wird der Blutdruck in der Lunge gemessen. Die Ärzte glauben: Ein erhöhter Blutdruck erhöht auch das Risiko, ein Lungenödem zu bekommen - eine der schwersten Höhenerkrankungen. Die Ärzte vermuten, dass bestimmte Kreislaufprobleme diese Höhenkrankheit fördern. Vor allem in der ersten Nacht ist das Risiko daran zu erkranken sehr hoch.

Erste Nacht überstanden

Aufatmen am Morgen. Alle haben die Nacht gut überstanden. Niemand hat ein Lungenödem. Weitere Tests stehen noch aus und noch ist das Rätsel Höhenkrankheit nicht gelöst. Jedoch sind die Forscher nach wie vor überzeugt, dass es Risikogruppen gibt. Risikofaktoren für Herzkrankheiten seien, so der Sportmediziner Prof. Peter Bärtsch, der erhöhte Blutdruck, das Rauchen, die Zuckerkrankheit und Übergewicht. Er empfiehlt Leuten über 35 Jahre zuerst zum Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen: “Die anderen die sollen einfach loslegen mit Sport und bewegen. Das ist das Natürlichste der Welt.”

Auf den nächsten 4000-Berg

Und die Probanden machen das ”Natürlichste der Welt”, verlassen die Hütte zu einem Hochplateau und besteigen von dort einen benachbarten 4000er, die Zumsteinspitze. Mittlerweile sind alle an die Höhe gewöhnt. Wenngleich auf radikale Weise - normalerweise sollte man sich für so einen Aufstieg ein oder zwei Tage mehr Zeit gönnen, um sich zu akklimatisieren und die Höhenkrankheit zu verhindern.

Denn soviel steht fest: Nur wer sich an die Höhe langsam anpasst, kann die Schönheit der Berge wirklich genießen.

Autor: Jan Kerckhoff
Bearbeitung: Sebastian M. Krämer

Stand: 11.05.2012 13:06 Uhr

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