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Das Tote Meer stirbt

Das Tote Meer im Grenzgebiet von Israel und Jordanien ist der salzhaltigste See der Welt. Sein Salzgehalt liegt bei 30 Prozent. Das ist etwa zehnmal so hoch wie in der Nordsee oder im Mittelmeer.

Frau und Mann schwimmen auf dem Rücken im Wassern
Das Tote Meer ist für Menschen mit Hautkrankheiten ein begehrter Kurort. | Bild: NDR

Der wichtigste Zufluss des Toten Meeres ist der Jordan. Er transportiert Salz und Mineralien in den See. Ringsum ist es extrem heiß und trocken, Regen gibt es kaum. Entsprechend schnell verdunstet das zuströmende Wasser, das Salz bleibt zurück – daher die hohe Salzkonzentration im Wasser und entlang des Ufers.

Für Touristen ist das Baden im Toten Meer ein unvergessliches Erlebnis. Man treibt an der Oberfläche wie ein Ballon. Der hohe Salzgehalt bewirkt, dass man nicht untergehen kann. Viele Menschen kommen auch zur Kur hierher, denn das Wasser und der Uferschlamm sind mit Mineralstoffen wie Kalzium, Magnesium oder Bromide angereichert, die lindernd bei Hauterkrankungen wirken.

Das Meer vor dem Kollaps

Strand mit salzigem Boden
Langer Weg zum Meer: Der Wasserspiegel sinkt jährlich um einen Meter. | Bild: NDR

Doch all das könnte bald Vergangenheit sein, denn das Tote Meer "stirbt". Jedes Jahr sinkt sein Wasserspiegel um einen Meter. Besonders deutlich wird das zum Beispiel in dem Kibbuz "Ein Gedi". Noch vor zehn Jahren konnten Urlauber hier zu Fuß zum Ufer des Toten Meeres gehen. Heute müssen sie die Bahn nehmen das Wasser ist fast zwei Kilometer entfernt.

Der Geologe Eli Raz lebt seit über 30 Jahren in "Ein Gedi" und beobachtet für verschiedene israelische Forschungsinstitute die dramatischen Veränderungen am Toten Meer. Im Uferbereich tun sich riesige Krater auf, manche bis zu 20 Meter tief, und verschlucken Campingplätze, Straßen und Ackerland. Eli Raz macht täglich Rundgänge, kartiert neue Löcher und gefährliche Stellen.
Die Ursache für diese Krater: Durch den sinkenden Wasserstand des Toten Meeres fällt auch der Grundwasserspiegel in der Region. Das nachfließende Frischwasser löst unterirdische Salzablagerungen im Uferbereich auf. Dadurch entstehen Höhlen, die irgendwann einstürzen. Eli Raz selbst denkt nur mit Schrecken daran, wie er kürzlich von einem plötzlich einbrechenden Erdloch verschluckt wurde. 14 Stunden lang war er darin gefangen, bevor er gefunden und gerettet wurde.

Bedrohte Natur

Das Sterben des Toten Meeres ist, wie Eli Raz befürchtet, auch eine Bedrohung für die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt rund um den See. In Oasen und in den nahegelegenen Bergen leben jetzt noch Leoparden, Wölfe, Steinböcke und seltene Fledermausarten. Raz sorgt sich besonders um das Naturreservat "Ein Fashkha". Zahlreiche Quellen entspringen hier und sind Lebensgrundlage für Hunderte von Pflanzen- und seltene Fischarten. Außerdem ist die Oase Brutgebiet vieler einheimischer Vögel und Rastplatz für Millionen Zugvögel auf ihrer Route von Europa nach Afrika.
Weil jedoch der Grundwasserspiegel in der Region sinkt, versiegen nun auch allmählich zahlreiche Quellen in den Oasen.

Mensch als Verursacher der Krise

Verantwortlich für das Austrocknen des Sees sind die Menschen. Früher flossen ständig etwa 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser aus dem Jordan in das Tote Meer, heute nur noch etwa 60 Millionen Kubikmeter. Der Grund: Am Jordan wird fast alles Wasser abgepumpt - als Trinkwasser und vor allem zur Bewässerung von Obstplantagen und Ackerfelder. Die Ökologin Mira Edelstein von der Umweltorganisation "Friends of the Earth Middle East" fordert einen sparsameren Umgang mit Trinkwasser und kritisiert, dass über 50 Prozent des Jordan-Wassers für extrem wasserintensive Nutzpflanzen verbraucht werde, deren wirtschaftlicher Nutzen für das Land jedoch nur minimal sei. Als wirtschaftliche Alternative für diese Region sieht "Friends of the Earth Middle East" stattdessen sanften Tourismus in intakter Umwelt. Außerdem soll die Wassergewinnung durch Meerwasserentsalzung gefördert werden. Ziel ist es, dem Jordan sein Wasser zu belassen und damit das Tote Meer zu erhalten.

Kanal zur Rettung des Toten Meeres

Die Politiker in Israel und Jordanien haben jedoch andere Pläne. Sie möchten einen Kanal bauen, der Wasser vom Roten Meer ins Tote Meer leitet – 200 Kilometer lang durch die Wüste. Sie argumentieren mit dem zusätzlichen Nutzen, den das natürliche Gefälle zwischen den Gewässern bringe: Man könne entlang des Kanals Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung bauen.

Doch viele Wissenschaftler warnen vor den Risiken, wenn Wasser aus dem Roten Meer mit dem zehnmal salzhaltigeren und stark mineralhaltigem Wasser des Toten Meeres gemischt wird. In Experimenten hat sich unter anderem gezeigt: Es könnte zu Gipsbildung kommen und sich das Tote Meer in eine stinkende Milchsuppe verwandeln. Außerdem würde der Kanal über wichtige Grundwasserspeicher im Boden hinwegführen. Bei einem möglichen Leck im Kanalbett würden diese mit Salzwasser verunreinigt werden – eine ökologische Katastrophe.

Der Streit zwischen Politikern, Befürwortern und Gegnern des Kanals dauert an. Und bis zu dessen Lösung wird es auch keine irgendwie geartete Rettung für das Tote Meer geben. Auf jeden Fall stimmen viele Wissenschaftler mittlerweile dem Vorschlag der "Friends of the Earth Middle East" zu, dem Jordan weniger Wasser zu entnehmen. Fest steht: Wenn nichts getan wird, ist das Tote Meer in 50 Jahren nur noch ein unbedeutender kleiner Tümpel, umgeben von einer Salzwüste.

Autorin: Angela Scheele

Literatur

Der Kampf um das blaue Gold

Autor: Shiva Vandana
Verlag: Rotpunktverlag, 2003
ISBN-13: 978-3858692511

Unrevealed Beauty, Skyline – The Dead Sea

Autor: Duby Tal und Moni Haramati,
Verlag: Albatross Aerial Photography Ltd., 2006
ASIN: B001BZDMJE

Photos und Essays über Geologie, Natur, Industrie und Tourismus am Toten Meer

Stand: 05.08.2015 11:27 Uhr

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So., 18.01.09 | 17:03 Uhr
Das Erste

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