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Dennis Wilms und das Kunstfliegen

Dennis Wilms stellt sich der Herausforderung
Dennis Wilms stellt sich der Herausforderung. | Bild: NDR

Fliegen an der Grenze des absolut Möglichen. Die Maschinen drehen in nur einer Sekunde einmal komplett um ihre Längsachse. Die Piloten fliegen Geschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometer pro Stunde und nehmen das Tempo wieder auf Null zurück. Extreme Manöver um alle drei Bewegungsachsen – Bilder, bei denen einem schon flau im Magen werden kann. Das ist Kunstflug! Moderator Dennis Wilms hat es für uns getestet:

Vor dem Start

Fest angeschnallt, kann sich der "Co-Pilot" kaum rühren
Fest angeschnallt, kann sich der "Co-Pilot" kaum rühren. | Bild: NDR

Dichte Wolken hängen am Morgen über dem Sportflugplatz Hungriger Wolf in Itzehoe. Trotzdem: Sven Kröger, der Pilot der rot-blauen Extra 200, die schon aufgetankt bereit steht, wird starten können. Bei Dennis steigt die Nervosität, doch bevor es los geht, bekommt unser Moderator noch eine kurze Einweisung – zu seiner und des Piloten Sicherheit. Als Erstes muss er seine Jacke ausziehen und alle Hosentaschen entleeren. Ein herum fliegender Schlüssel oder Ähnliches könnte nämlich während des Fluges wichtige Instrumente blockieren und so einen Unfall verursachen. Zweiter Schritt: Dennis bekommt einen Fallschirm und drittens wird er mit mehreren Gurten so fest in der Maschine angeschnallt, dass er sich nur noch minimal rühren kann. "Beim Kunstflug schnallt man sich so fest an, dass es schon fast weh tut", sagt Kröger zur Erklärung.

Die Extra 200

Die Maschine, in die der Moderator heute all sein Vertrauen legt, ist eine Extra 200, voll Kunstflug tauglich, entspricht sie dem höchsten Sicherheitsstandard. Sie ist aus Kohlefaser gebaut und hat eine hohe Stabilität, das heißt, sie ist bis auf +/- 20 g getestet. Sie unterscheidet sich deutlich von "normalen" Flugzeugen, da bei verschiedenen Kunstflugfiguren bewusst die Aerodynamik ausgeschaltet wird. Während beispielsweise ein Jumbo-Jet eine gewisse Eigenstabilität in der Luft hat, muss der Pilot der Extra 200 darauf komplett verzichten. Das Ruder ist so empfindlich, dass es, einmal zur Seite gedrückt, die Maschine in einer Sekunde um 360 Grad dreht. Die Tragflächen sind symmetrisch gebaut, das heißt von oben und unten gleich geformt, so dass die Maschine problemlos auch auf dem Kopf fliegen kann.

Der Start

Dennis Wilms und sein Pilot starten von Landebahn 09. Die Sicht ist bei Start und Landung für den Pilot sehr eingeschränkt. Damit er besser sehen kann, muss Dennis deshalb erst mal kurz den Kopf einziehen. Jetzt muss die Maschine an Höhe gewinnen. Rund 800 Meter sollten es für einen Kunstflug schon sein. Die Anspannung bei Dennis steigt.
Der Kunstflug selbst bedeutet, sich in drei Dimensionen frei zu bewegen, das Limit von Mensch und Maschine auszuloten. Trotzdem sind Kunstflieger keine "Kamikaze-Piloten", so viel ist klar. Die Anforderungen an einen Kunstflieger sind hoch und die Voraussetzungen für diesen Sport entsprechend. Ohne körperliche Fitness, Konzentrationsfähigkeit und jede Menge Flugerfahrung geht hier gar nichts. Innerhalb von Bruchteilen von Sekunden müssen die Piloten Entscheidungen treffen, immer die Orientierung behalten. Dabei versuchen sie bestimmte Figuren exakt zu fliegen und steuern ihre Maschinen bei Wettkämpfen durch die sogenannte Kunstflugbox. Das ist ein würfelförmiger Luftraum mit jeweils einem Kilometer Kantenlänge. Die Referenz fürs Auge ist dabei immer der natürliche Horizont in der Ferne.

Der Flug

Dennis Wilms ist sichtlich beeindruckt von den Flugkünsten
Dennis Wilms ist sichtlich beeindruckt von den Flugkünsten. | Bild: NDR

Nach ein paar einführenden Kurven geht es endlich richtig los. Bei einem ersten Looping bekommt Dennis die Kräfte, die bei einem Kunstflug auf den Körper wirken, so richtig zu spüren. Das, was ihm da zu schaffen macht, sind die legendären g-Kräfte.

Auf der Erde herrscht permanent 1 g. Diese Kraft bezeichnet die Erdbeschleunigung von etwa 9,81 m/sek. Und genau mit dieser Kraft werden wir angezogen. Unser Körper kennt es, dem entgegen zu wirken und pumpt das Blut nach oben. Je stärker das Blut nach unten gedrückt wird, also je stärker die g-Kraft, desto mehr Blut landet vom Gehirn in Richtung Füße.
Ab rund viereinhalb g, die beim Kunstflug schnell erreicht werden können, gibt es keinen Blutfluss mehr im Kopf. Bei den "positiven g" wird es dann für Untrainierte gefährlich. Als Erstes engt sich das Blickfeld ein, dann wird man blind, weil die Netzhaut ohne Sauerstoff ist, und schließlich verliert man das Bewusstsein. Geübte Kunstflugpiloten fliegen auch schon mal bis neun oder zehn g. Dazu spannen sie allerdings die richtigen Muskeln an und nutzen einen spezielle Pressatmung, um das Gehirn weiter mit Blut und damit Sauerstoff zu versorgen.
Wesentlich unangenehmer sind aber noch die "negativen g"-Kräfte, und auch sie kommen beim Kunstflug durchaus mal vor, zum Beispiel bei einem Außenlooping. Hier wird das Blut nicht Richtung Füße, sondern Richtung Kopf gedrückt. Die Zentrifugalkraft wirkt also andersherum als gewohnt, ein Zustand der auch bei –2 g schon langsam ungemütlich werden kann. Das Blut kann nicht mehr aus dem Kopf zurückgepumpt werden, der Kopf schmerzt, Kapillare platzen und den Rest kann man sich schließlich denken.

Wie viel g ein Körper letztendlich aushalten kann, hängt aber auch immer mit der Belastungsdauer zusammen. Unser Moderator schlägt sich heute tapfer. 20 Minuten dreht sich die Extra 200 mit ihm an Bord immer wieder um ihre verschiedenen Achsen. Während der Looping hauptsächlich durch die g-Kraft belastet, sind die Rollen um die Längsachse des Flugzeugs definitiv ein Anschlag auf sein Gleichgewichtssinn. Beim Turn steigt die Maschine steil in den Himmel, um am höchsten Punkt der Flugfigur eine abrupte Kehrtwende zu machen und in den Sinkflug zu gehen. "Da zieht es einem schon ein bisschen die Gesichtszüge in die andere Richtung", ruft Dennis dem Piloten über das Funksprechgerät zu. Das Trudeln ist für ihn schließlich die härteste Flugfigur. Die Aerodynamik ist dabei komplett ausgeklinkt, die Extra 200 dreht um alle drei Achsen gleichzeitig. Nach einem letzten Flug auf dem Kopf ist bei unserem Moderator dann das Limit erreicht. "Landen wär nicht schlecht", so seine kurze Bitte an Kröger.

Das Fazit

Als Dennis Wilms aussteigt, sind seine Beine schon ein wenig wackelig und er muss zugeben, dass ihm auch ein bisschen schlecht ist. Doch das ist kein Wunder, war es doch sein erster Kunstflug! Bis zu vier g ist er heute mitgeflogen. Respekt!

Autorin: Britta Thein (NDR)

Stand: 17.09.2015 13:27 Uhr

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