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Faszination Ägypten

Eine Pyramide
Ein Weltwunder der Antike | Bild: SWR

Geheimnisvolle Pyramiden, schwer zu entziffernde Hieroglyphen und die irritierende Sitte der Mumifizierung beschäftigen die Menschen Europas seitdem Ägypten als Land höchster Kultur und Religion wiederentdeckt wurde.

Langeweile bei Napoleon

Die Entschlüsselung der Hieroglyphen und damit die Basis zur Erforschung des pharaonischen Ägyptens ist Napoleon Bonaparte zu verdanken. 1798 führte der Feldherr eine Truppe an den Nil, deren eigentliches Ziel Indien gewesen war. Die Franzosen scheiterten jedoch an den Briten und saßen - insgesamt drei Jahre - fest. Die Wissenschaftler in Napoleons Gefolge vertrieben sich die Zeit mit Ausgrabungen und Vermessungen und entdeckten den Stein von Rosette, mit dessen Hilfe das Rätsel um die Hieroglyphen gelöst werden konnte. Seither verging kaum ein Jahr, in dem Archäologenteams nicht bedeutende Schätze entdeckten - vom Sarkophag Tutanchamuns bis zu den sensationellen Funden aus jüngster Zeit im Tal der Goldenen Mumien. Keine der antiken Hochkulturen übt bis heute solch eine Faszinationskraft aus wie die der Ägypter.

Der mit den Göttern spricht

Die Pyramiden sind das letzte existierende Weltwunder der Antike. Seit ägyptische Pharaonen sie vor Jahrtausenden erbauen ließen, faszinieren sie die Menschheit. Der Wissenschaft geben sie bis heute Rätsel auf. Doch eines ist sicher: Mit der Form der Monumente verbindet sich das Versprechen von Ewigkeit.

In der Grabkammer beginnt die Reise des toten Pharaos durch die Unterwelt, an deren Ende er sich den Aufstieg zu den Göttern erhofft. Dies offenbaren geheimnisvolle Beschwörungsformeln aus Hieroglyphen. Sie sollen ihm den Weg hinauf zu den Sternen, in die Unendlichkeit weisen. Die Ägyptologin Prof. Ursula Verhoeven erklärt, wie dies zu verstehen ist: „Nach ägyptischer Vorstellung ist er der einzige, der mit den Göttern kommunizieren kann. Er ist halbgöttlicher Abstammung, so hat man sich das vorgestellt. Er geht hinauf in den Himmel und er ist der einzige, der in den Tempeln den Göttern opfert. Wenn man sich diese Tempel anschaut in Ägypten, dann sieht man immer den König vor den Göttern, keine Privatpersonen normalerweise. Und er tut es für das ganze Land.“

Die Reise nach dem Tod

Wie alle ägyptischen Herrscher scheint auch Cheops sein Leben nur einem einzigen Gedanken zu widmen: der Vorbereitung auf das Jenseits. Im Frühjahr 2457 vor Christus tritt der Pharao seine letzte Reise an. Entlang der Außenseite der Pyramide wird seine Mumie zur Himmelspforte gebracht. Über den Bau dieser gigantischen Monumente rätselt man bis heute. Niemand weiß genau, wie sie entstanden sind. Etwa 20.000 Mann, so die Schätzung, waren mit dem Pyramidenbau beschäftigt. Ein Drittel davon direkt in Gizeh. Ein weiteres Drittel kümmerte sich um die Infrastruktur und um den Materialtransport. Die Beförderung der Steine und die Feinarbeiten an der Außenhülle waren vermutlich nur durch gewaltige Rampen denkbar.

Tausend Jahre später

Das Alte Reich war vergangen, ein Neues Reich entstanden. Etwa Tausend Jahre später dringen Grabräuber in die Königskammer ein. Schon damals wurden die Menschen von den Legenden über die sagenhaften Grabschätze der Pharaonen angelockt. Die Diebe schreckten vor nichts zurück, doch wer sich bei der Grabschändung erwischen ließ, wurde hart bestraft. Es ist auch dieses Wissen über die Menschen und ihre Geschichten, die das Alte Ägypten für uns bis heute so beeindruckend machen: Es scheint, als würden die alten Mumien noch direkt zu uns sprechen: Jahrtausende alte Geschichte – zum Greifen nah.

Prof. Ursula Verhoeven, Universität Mainz: „Man kann auch sehen, ... ob Operationen vorgenommen wurden. Es gibt einen sehr interessanten Befund, wo ein Mann eine Zehenprothese bekommen hat. Der hat also einen Zeh verloren bei irgendeiner Gelegenheit, man hatte ihm dann eine Prothese gebaut, die er auch getragen hat, und die man ihm auch mit ins Grab gegeben hat, damit er dann auch nach dem Tod noch weiterhin theoretisch laufen kann.“

Ausgrabungen für die Ewigkeit

Von den Siedlungen und Städten des Alten Ägyptens ist allerdings kaum noch etwas erhalten, da sie aus Lehm errichtet wurden. Nur sakrale Steinbauten wie der Tempel von Karnak überdauerten die Jahrtausende, bis in unseren Tagen Touristen wieder Kontakt mit der Größe vergangener Zeit suchten. Alte Aufnahmen vom Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen den schwunghaften Handel mit mumifizierten Körperteilen. Offenbar weckten solche Begegnungen erhebende Gefühle. Doch glücklicherweise sind viele der antiken Kulturgüter noch unentdeckt. Prof. Ursula Verhoeven berichtet, dass „...die Archäologen unseres Faches der Meinung sind, dass momentan erst ein Viertel der Überreste, der noch existierenden Überreste bekannt ist, und drei Viertel noch unter dem Wüstensand bzw. unter den heutigen Siedlungen zu finden wären, wenn man das denn alles heben wollte und könnte.“

Es bleiben noch viele Rätsel, die auch die kommenden Jahrhunderte sicher überdauern werden. Während wir erst das dritte Jahrtausend erreicht haben, sehen sich die Ägypter bereits im siebten. Und provozierend stellen sie die Frage: Gibt es irgendwo ein perfekteres Symbol der Ewigkeit?

Adressen & Links

Auf der Website des KNH Centre for Biomedical Egyptology an der Manchester University gibt es viele Informationen zu den Krankheiten der alten Ägypter (engl.):
www.knhcentre.manchester.ac.uk

Literatur

Rosalie David, Dick Archbold
Wenn Mumien erzählen. Neueste naturwissenschaftliche Methoden enträtseln das Alltagsleben der Ägypter
Collection Rolf Heyne, 2001. 192 Seiten
ISBN 3453195272

Renate Germer
Die Heilpflanzen der alten Ägypter
Winkler Verlag 2002, 240 Seiten
ISBN 3538071446

Autor: Markus Hubenschmid (SWR)

Stand: 11.05.2012 13:05 Uhr

Sendetermin

So., 11.10.09 | 17:03 Uhr
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