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Fischpolizei auf dem Eismeer

Sichtung von Piratenfischern
Sichtung von Piratenfischern | Bild: WDR

Experten nennen sie in einem Atemzug mit Waffen- und Drogenschmuggel: Verbrechen gegen die Umwelt, "eco-crimes". Wilderer, Chemieschmuggler und Piratenfischer verdienen Milliarden. Sie scheren sich einen Dreck um internationale Abkommen und Gesetze. Sie tricksen die Behörden aus, die teilweise hilflos zuschauen müssen. Ein besonders drastischer Fall sind Piratenfischer-Flotten im Südlichen Ozean rund um die Antarktis. Ein Fall, der für die Verbrecher aber anders ausging, als sie dachten. Sie hatten nicht mit dem engagierten Einsatz von australischen Fischereioffizieren gerechnet - und einem Minister, der sie unterstützte.

Piratenfischer

Fang eines "Schwarzen Seehechts"
Fang eines "Schwarzen Seehechts" | Bild: WDR

Die Gewässer rund um die Antarktis sind besonders reich an wertvollen Fischen wie dem Schwarzen Seehecht. Weil diese Regionen so schwer zu erreichen oder gar zu kontrollieren sind, spielen sich dort dramatische Szenen ab, ohne dass die Öffentlichkeit das erfährt. Denn dieser eigentlich so hässliche Fisch ist vor allem in den Vereinigten Staaten, Japan und China wegen seines festen, weißen und grätenarmen Fleisches heiß begehrt. Den Piraten bringt ein einziger Fisch 1.000 US-Dollar und mehr ein. Das macht den Fang so lukrativ und hat illegale Fischer und ganze Piratenflotten auf den Plan gerufen, die sich an keine Fangquoten und Gesetze halten. Sie und ihre Hintermänner werden durch die reiche Beute zu Millionären. Mit ihren skrupellosen Fangmethoden bedrohen sie nicht nur das Ökosystem der Meere, sondern auch die Existenzgrundlage der legalen Fischer.

Ein Minister greift ein

Immer wieder müssen die Offiziere der australischen Fischereibehörde AFMA tatenlos bei diesem Schauspiel zuschauen. John Davis ist einer von ihnen. Er und seine Mitstreiter müssen mit ansehen, wie die fischreichen Gewässer rund um die Heard- und McDonald-Inseln (HIMI), die zu Australien gehören, von Piraten auf Fabrikschiffen heimgesucht und leer gefischt werden. Tatenlos müssen sie gute Miene zu bösem Spiel machen – sie können nur beobachten und verfolgen, aber das Unrecht nicht stoppen, denn sie sind unbewaffnet. Ihre französischen Kollegen können auf die Hilfe der Marine vertrauen, die in ihren Hoheitsgewässern nicht lange fackelt. Und zur Not auch die Piratenschiffe mit Torpedos versenkt. Anders Australien. Die Fischereikontrolleure sind unbewaffnet. Was sich da unter ihren Augen abspielt, ist dramatisch: Mit kilometerlangen Leinen, an denen Tausende von Haken stecken, holen die Piraten die Fische aus bis zu 4.000 Metern Tiefe. Dabei verenden auch zahllose Seelöwen und Albatrosse. Doch John Davis will sich damit nicht abfinden.

Der Fall der „Volga“

Kampfschiff der australischen Marine
Die australische Marine rückt aus | Bild: WDR

John Davis organisiert ein Treffen mit dem Fischereiminister Ian Macdonald. Dem hohen Besuch will er endlich klar machen, dass seine Männer und Frauen zu schlecht ausgerüstet sind. Unbewaffnet können sie den Piraten nicht das Handwerk legen. Im Hochsicherheitsbereich des Nationalen Überwachungszentrums kommen Minister, Zoll, Fischereibehörden und die Australische Kriegsmarine zusammen. Der Fischereiminister erfährt, dass seine Kontrolleure immer wieder Piraten in den australischen Gewässern sichten. So die „Volga“, ein Piratenschiff unter russischer Flagge. Beim nächsten Mal sollen die Piraten nicht entkommen. John Davis präsentiert seinen Plan: Er will eine Falle stellen. Ohne Warnung auftauchen und zugreifen. Dafür braucht er die Unterstützung der Navy. Bewaffnete Soldaten sollen Jagd auf die Piratenfischer machen. Der Minister stimmt zu. Australien erklärt der illegalen Fischerei den Krieg.
Am 6. Februar 2002 ist es soweit. Die Fregatte „Canberra” kommt in dem See-Gebiet an, wo zuletzt Piraten beobachtet wurden. Ein neues Kapitel im Kampf gegen die Überfischung im Südlichen Ozean beginnt. In einer waghalsigen Aktion seilen sich bewaffnete Offiziere von einem Helikopter ab und erstürmen die „Volga“.

Die Piraten bedrohen sogar Europa

Der australischen Regierung gelingt es, die Piraten zu vertreiben. Ian Macdonald, der damalige australische Fischereiminister: „Der Angriff auf das Ökosystem der Meere ist so dramatisch, dass die Welt etwas dagegen tun muss. Wir hoffen, dass Australiens Einsatz gegen den illegalen Fischfang ein Vorbild für die Weltgemeinschaft sein kann. Nur so können wir das Öko-System der Meere retten – denn es ist immer noch bedroht.“

Doch die Fischwilderei macht sich jetzt in Gewässern außerhalb der australischen Hoheitszonen breit, etwa vor Island und in den Randbereichen der Nordsee. 500.000 Tonnen illegal gefangener Fisch kommt laut Expertenschätzungen jedes Jahr in der EU auf den Markt. Wenn es nicht gelingt, die illegale Fischerei weltweit zu bekämpfen, ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Menschheit in Gefahr. Immer noch.

Literatur

Charles Clover:
Fisch kaputt. Vom Leerfischen der Meere und den Konsequenzen für die ganze Welt
Riemann 2005
23 Euro

G. Br. Knecht:
Raubzug. Der teuerste Fisch der Welt und die Jagd nach seinen Jägern
Mareverlag 2006
24,90 Euro

Martin Suilmann
Bekämpfung der Umweltkriminalität
Mitteldeutscher Verlag 2006
22 Euro

Autor: Heinz Greuling (WDR)

Stand: 24.09.2015 13:33 Uhr

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