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Windparks – Im Meer oder an Land?

Offshore – Pionierarbeit mit großen Hürden

Transport eines Fußes des Windrades
Der Fuß eines Windrades wird zur Baustelle transportiert | Bild: alpha ventus/DOTI, 2009

Auf der Suche nach alternativen Energieideen forciert die Bundesregierung Offshore-Windparks auf offenem Meer. Erstes Projekt: Alpha Ventus, 45 Kilometer vor Borkum. Hier entsteht für insgesamt 250 Millionen Euro Deutschlands erste Windkraftanlage auf hoher See. Windräder, jedes so hoch wie der Kölner Dom.

Eine Herausforderung ist aber der Kostenaufwand: Niemand kann gegenwärtig sicher sagen, wie viel Millionen das Abenteuer Offshore auf deutscher See kosten wird.

Auftakt zu einem Gigantenprojekt

Die ersten Testanlagen stehen
Testanlage Alpha Ventus | Bild: NDR

Besuch bei Alpha Ventus – dem deutschen Offshore- Megaprojekt, 63 Kilometer vor der ostfriesischen Küste. In der ersten Testphase entstehen hier 12 Windräder. Allein das Testfeld soll Ökostrom für 25.000 Haushalte produzieren. Doch die Arbeiten haben sich schon um ein Jahr verzögert. Vor allem Wellen, Wind und Salzwasser bereiten den Technikern große Schwierigkeiten. Riskante Unwägbarkeiten für ein 250-Millionen-Euro-Projekt.

Claus Burkhardt, Leiter Betrieb Offshore: "Es ist das erste Mal überhaupt in der Welt, dass so weit von der Küste entfernt, in solchen Tiefen, Windanlagen gesetzt wurden und das sind natürlich besondere Herausforderungen."

Enormes Energiepotential vs. hohe Risiken

Herausforderungen an die Technik: Anlagen dieser Größe sind in Deutschland nur auf dem Wasser durchsetzbar. 150 Meter hohe Giganten, jeder mit einer Leistung von fünf Megawatt. Näher an der Küste wäre es einfacher, aber dort darf man in Deutschland wegen Tourismus und Wattenmeer nicht bauen. Dafür lockt hier draußen ein enormes Energiepotenzial. Hier herrschen an manchen Tagen Windstärken bis zu 200 Kilometer pro Stunde.

Aber gerade dieser kostbare Nordseewind schafft Probleme für Alpha Ventus. Die Anlage muss so konzipiert sein, dass sie mindestens ein Jahr keine Wartung braucht. Denn nur bis ein Meter Seegang kann noch repariert werden. Das geht nur an maximal 20 Tagen im Jahr. Offshore ist ein Risikoinvestment. Funktioniert die Mechanik auch auf hoher See? Verschieben sich die Fundamente oder sacken sie ab? Prof. Dr.-Ing. Theodor Triantafyllidis vom Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik (IBF), TU Karlsruhe: "Da zeigt sich, dass Methoden und Richtlinien fehlen, um die Fundamente unter den speziellen Bedingungen sicher zu bemessen." Weil mit zunehmender Schiefstellung der Gründung die Anlagen auszufallen drohen, bringen die Ingenieure um Prof. Dr.-Ing. Theodor Triantafyllidis (TU Karlsruhe) mit Hochdruck ihre Ergebnisse aus dem SFB 398 an der Ruhr-Universität Bochum zur Anwendung für die Lebensdauer-Prognose von Offshore-Windenergieanlagen. Allerdings wird erst frühestens Anfang 2010 mit ersten Ergebnissen gerechnet.
Offshore könnte für die Geldgeber ein Fass ohne Boden werden.

Wenn die Windparks, wie vor der dänischen Westküste, effektive Mengen grünen Strom erzeugen sollen, bräuchte Deutschland 70 Milliarden Euro für 5.000 weitere Räder. Deshalb macht Heiko Stohlmeyer, Finanzierungsexperte für erneuerbare Energien der Pricewaterhouse Coopers AG, auch auf die Skepsis einiger Finanzierer aufmerksam: "Als Risiken aus Finanzierungssicht sind hier die in erster Linie die Wetterrisiken in Verbindung mit Errichtung und Betrieb der Offshore-Windenergieanlagen zu nennen. Aber auch die wenig erprobten Offshore Windenergieanlagen und die noch nicht sichergestellte Netzanbindung stellen große Herausforderungen dar."
Auch Bernd Neddermann vom Deutschen Windenergie-Institut aus Wilhelmshaven kennt die Risiken aus Finanzierersicht: "Offshore hat ein riesiges Potential. Aber die Finanzierer wollen sich absichern, das aber ist sehr schwer." Wegen dieser Risiken ist die Finanzkrise hier draußen besonders deutlich spürbar: Von 30 an Alpha Ventus beteiligten Banken sind mehr als die Hälfte abgesprungen. Die ganze Offshore Branche verliert Finanziers. Für die Klimaschutzziele der Bundesregierung könnte das fatale Konsequenzen haben.

Windparks an Land – die einfachere Alternative?

An Land dagegen machen Technik und Finanzierung weniger Probleme. Ein beeindruckendes Beispiel ist der Windpark Westereems in Holland, ein gigantisches Projekt: Mehr als 100 alte Windräder wurden durch 88 neue, viel höhere ersetzt, mit Rotorblättern, so groß wie die Flügel eines Jumbojets, sogenanntes Repowering. Das Motto: weniger Anlagen – viel mehr Leistung. Die neuen Räder erzeugen 160 Megawatt Ökostrom, sechs mal so viel wie die alten. Doch Windenergieexperte Heiko Stohlmeyer weiß, dass Großprojekte dieser Art für Deutschland kaum zu realisieren wären: "Repowering ist technisch gesehen sicherlich weniger anspruchsvoll als Offshore. Aber für Großprojekte wie Westereems fehlt es hier schlichtweg an Fläche. Die deutsche Windenergielandschaft ist geprägt durch viele kleine Projekte. Und was man hier hinzufügen muss: In Deutschland gibt es immer noch viele Hemmnisse durch Widerstände seitens der Anwohner."

Räder auf dem Land – Streitfall mit Anwohnern

Windräder in Galmsbüll
Windräder in Galmsbüll | Bild: NDR

Wie diese Probleme aussehen zeigt sich im Norden Schleswig Holsteins: Galmsbüll. Auch hier wurde repowert. Aus 34 alten Rädern wurden 18 neue. Diese sind aber 120 Meter hoch und damit doppelt so groß wie die alten. Zunächst gab es heftigen Widerstand der Einwohner.
"Wir wachen nachts auf, wenn wir entsprechende Windrichtungen haben und wir können es vor Lärm nicht aushalten. Wir meinen, ein Zug fährt mittendurch die Schlafstube", klagt Ilse Hansen. Und ein weiterer Anwohner hat deutlichen finanziellen Verlust durch den Park erlitten: "Wir haben in den Ferien vermietet. Und seit 2007 ist diese Ferienvermietung zurückgegangen, so weit, dass wir dieses Jahr die Vermietung eingestellt haben. Es hat keinen Sinn mehr."
Gerade die Konflikte mit Anwohnern sorgen dafür, dass Deutschland beim Repowering im internationalen Vergleich hinterherhinkt.

Beteiligung im Dorf

Doch hier in Galmsbüll hat die Windenergiebranche eine Lösung gefunden. Die Bürger werden finanziell beteiligt. Sie können Anteile kaufen. Im Ort stimmten 50 Prozent der Bevölkerung den Türmen zu, weil sie wirtschaftlich davon profitieren. Grüner Strom heißt hier – mehr Profit für den Einzelnen. Diese Bürgerwindparks gewinnen in Schleswig Holstein fast die Hälfte des Windstroms. Galmsbülls Bürgermeister sieht darin eine große wirtschaftliche Chance für die Region: "Wir erzielen höhere Gewerbeeinnahmen durch Repowering, die Bürger eine gute Rendite, denn die Windparks werfen gute Rendite ab. Für eine Umgebung wie diese, die eher einkommensschwach ist, ist das eine gute Chance."

Zukunft vor allem auf dem Wasser

Doch das allein reicht nicht. So resümiert Heiko Stohlmeyer, dass der Blick stets auf Wasser und Land gerichtet sein müsse, will man mehr Grünen Strom durch Windkraft erreichen: "Die Zukunft muss sein, dass Offshore und Repowering nebeneinander laufen – wir brauchen beides. Offshore ist sicherlich die größere technische Herausforderung, sie bildet aber auch die größeren Chancen aus Klima, Energie und wirtschaftspolitischer Sicht."

Der Weg führt also zurück aufs Wasser – eine Wahl gibt es nicht. 20 Parks sollen in Nord– und Ostsee entstehen, mit 25.000 Megawatt Leistung, so viel wie alle Atomkraftwerke in Deutschland zusammen erbringen. Nur so käme Ökostrom auf ein Niveau, dass einen spürbaren Beitrag zur Energiewende leistet – auch für die nächsten Generationen.

Stand: 05.12.2012 14:20 Uhr

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