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Ein neues Kleid für die "Goldelse"

Goldene Else und diebischer Wind

Die Goldelse vor der Restaurierung
Vor der Restaurierung war nicht viel vom Blattgold übrig | Bild: NDR

Restaurator Lutz Senninger flucht leise. Wieder hat der Wind ein Stück Blattgold davon getragen. Das hauchdünne, 24-karätige Goldblättchen wirbelt jetzt über den Berliner Tiergarten. Senninger und drei Kollegen geben der Goldelse, wie die Statue der Viktoria auf der Siegessäule von den Berlinern liebevoll genannt wird, ein neues Gewand. Die Figur ist 8,30 Meter hoch, 40 Tonnen schwer und wurde aus der Bronze erbeuteter Kanonen gegossen, als Erinnerung an die preußischen Siege über Dänemark, Österreich und Frankreich. Doch rein äußerlich funkelt die Else, als wäre sie nicht aus Bronze, sondern aus massivem Gold. Das Blattgold umschließt sie perfekt. Nahtstellen sind nicht zu erkennen. Zumindest dort, wo die Restauratoren schon fertig sind. Denn die Else muss mal wieder generalüberholt werden. Die letzte Vergoldung liegt fast 40 Jahre zurück. Von dem damals aufgetragenen Blattgold waren nur noch Fragmente übrig. Straßenstaub, Vogelkrallen oder Hagelschlag hatten das Edelmetall nach und nach abgeschmirgelt. Einzig die gelbe Grundierung bemühte sich noch um goldene Illusion.

Alte Meister in Öl und Acryl

Traditionell verwenden Vergolder für Objekte, die wetterfest sein müssen, einen Kleber aus Leinöl, Bleiglätte und Terpentinöl. Dieses sogenannte Anlegeöl wird dünn auf die Oberfläche aufgetragen. Danach nimmt der Vergolder ein passend geschnittenes Stück Blattgold, legt es vorsichtig auf und massiert es regelrecht in den Untergrund ein. Nach 12 Stunden ist der Ölfirnis ausgetrocknet und die Vergoldung witterungsbeständig. Es sei denn, es regnet vorher. Die Tropfen verflüssigen das Anlegeöl und ruinieren die Arbeit. Deshalb verwenden die Handwerker auf der Goldelse erstmals einen neuartigen Kleber auf Acrylbasis. Das entspricht zwar nicht der Tradition, wohl aber den Witterungsbedingungen. Denn die Restauratoren müssen die Statue an Ort und Stelle vergolden. Sie stehen auf einem Gerüst in 67 Metern Höhe, bei Wind und Wetter. Die Else ist einfach zu schwer, um sie abzubauen und in einer geschützten Werkstatt zu bearbeiten. Also fliegt eben ab und zu ein Stück hauchdünnes Blattgold über den Tiergarten.

Ein Hauch von Nichts

Das neue Kleid der Else stammt aus der größten Blattgoldfabrik Deutschlands. Der Noris-Blattgold GmbH in Schwabach bei Nürnberg. Die Goldschläger hier sind in der Lage, Blattgold mit einer Dicke von einem Zwölftausendstel Millimeter herzustellen (0,000083 mm). Das Gold ist dann so dünn, dass man hindurch sehen kann, wenn man es gegen das Licht hält. Mit bloßen Händen darf man diesen Hauch von Nichts nicht mehr anfassen. Das Blatt würde zerreißen.

Barren unter der Walze

Bis zum fertigen Blattgold ist es ein aufwändiger Arbeitsprozess: Die Goldschläger gießen einen flachen Barren von vier Zentimetern Breite und 25 Zentimetern Länge. Gewicht 850 Gramm, Wert rund 28.000 Euro. Die Farbe des Goldes lässt sich variieren. Je nach Bedarf kommt zusätzlich Kupfer, Silber, Palladium oder Platin in den Schmelztiegel. Für die Siegessäule verwenden die Schwabacher nur reines, 24-karätiges Gold. Nach dem Guss wird der Barren auf einer Präzisionswalze gewalzt. Immer wieder schiebt der Goldschläger das schimmernde Metall zwischen die stählernen Rollen. Nach einigen Hundert Durchläufen hat er einen Streifen, der vier Zentimeter breit, circa 130 Meter lang und so dünn wie Zeitungspapier ist. Die Walze ist am Ende ihrer Möglichkeiten. Doch hochwertiges Blattgold ist fast 100-mal dünner. Deshalb muss das Gold unter den Hammer.

Gold unterm Hammer

Zunächst wird das dünne Goldband automatisch in Quadrate von vier mal vier Zentimetern geschnitten. Eine Maschine stapelt sie mit jeweils einer Schicht Spezialpapier dazwischen zu dicken Packen. Mit 25 Kilogramm Gewicht und 300 Schlägen pro Minute hämmert ein Schlagwerk die gestapelten Plättchen in dem Paket breit und flach – von 4x4cm auf 14x14 cm. Der Hammer schlägt dabei bestimmte, voreingestellte Muster damit sich das Material gleichmäßig ausdehnt. Anschließend wird das Blattgold nochmals klein geschnitten und erneut ausgeschlagen. Das Ganze funktioniert nur, weil Arbeiterinnen die Trennblätter in dem Paket vorher mit einem Gleitmittel aus Kreidestaub gepudert haben. Ohne diesen Trick könnten die Goldblättchen in der Form nicht rutschen und der Hammer würde alles zu einem Klumpen schlagen.

Schließlich nehmen Arbeiterinnen die Goldblättchen vorsichtig aus den Paketen. Das Blattgold ist jetzt so empfindlich, dass es sich bereits durch geschicktes Pusten von den Trennblättern löst. Die Arbeiterinnen müssen Zedernholzpinzetten benutzen, um es überhaupt anfassen zu können. Sie schneiden das Gold auf das endgültige Format von 8x8cm und legen es in kleine Heftchen aus Seidenpapier. 1.000 dieser Gold-Blätter wiegen jetzt nur noch 49 Gramm. Ein Blatt kostet ungefähr zwei Euro.

Glänzend alt werden

Schon allein deshalb passen die Restauratoren auf der Berliner Siegessäule gut auf ihr Edelmetall auf. Insgesamt werden sie 1,2 Kilogramm reines Gold verarbeiten. Rund 200 Quadratmeter sind zu vergolden, einen Quadratmeter schaffen sie pro Tag. An schwierigen Stellen geht es allerdings deutlich langsamer voran: Die Haare der Else sind eine wahre Kraterlandschaft. Jedes Stück Blattgold muss passend zugeschnitten, jede Vertiefung ausgefüllt werden. Wichtig ist die geschlossene Oberfläche. Denn das Gold ist nicht nur Zierde sondern auch wirkungsvoller Korrosionsschutz. Keine Goldfarbe und kein Schutzlack würden so lang halten wie das Edelmetall. Die Restauratoren hoffen auf 30 bis 50 Jahre.

Autor: Björn Platz (NDR)

Stand: 03.11.2015 13:47 Uhr

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