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Technische Pannen – und ihre Lösungen

Wie die Bahn mit Verspätungen umgeht

Vereiste Kupplung
Schnee und Eis bringen Probleme für die Bahn | Bild: BR

Wintereinbruch in Deutschland – und der Verkehr ist an manchen Orten lahmgelegt. Das gilt auch für die Bahn: Viele Züge fallen aus oder fahren mit Verspätung. Weichen und Kupplungen vereisen, Stromaggregate machen wegen eindringenden Flugschnees schlapp. Zwar hat die Bahn mehr Weichenheizungen eingebaut und zusätzliches Personal eingestellt, aber die Schneemassen sind an manchen Orten kaum zu bewältigen.

Extremwetter im Klimakanal

Um zu erforschen, wie Züge unter Extrembedingungen wie sibirische Kälte oder südeuropäische Hitze noch funktionieren, gibt es den weltweit einzigen Klimakanal in Wien, in den komplette Züge bis zu einer Länge von 100 Metern hineinpassen. Dort werden Züge zum Beispiel stundenlang bei minus 20 Grad Celsius beschneit, um danach zu sehen, ob die Tür sich noch öffnet oder vereist ist, ob der Stromabnehmer noch ausfährt, die Scheibenwischer noch arbeiten oder die Kupplung trotz Vereisung noch funktioniert.

"Wir können hier wirklich alle Extrembedingungen testen, das ist einzigartig und ein Riesenvorteil für die Zugbauer. Denn so können sie ihren Zug noch optimieren, bevor er auf die Schiene zum Einsatz kommt", sagt Uwe Sorgalla, der solche Tests leitet. Er vermutet: Wäre der Zug, der den Eurotunnel befährt, in Wien getestet worden, der Stromausfall wäre nicht passiert. Denn sie können bei EurailTec auch solche abrupten Klimawechsel simulieren.

Simulation für Körperhitze und Schweiß

Auch Sommer mit 45 Grad Celsius und Sonneneinstrahlung sind hier kein Problem. Mit Heizmatten werden aufgeheizte Passagiere simuliert, Raumbefeuchter stellen "Schweiß" her. Wären die ICE damals unter solchen Bedingungen getestet worden, die Klimaanlagen hätte vielleicht in diesem Sommer nicht versagt und für die Bahn so viel negative Presse gebracht. Reihenweise waren die Klimaanlagen ausgefallen und hatten dazu geführt, dass Passagiere völlig dehydriert vom Notarzt abgeholt werden mussten. Die Bahn zahlte daraufhin mehrere Millionen Euro Entschädigung. Trotzdem schränkt Uwe Sorgalla ein: "Wir können nicht jedes Ereignis voraussehen und simulieren. Es wird immer wieder neue Situationen geben, die wir dann eben in unsere Versuche einbauen müssen."

Die gute Nachricht für Bahnkunden: Das neue Prunktstück der Deutschen Bahn, der ICE-Nachfolger Velaro D, wird in Wien den Härtetest bestehen müssen, bevor er voraussichtlich im Herbst 2011 auf die Schiene kommt.

Besandungsanlagen

Mit einem ganz anderen Problem beschäftigt sich Torsten Dellmann von der RWTH-Aachen. Der Schienenfahrzeug-Experte hat sich einem Problem gewidmet, mit dem die Bahn vor allem im Herbst und im Winter zu kämpfen hat: Laub und feuchte Erde machen aus den Schienen wahre Schlitterpartien. Folge: Die Räder blockieren beim Bremsen, so dass sich der Bremsweg deutlich verlängert. Das Eisenbahnbundesamt setzt daher die Höchstgeschwindigkeiten auf verschiedenen Strecken regelmäßig im Herbst und Frühjahr herunter – und schon gerät der Fahrplan durcheinander. Es handelt sich dabei vor allem um Nahverkehrs- und Regionalzüge.

Für diese Typen hat die Deutsche Bahn nun aufgerüstet: 250 Züge wurden mit Besandungsanlagen nach gerüstet. Der Sand sorgt beim Bremsen für genügend Reibung, so dass die Räder nicht mehr blockieren. Das Problem: Der Sand muss immer wieder nachgefüllt werden.

Ein ABS für Züge

Torsten Dellmann hat dagegen eine Software entwickelt, die Druckluft in Millisekunden steuert. Diese Druckluft sorgt dafür, dass in kürzesten Zeitabständen die Bremsbacken greifen und wieder loslassen. Eine Art ABS für Schienenfahrzeuge. Das System hat sich auf dem Teststand von Torsten Dellmann bereits bewährt. Nun ist er mit einem Industriepartner daran, die Entwicklung serienreif zu machen.

Natürlich wird es immer wieder gerade im Winter zu Verspätungen kommen, bei denen auch die Bahn machtlos ist, wie zum Beispiel Oberleitungsschäden durch umgestürzte Bäume. Aber Einrichtungen wie der Klimakanal in Wien oder Entwicklungen wie die von Torsten Dellmann können ein weiterer Baustein sein, um Züge künftig pünktlicher fahren zu lassen.

Autor: Andreas Szelenyi (BR)

Stand: 19.10.2012 12:11 Uhr

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