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Astronauten auf Salzentzug

Wie zu viel Salz uns krank macht

Salz
Salz schmeckt - doch wie viel Salz ist gesund? | Bild: NDR

Salz ist ein lebensnotwendiger Bestandteil der Nahrung. Damit immer genug davon in den Zellen und Geweben des Körpers zur Verfügung steht, schmeckt uns Salz gut, denn das bringt uns dazu, ausreichend davon aufzunehmen. Aber seitdem es Kochsalz immer und überall gibt, ist nicht mehr Mangel das Problem, sondern Überdosierung: Zuviel Salz erhöht den Blutdruck und damit das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und viele andere Erkrankungen. Menschen mit Bluthochdruck empfehlen Ärzte schon länger, ihren Salzkonsum einzuschränken.

Aber zu viel Salz essen alle. In Deutschland liegt die durchschnittliche tägliche Kochsalzaufnahme bei bis zu zwölf Gramm pro Tag - doppelt so hoch wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Amerikanische Forscher schätzen, dass sich in den USA durch eine Reduktion des täglichen Kochsalzkonsums um drei Gramm der Blutdruck auf Dauer deutlich senken ließe und jährlich bis zu 100.000 Herzinfarkte oder Schlaganfälle vermieden würden.

Abgehobene Salzforschung

Mars 500 "fliegt" im All
Die Teilnehmer der Simulation Mars 500 erhielten immer salzärmere Nahrung. | Bild: NDR

Um zu untersuchen, wie sich eine Kochsalzreduktion bei Gesunden auf den Blutdruck auswirkt, hat der Blutdruckforscher Jens Titze von der Universität Erlangen ein abgehobenes Forschungsprojekt gestartet: Im Rahmen der Marsflug-Simulation "Mars 500" haben er und seine Mitarbeiter die Nahrung der Raumfahrer so zusammengestellt, dass der Salzgehalt der Tagesrationen schrittweise von zwölf auf sechs Gramm gesunken ist. Mars 500 bot die einmalige Chance, den Zusammenhang zwischen dem Kochsalzkonsum und dem Blutdruck absolut kontrolliert über einen langen Zeitraum zu beobachten.

Gefunden haben die Forscher einen überraschend starken Effekt: Der Blutdruck ist tatsächlich deutlich gesunken - bei gesunden Probanden! Eine salzreduzierte Ernährung ist also nicht nur für Nieren- und Bluthochdruckkranke wichtig. Auch bei Gesunden lässt sich so offenbar Arteriosklerose, Schlaganfall und Herzinfarkt vorbeugen.

Niere in der Haut

Fresszelle nimmt an der Haut eingelagertes Salz auf
Eine Immunzelle nimmt Salz auf | Bild: NDR

Salz wirkt also im Körper. Bisher galt die Ansicht, dass die Nieren überschüssiges Salz einfach wieder ausscheiden. Aber die Erlangener Forscher haben einen Speicher im Körper gefunden: die Haut. Hier regeln Immunzellen den Salzhaushalt. Die erkennen abgelagertes Salz und produzieren einen Stoff, der die Lymphgefäße in der Haut wachsen lässt. Über diese erweiterten Lymphbahnen wird überschüssiges Salz dann wieder abtransportiert - ein bisher unbekannter Kreislauf. Das Immunsystem bekämpft also nicht nur Bakterien, Pilze und andere Erreger, sondern regelt auch den Blutdruck.

Doch zu viel Salz überfordert diesen Mechanismus. Eine neue Untersuchungsmethode kann das nachweisen: eine spezielle Magnetresonanztomographie. Sie zeigt, dass auch bei scheinbar gesunden Menschen Salz in der Haut abgelagert ist. Und bei Menschen mit Bluthochdruck ist es besonders viel.

Der Geschmack des Salzes

Grafische Darstellung wie Salz von einer "künstlichen" ZUnge aufgenommen wird
Wie entsteht Salzgeschmack auf den Geschmacksknospen der Zunge? | Bild: NDR

Weil wir Salz brauchen, ist der Geschmack so attraktiv und der Appetit darauf groß. Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam suchen Frauke Stähler und Wolfgang Meyerhof nach Salzersatzstoffen - mit Hilfe von Froscheiern. Sie haben den Schalter, der in den Geschmacksknospen der Zunge den Salzgeschmack auslöst, den Froscheiern eingepflanzt.

Jetzt können sie messen, wie Salz diesen Schalter beeinflusst, und ob andere Stoffe das auch können. Jede Woche testen die Potsdamer Forscher 80 verschiedene Substanzen. Ziel ist es, einen gesundheitlich unbedenklichen Ersatzstoff für Natriumchlorid, also Salz, zu finden. Die Aminosäure Arginin hat sich schon als interessanter Kandidat herausgestellt. Aber die Wirkung ist nicht stark genug, und der Stoff ist zu teuer. Deshalb geht die Suche weiter - nach einem unschädlichen Salzersatz mit vollem Geschmack.

Das Salz in der Tütensuppe

Lebensmittel
Verbraucher können kaum den Salzgehalt von Lebensmitteln erkennen. | Bild: NdR

Die Attraktivität des Salzgeschmacks nutzt die Nahrungsmittelindustrie zur Verkaufsförderung - mit Erfolg. Viele Lebensmittel enthalten große Mengen an Salz, besonders viel steckt in Brot und in Käse. Aber auch völlig unverdächtige Nahrungsmittel wie zum Beispiel Cornflakes können ungesunde Salzmengen enthalten.

Für das Mars 500-Projekt haben die Forscher die salzarme Kost aus ganz normalen Lebensmitteln zusammengestellt - mit wissenschaftlichen Methoden. Eine Ernährung mit gesundem Salzgehalt wäre also heute theoretisch schon möglich. Aber Verbraucher haben oft keine Chance zu erkennen, wie viel Salz wo drin versteckt ist.

Weil die Hersteller freiwillig kaum auf den verkaufsfördernden Effekt des Salzes verzichten werden, diskutieren Politiker staatlich gelenkte Maßnahmen. Aber gegen solche Eingriffe wehren sich die Lobbyisten - in Deutschland bisher erfolgreich. Andere Länder sind da schon weiter: Finnland zum Beispiel hat schon vor 30 Jahren begonnen, das Salz in der Ernährung der Bevölkerung zu reduzieren. Heute sind Herz- und Kreislauferkrankungen dort viel seltener als vorher. Und die Finnen vermissen nichts. Genau wie unsere Vorfahren, die noch keine industrielle Salz- und Nahrungsmittelproduktion hatten. Die Wahrnehmung des Salzgeschmacks ist offenbar nicht nur lebenswichtig, sondern auch Gewohnheitssache.

Autor: Tilman Hassenstein (NDR)

Stand: 29.07.2015 11:08 Uhr

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