SENDETERMIN So., 09.01.11 | 17:03 Uhr | Das Erste

Der scheue Riesenkrake

Faszination Riesenkrake

Eine Krake
Eine Gefahr für Seefahrer? | Bild: HR

Die fürchterlichsten Legenden ranken sich um einen Meeresbewohner, den Jules Verne so schaurig beschrieb: Enteroctopus dofleini, ein Riesenkrake, von dem man glaubte, dass er ganze Schiffe in die Tiefe zieht und damit Seeleute Jahrhunderte lang in Angst und Schrecken versetzte. Mit diesem schlechten Image will der kanadische Biologe James Cosgrove aufräumen und zugleich zeigen, dass das vermeintliche "Monster" eines der intelligentesten Lebewesen der Meereswelt ist.

Die Kraft der drei Herzen

In den eisigen Gewässern vor der kanadischen Westküste versucht er immer wieder, Riesenkraken aufzustöbern. Enteroctopus dofleini, der Pazifische Riesenkrake, lebt versteckt in bis zu 750 Meter Tiefe in Höhlen. Er kann bis zu neun Meter lang und 270 Kilo schwer werden – mit Saugnäpfen, so groß wie Untertassen. Verlässt der Kranke seinen Unterschlupf, dann können sich die Taucher ihm leicht nähern. James Cosgrove schwärmt regelrecht von den vermeintlichen "Monstern": "Die Riesenkraken sind unglaublich", erzählt er. "Sie haben acht Arme, drei Herzen und in den Tentakeln sitzt mehr als 50 Prozent ihres Nervensystems, wie etwa der Geschmacks-, der Tast- und der Gleichgewichtssinn."

Diese faszinierendes Lebewesen sind Kopffüßler ganz ohne Knochengerüst. Häufig werden sie mit Riesenkalmaren verwechselt (Architheutis). Die aber haben zehn Arme und werden wesentlich größer – der bislang größte, tot aufgefundene Riesenkalmar brachte es auf mehr als 21 Meter. Vor allem vor Neuseeland und Neufundland stranden immer wieder Riesenkalmare. Sie sind unermüdliche Schwimmer und leben nicht, wie der Riesenkrake, in Höhlen.

Sterben für neues Leben

Der Riesenkrake ist ein Räuber und besitzt scharfe Waffen: In seinem Schnabel sitzt eine Zunge, die aussieht wie eine Feile voller Zähne. Damit brechen sie Muschel- und Krebsschalen auf und fressen die Tiere. An den Schalenresten vor einer Höhle kann man erkennen, wo ein Riesenkrake wohnt.

Nur einmal im Leben paaren sich Riesenkraken, denn sie opfern sich dann für ihren Nachwuchs auf: Wenn das Weibchen bis zu 100.000 Eier gelegt hat, frisst es sechseinhalb Monate lang nichts mehr. Es kümmert sich nur noch um die Eier und belüftet sie ununterbrochen. Wenn die Jungen geschlüpft sind, stirbt das Weibchen. Dazu verlässt es die Höhle – eine sehr sinnvolle Strategie, findet James Cosgrove: Wenn das Tier in der Höhle sterben würde, könnte es Räuber anlocken, die den Jungen gefährlich werden.

Intelligent und lernfähig

Um zu beweisen, dass der Riesenkrake intelligent ist, führt James ein erstaunliches Experiment durch: Er sperrt ihn in eine Kiste, um zu sehen, wie lange er braucht, um durch ein kleines Loch an einer Seite herauszukommen. In einem ersten Schritt erkundet der Riesenkrake das Terrain mit seinen Tentakeln. Nach zehn Minuten findet er den Ausgang und windet sich Tentakel für Tentakel durch das Loch. Dank seines elastischen Körpers und seines fehlenden Skeletts passt er durch die Öffnung, die einen Durchmesser von nur zehn Zentimetern hat.

Die Forscher wiederholen das Experiment, und der Riesenkrake hat seine Lektion gelernt. Er braucht nur noch 90 Sekunden, um zu entkommen. James Cosgrove ist überzeugt: "Riesenkraken sind intelligent. Sie lernen und haben ein Gedächtnis. Und im Laufe der Jahre haben wir gelernt, dass der Riesenkrake ein sehr schüchternes und sanftes Wesen ist. Eine sehr achtsame Kreatur - die Mythen, die sich um die Riesenkraken ranken, sind also falsch."

Autorin: Christine Lamotte (Bild: HR)

Stand: 12.08.2015 12:58 Uhr

Sendetermin

So., 09.01.11 | 17:03 Uhr
Das Erste