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Die Geschichte der Atomkraft

Von der AKW Euphorie zu "Atomkraft? Nein danke!"

Unterschrift von Fanz Josef Strauß
Die Unterschrift von Franz Josef Strauß | Bild: SWR

Als Deutschland zehn Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs wieder Atomforschung betreiben darf, ist das Klima von Euphorie geprägt. Atomkraft gilt als unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft. So heißt es dann auch in dem Lehrfilm "Energie aus Materie" aus dem Jahre 1955: "Nur die Energielieferung durch Atomkraftwerke kann die Lücken füllen, die früher oder später in der Energieversorgung auftreten werden. Im rechten Augenblick fand der Mensch ein Mittel, die drohende Energieverknappung zu überwinden."

Dieses Argument überzeugt auch Politiker. 1956 besiegelt Atomminister Franz Josef Strauß mit seiner Unterschrift die Gründung des Kernforschungszentrums Karlsruhe. Endlich kommt auch in der Bundesrepublik die friedliche Atomforschung in Gang. Strauß äußert sich in einem Interview optimistisch. "Wohnsitz und Dienstsitz sind für mich jetzt Bonn. Mein politischer Ausgangspunkt ist Bayern. Vielleicht habe ich bald das Ergebnis meiner Tätigkeit, ein Atomauto oder ein Atomflugzeug, dann schaff ich beides."

Der erste Forschungsreaktor

Flugblatt gegen den ersten Forschungsreaktor
Flugblatt gegen den ersten Forschungsreaktor | Bild: SWR

Im Hardtwald bei Karlsruhe sollen deutsche Ingenieure einen Forschungsreaktor bauen. Doch einige Bürger, vor allem Landwirte in den umliegenden Gemeinden, sind dagegen. Sie fürchten radioaktive Verseuchung. Auf einer Versammlung wird Kritik laut: "Unsere Bedenken in den Gefahren für Menschen, Pflanzen und Tiere, die konnten bisher nicht voll widerlegt werden. Denn selbst hierin streiten sich noch Professoren."

Der Protest gegen den Atommeiler wird als fortschrittsfeindlich abgetan. Das öffentliche Interesse, so die Begründung der baden-württembergischen Landesregierung, geht vor. 1957 beginnen die Bauarbeiten. Vier Jahre später, 1961, geht der erste deutsche Eigenbaureaktor in Betrieb. Er dient lediglich Forschungszwecken, ist für die Stromproduktion untauglich.

Wenn aus dem GAU ein "Rohrbruch" wird

Das Atomkraftwerk Stade
1972 ging Stade ans Netz | Bild: SWR

1969 schreibt das baden-württembergische Städtchen Obrigheim Geschichte. Obrigheim ist das erste kommerzielle Kernkraftwerk der Bundesrepublik, das Atomstrom liefert. Der eigentliche Durchbruch für die Atomkraft kommt erst mit den Großkraftwerken wie Stade an der Elbe, das 1972 ans Netz geht.

Fachleute kennen zwar die Risiken eines unbeherrschbaren Reaktorunfalls, der durch den Ausfall des Kühlkreislaufs hervorgerufen wird. Doch der sogenannte GAU (größter anzunehmender Unfall) wird als extrem unwahrscheinlich angesehen. Ein Sprecher des Kraftwerks Stade versteigt sich in absurde Zahlenspiele, verniedlicht den Gau zum Rohrbruch: "Wenn der altägyptische Pharao Cheops aus der vierten Dynastie etwa 2.500 vor Christi anstatt seiner Pyramide etwa 150 Kernkraftwerke - so wie Stade - gebaut hätte, dann wäre ein solch ein Rohrbruch bisher etwa einmal nur vorgekommen."

Wyhl: Bürger verhindern Atomkraftwerk

Bauern auf Traktoren
Wiederstand gegen das Atomkraftwerk in Wyhl | Bild: SWR

Das Jahr 1973 steht ganz im Zeichen der weltweiten Energiekrise – ein willkommenes Argument, weiterhin auf Atomkraft zu setzen. 1975 soll auch im badischen Wyhl ein Kernkraftwerk errichtet werden. Ministerpräsident Hans Filbinger hat auch die passende Begründung parat: "Ohne das Kernkraftwerk Wyhl werden zum Ende des Jahrzehnts in Baden-Württemberg die ersten Lichter ausgehen."

Doch Bauern und Winzern leuchtet das nicht ein. Existenzangst treibt sie auf die Straße. Wer wird noch ihre Produkte kaufen, wenn Luft, Boden und Wasser verstrahlt werden könnten? Kurzerhand besetzen Wyhler Bürger und gleichgesinnte Umweltschützer den Bauplatz. Auch rigide Polizeigewalt kann letztlich nichts ausrichten. Die Landesregiering wird zum Einlenken gezwungen. Zum ersten Mal verhindern Bürger den Bau eines Kernkraftwerks.

Whyl wird zur Keimzelle der Grünen. 1980 zieht die Partei "Die Grünen" sogar in den baden-württembergischen Landtag ein. Der Slogan "Atomkraft? Nein Danke" findet auch bei anderen Parteien immer mehr Zustimmung. Mit dem strahlenden Image der Kernenergie ist es erst einmal vorbei.

Autor: Hans Jürgen von der Burchard (SWR)

Stand: 30.10.2015 14:03 Uhr

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