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Gorillaschutz trotz Kettensägen

Ein Gorillababy
Viele Gorillas im Kongo leben nicht in Nationalparks. | Bild: SWR

Die Regenwälder im Norden der Republik Kongo sind die Heimat der Flachlandgorillas. Doch die meisten der seltenen Menschenaffen leben nicht in Nationalparks, sondern in Wäldern, in denen Tropenholz geschlagen wird. Sie müssen sich ihre Heimat mit Holzfällern teilen. Die Zerstörung des Dschungels scheint vorprogrammiert. Doch der Konflikt zwischen Holzfällern und Gorillas - im Kongobecken könnte er gelöst werden.

Proteste haben gewirkt

Antoine Couturier mit Kollegen
Antoine Couturier (vorne rechts) managt den Tropenwald für einen Holzkonzern. | Bild: SWR

In einer Region, die in Europa vor allem wegen ihrer Krisen und Katastrophen für Schlagzeilen sorgt, gehen einige Holzfirmen neue Wege. Zum Beispiel die IFO (Industrie Forestière d'Ouesso), ein Tochterunternehmen des deutsch-schweizerischen Holzkonzerns Danzer. Der Protest von Umweltschützern und kritischen Verbrauchern hat dazu geführt, dass die Holzfirma zeigen will, dass es auch anders geht.

Alles, was die Firma im Regenwald unternimmt, basiert auf einem wissenschaftlich ausgearbeiteten Managementplan. Solche Pläne schreibt das kongolesische Forstgesetz, das unter Experten als vorbildlich gilt, ausdrücklich vor. Für den Managementplan ist bei der IFO Antoine Couturier zuständig, der in Paris Tropenökologie studiert hat: "Wir fällen etwa einen Baum auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern. Das ist extrem wenig. Und wir sind nur für kurze Zeit an einem Ort." Der gesamte Wald wurde in 30 Zonen aufgeteilt. Jedes Jahr darf nur in einer davon eingeschlagen werden. Lange bevor die Holzfäller zum ersten Mal anrücken, lässt Antoine Couturier eine Art Volkszählung im Urwald durchführen.

Inventur im Regenwald

Ein Arbeiter notiert Angaben zu einem Baum
Inventur im Wald: Das Unternehmen will alle Bäume erfassen. | Bild: SWR

Wochenlang marschieren Mitarbeiter der IFO durch den Wald: zwölf Leute, die die Bäume zählen und sich Notizen machen. Durch Dickicht, über Stock und Stein, führen sie in Wäldern, die vor ihnen noch nie jemand betreten hat, eine Inventur aller Bäume durch. Wenn einer von ihnen auf einen Baum trifft, werden Durchmesser, Baumart und Standort notiert. Und jeder Baum bekommt eine Nummer, anhand derer er später wieder zu finden ist. Woche für Woche werden so Tausende von Bäumen in der geplanten Einschlagszone vermessen.

Die Informationen aus dem Wald werden im Planungsbüro der IFO fein säuberlich in den Computer übertragen. Nur ein Teil der inventarisierten Bäume wird später gefällt. Denn für jede Baumart gibt es Mindest- und Maximaldurchmesser: Wer kleiner ist, bleibt ebenso stehen wie Urwaldriesen. Um artenreiche Biotope wie Feuchtgebiete und Bäche werden Pufferzonen eingerichtet, damit kein Baum hineinfällt und sich kein Wasser staut. Mindestens 30 Meter Abstand zum Wasser sind vorgeschrieben. Nach dem Holzfällen wird kontrolliert, ob sich die Fäller tatsächlich daran gehalten haben. Große Teile des Waldes, z. B. an Flussufern und in Sümpfen sowie besonders artenreiche Gebiete, hat man vollständig aus der Nutzung genommen. Rund ein Viertel des Waldes bleibt dadurch für Holzfäller tabu.

Alles Maßnahmen, um vor allem die Flachlandgorillas zu schützen. Schätzungsweise 36.000 leben im Wald der IFO. Das ist etwa ein Drittel aller Gorillas in Zentralafrika – mehr als irgendwo sonst, mehr als in jedem Nationalpark. Die ausgefeilte Planung soll ermöglichen, dass beide existieren können: die bedrohten Tiere und die Holzfirma mit ihren 1.000 Mitarbeitern.

Ökonomie und Ökologie Hand in Hand

Ein Arbeiter fällt einen Baum mit einer Kettensäge
Die Arbeiter lernen das richtige Holzfällen. | Bild: SWR

Die Holzfäller werden ausgebildet, um die Bäume möglichst kontrolliert zu fällen. Das heißt: Die Bäume sollen dahin stürzen, wo sie die umstehenden Bäume möglichst wenig schädigen. Das macht ökologisch und ökonomisch Sinn. Denn die Holzfirma will den Wald langfristig nutzen. Die Holzfäller holzen nicht einfach drauf los, denn sie wissen: Ihr Arbeitsplatz ist nur so lange sicher, wie der Wald insgesamt erhalten bleibt. Die detaillierte Planung sorgt dafür, dass die Arbeiten im Wald so effektiv wie möglich organisiert werden können. Zeitverluste werden vermieden, der unnötige Einsatz teurer Maschinen minimiert, jeder gefällte Baum wird auch tatsächlich verwertet.

Dass sich die Schäden durch die Forstwirtschaft in Grenzen halten, zeigt ein Blick aus der Luft über einem Waldabschnitt, wo vor vier Jahren die Holzfäller waren: Der Wald ist Wald geblieben - zwar kein unberührter Urwald mehr, aber in jedem Fall noch ein sehr artenreicher Regenwald. Nur sieben Prozent der Waldfläche werden durch das Fällen und den Abtransport der Bäume geschädigt. "Wir kontrollieren das anhand von Messungen nach dem Einschlag und aufgrund von GPS-Daten", erklärt Antoine Couturier. Der Mindestdurchmesser der gefällten Bäume und der Rotationszyklus von 30 Jahren sollen dafür sorgen, dass nicht mehr Holz eingeschlagen wird, als wieder nachwächst. Nachhaltige Forstwirtschaft kann also auch in den Tropen funktionieren.

Gorillas so zahlreich wie vor dem Fällen

Gorilla sitzt in den Bäumen
Die Gorillas kehren kurze Zeit nach dem Einschlag in das Gebiet zurück. | Bild: SWR

Nicht nur der Blick von oben, sondern auch beim Gang durch die Einschlagszone zeigt sich, wie schnell sich die Vegetation erholt. Gerade hier fühlen sich die Gorillas wohl. Denn sie fressen gern die Marantazeen-Büsche, die genau dort üppig sprießen, wo Bäume gefällt wurden. Antoine Couturier hat Mühe, überhaupt einen Baumstumpf zu finden. Von Kahlschlag ist weit und breit keine Spur. "Nach unseren Beobachtungen kehren Gorillas, aber auch Büffel und Elefanten, unmittelbar nach dem Fällen der Bäume zurück. Das ist eine Frage von Tagen oder Wochen. Die Gorillas sind genauso zahlreich vor wie nach dem Fällen." Fakten, die auch Artenschützer im Kongo sowie vor kurzem veröffentlichte Studien von unabhängigen Wissenschaftlern bestätigen.

Probleme entstehen allerdings durch die Straßen, die für den Transport des Holzes im Wald angelegt werden. Denn die werden auch von Wilderern benutzt. Obwohl die Jagd auf Gorillas streng verboten ist, und auch andere - weniger streng geschützte Arten - nur in bestimmten Zonen und zu bestimmten Zeiten gejagt werden dürfen, boomt der so genannte Buschfleischhandel. Auf vielen Märkten wird das Fleisch wilder Tiere angeboten und landet im Kochtopf.

Problem Buschfleisch

In Zusammenarbeit mit den Behörden und der Naturschutzorganisation "Wildlife Conservation Society" hat die IFO daher ein Programm zur Bekämpfung der Wilderei gestartet. 15 schwer bewaffnete Wildhüter plus eine Handvoll Kommandeure kontrollieren jedes Fahrzeug auf den Waldstraßen und verfolgen Wilderer. "Die Jagd auf Gorillas hat in letzter Zeit stark abgenommen. Die Leute merken, dass wir es ernst meinen", berichtet Wildhüter Mbangi Théophile. "Aber die illegale Jagd auf andere Tiere ist nach wie vor ein Problem."

Die IFO lässt sich regelmäßig von unabhängigen Fachleuten kontrollieren. Die arbeiten im Auftrag des Weltforstrates FSC (Forest Stewardship Council), der von allen großen Umweltschutzorganisationen unterstützt wird und ein Gütesiegel vergibt, wenn sich Holzfirmen an strenge Auflagen halten. Mit dem FSC-Siegel versucht die Holzfirma, auch kritische Verbraucher davon zu überzeugen, dass ihr Tropenholz den Wald nicht zerstört.

Tropenholz mit FSC-Siegel

Neben der IFO wurden bislang sieben weitere Holzfirmen im Kongobecken mit dem FSC-Zertifikat ausgezeichnet. Sie bewirtschaften eine Fläche von immerhin 4,5 Millionen Hektar – Tendenz steigend. Doch noch ist das nur ein kleiner Teil der zur Holznutzung freigegebenen Waldfläche. Damit mehr Holzfirmen ihrem Beispiel folgen, braucht es vor allem Käufer von Tropenholz aus Wäldern, in denen die Gorillas eine Zukunft haben.

Autor: Thomas Weidenbach (SWR)

Stand: 06.08.2015 15:18 Uhr

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