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Karnevalszentrum im Gehirn?

Menschen im Karnevalskostüm
Karnevalisten - haben sie ein ganz spezielles Gehirn? | Bild: SWR

Es ist Faschingszeit und sechs Vollblut-Fastnachter sind – gekleidet in ihre Uniform oder ihr Kostüm – auf dem Weg in die Radiologie der Uniklinik Essen. Denn dort soll in einem bahnbrechenden und absolut ernstzunehmenden Experiment untersucht werden, was ihr Gehirn so besonders macht. Und ob es sich von dem „normaler“ Menschen unterscheidet...

Die sechs Narren sind im heimatlichen Karnevalsverein von Waldalgesheim organisiert: Erster und zweiter Vorsitzender, Büttenredner und Techniker sind dabei. Zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch haben sie nur eins im Kopf: Die Fastnacht. Ob sich das auch im Gehirn nachweisen lässt, soll die Neuroradiologin Elke Gizewski aus Essen herausfinden.

Messung der Stoffwechselaktivität

Eine Wissenschaftlerin sitzt vor mehreren Bildschirmen
Die Neurologin Elke Gizewski bei der Auswertung des bahnbrechenden Experiments | Bild: SWR

Die Medizinerin, Radiologin und Hirnforscherin ist den Geheimnissen des menschlichen Denkens und Fühlens auf der Spur. Dafür nutzt sie einen Kernspintomografen. Eigentlich ein gewaltiger Magnet, der dafür sorgt, dass die räumliche Verteilung der Wasserstoffatome im menschlichen Körper gemessen werden kann. Doch so kann sie auch die Stoffwechselaktivität der verschiedenen Hirnareale sichtbar machen – und
damit den Menschen in die Köpfe schauen.

Als Kontrollgruppe haben sich Mediziner und Medizinstudenten aus Essen zur Verfügung gestellt. Mit der Fastnacht können diese Menschen genau so viel anfangen wie die rheinischen Karnevalisten mit alkoholfreiem Schnaps. Mal schauen, bei wem beim Thema Karneval das Gehirn anspringt...

Und es macht Klick im Gehirn – Karneval auf Knopfdruck

Eine Ärztin bereitet einen Mann im Karnevalskostüm auf die Kernspinn-Untersuchung vor
Ein Karnevalist im Kernspin – der Blick hinter die närrische Stirn | Bild: SWR

Hermann Jung ist der erste Fastnachter, der hinter seine närrische Stirn blicken lässt. Um preiszugeben, was dort zur Fastnacht vorgeht, muss er Szenen von Fastnachtsitzungen und Karnevalsumzügen betrachten – jeweils exakt 30 Sekunden lang. Abwechselnd dazu betrachtet er Handwerkerszenen, damit sein Hirn in einen relativ neutralen Zustand versetzt wird. Während Hermann Jung also die Beinchen einer Tanzgruppe verfolgt, durchleuchtet Elke Gizewski sein Gehirn. Und stellt fest, in welchem Bereich es gerade aktiv ist und was genau darin vorgeht.

Nach mehreren Stunden sind die Messungen durchgeführt. Die Wissenschaftlerin ist sehr zufrieden – zeigt sich doch eine gute Aktivierung aller Probanden. Der Versuchsaufbau hat also funktioniert. Jetzt muss sie nur noch die Messungen vergleichen und auswerten, um die Unterschiede zu finden. Das dauert fünf Tage. Die Neuroradiologin ist begeistert: "Erstaunlich war, dass es tatsächlich einen Unterschied gab. Dass wir tatsächlich im funktionellen Kernspin abbilden konnten, dass die einen Spaß hatten, und dass die anderen eher Ablehnung – negative Gefühle – gezeigt haben." Eine absolute Überraschung...!

Zwei Hirntypen – eine ernstzunehmende Erklärung

Aufnahmen aus dem Kernspin
In unterschiedlichen Bereichen aktiv: das Karnevalistenhirn (links) und das Anti-Karnevalistenhirn | Bild: SWR

So waren im Hirn der Fastnachter zwei stammesgeschichtlich sehr alte Regionen besonders aktiv. In ihnen werden vor allem Freude und andere Gefühle verarbeitet. Die Nichtfastnachtshirne waren ebenfalls in primitiven Arealen aktiv. Allerdings wird dort vor allem Abneigung kreiert – wen wundert’s? Der Hirnforschung ist es also mit diesem bahnbrechenden Experiment gelungen, zwei gänzlich unterschiedliche Gehirntypen zu entschlüsseln. Elke Gizewski sieht bei den Ursachen vor allem die soziale Prägung der Fastnachter durch ihr karnevalistisches Umfeld. Daneben hält sie eine genetische Veranlagung für möglich. Allerdings könne man mit der Untersuchung alleine nicht abschließend beurteilen, welche Faktoren wichtiger sind.

Immerhin würde ein genetischer Unterschied erklären, warum die einen Fastnacht lieben und die anderen sie hassen. Dann könnte es sein, dass zwei unterschiedliche Hirntypen dazu geführt haben, dass sich die Menschheit im Laufe der Evolution in zwei Gruppen gespalten hat.
Und das ist natürlich alles kein Spaß und furchtbar ernst zu nehmen!

Autor: Hilmar Liebsch (SWR)

Stand: 16.09.2015 14:20 Uhr

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