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Stoßdämpfer für Häuser

Eine grafische Darstellung der Verwerfungslinie durch Wellington
Verwerfungslinie (rot) durch Wellington | Bild: Google, Julian Thomson, GNS Science

Die drei Inseln Neuseelands liegen quasi auf einem Pulverfass: Genau unter ihnen reiben die australische und die pazifische Kontinentalplatte aneinander. Wenn sich die beiden Platten gegeneinander bewegen, kommt es entlang der sogenannten Verwerfungslinie zu Erdbeben. Diese geologische Besonderheit macht Neuseeland zu einem der tektonisch aktivsten Länder der Welt. 15.000 Erdbeben werden hier jedes Jahr registriert, zuletzt traf es im Februar 2011 die Stadt Christchurch auf der Südinsel. Weitaus gefährdeter ist aber die Hauptstadt Wellington, die auf der Nordinsel liegt. Hier geht die Verwerfungslinie mitten durch die Stadt. 1855 gab es hier das bisher schwerste Erdbeben in der Geschichte des Landes. Es erreichte die Stärke 8,2 auf der Richterskala und war damit schwerer als das Beben 2010 in Haiti, das mehr als 200.000 Menschen das Leben kostete. Und die Geologen sagen, Wellington ist überfällig für ein weiteres, großes Beben.

Sicherheit aus Blei und Gummi

Blei-Gummi-Lager
Blei-Gummi-Lager im Fundament des Nationalmuseums | Bild: Ulli Weissbach, PACIFICA Productions

Wellington ist gut darauf vorbereitet, wahrscheinlich besser als der Rest der Welt. Die wichtigsten Gebäude der Stadt sind in den letzten Jahrzehnten erdbebensicher gebaut oder entsprechend nachgerüstet worden. Bestes Beispiel ist das Nationalmuseum Te Papa. Bei seinem Bau wurden alle derzeit möglichen Techniken für den Erdbebenschutz eingesetzt. Das 64.000 Tonnen schwere Gebäude ruht auf 150 Schockabsorbern, die aus Blei und Gummi hergestellt werden. Jeder ist etwa einen Meter im Quadrat groß und trägt eine Last von mehreren hundert Tonnen. Diese sogenannten "Lead Rubber Bearings" wurden vor 30 Jahren von einer Wellingtoner Firma entwickelt. Mehrere Schichten Gummi sind durch Metallplatten getrennt und werden in der Mitte durch einen Bleikern stabilisiert. Die Gummi-Masse erlaubt es dem Gebäude, seitwärts zu schwingen. Der Bleikern ist dazu da, die Bewegung des Gummis zu stabilisieren. Es ist dasselbe Prinzip wie beim Auto, wo man statt Gummi Stahlfedern hat und Stoßdämpfer statt Blei.

Erbebensicherung made in New Zealand hat sich bewährt

Parlamentsgebäude in Wellington
Vor 100 Jahren aus Marmor gebaut: das Parlamentsgebäude in Wellington | Bild: Ulli Weissbach, PACIFICA Productions

Bei den Erdbeben im japanischen Kobe und in San Francisco bewahrten die in Neuseeland entwickelten Schockabsorber Krankenhäuser und andere wichtige Gebäude vor dem Einsturz. Werden die Schockabsorber schon in der Planungsphase berücksichtigt, kostet das nur drei bis fünf Prozent der Baukosten.
Schwieriger ist ihr nachträglicher Einbau, wie er zum Beispiel bei dem aus Marmor gebauten Parlamentsgebäude in Wellington durchgeführt wurde.

Aufwändige Nachrüstung

Grafische Darstellung des nachträglichen Einbaus von im Parlamentsgebäude
Schockabsorber können nachträglich eingebaut werden | Bild: Ulli Weissbach, PACIFICA Productions

Um das historische Parlamentsgebäude in Wellington nachträglich erdbebensicher zu machen, musste zunächst das Fundament freigelegt werden. Dann wurden für die Schockabsorber Kammern herausgeschnitten. Über 400 wurden rund um das Gebäude auf einer Ebene installiert. Sobald die Schockabsorber in ihren Kammern saßen, wurden unter ihnen pneumatische Kissen, sogenannte Flatjacks mit Spezial-Mörtel aufgefüllt - bis die Schockabsorber das ganze Gewicht des Gebäudes aufnehmen konnten. Diamantkreissägen sägten Fugen in die übrig gebliebenen Fundamente. So trugen nur noch die Schockabsorber das Gewicht des Gebäudes. Dank des kleinen chirurgischen Eingriffs soll das denkmalgeschützte Parlamentsgebäude nun einem Erdbeben der Stärke 7,5 auf der Richterskala widerstehen.

Schockabsorber fürs Eigenheim

ROGlider
Preiswerte Alternative für Einfamilienhäuser - der ROGlider | Bild: Ulli Weissbach, PACIFICA Productions

Die nächste Generation von Schockabsorbern sind die sogenannten "ROGlider". Bei ihnen sitzt das Gummi zwischen zwei runden Stahlscheiben, die sich in jeder Richtung bewegen können. Der Vorteil des ROGliders: Er funktioniert auch bei kleineren Gebäuden und ist wesentlich billiger. Das heißt, auch Einfamilienhäuser können nun zu einem erschwinglichen Preis erdbebensicher werden.

Autor: Ulli Weissbach (SWR)

Stand: 12.08.2015 14:04 Uhr

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