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Fettsucht - wenn Kilos krank machen

Joachim W. im Jahr 2008
Mit einem Gewicht von 298 Kilogramm bewegte sich Joachim W. kaum noch. | Bild: HR

Im Januar 2008 wog Joachim W. mit 39 Jahren 298 Kilogramm. Als Kind war er schlank und sportlich, spielte Handball im Verein. Jetzt schaffte er es gerade noch vom Bett auf seinen Sessel und er wusste: Wenn kein Wunder geschieht, sind seine Tage gezählt. Die Ursachen seiner schweren Fettsucht liegen nur wenige Meter von der Wohnstube entfernt. Der Hausflur führt direkt ins elterliche Geschäft: Einem Tante-Emma-Laden mit Bataillonen von Süßigkeiten. Joachim W. musste nach dem plötzlichen Tod seines Vaters früh im Geschäft mit anpacken. Umzingelt von Lakritzen und Lollies hat er keine seiner immer wieder begonnenen Diäten durchgehalten.

Das Resultat der jahrzehntelangen Nascherei: Morbide Adipositas - tödliche Fettsucht. Die konnte er am Ende nicht mehr aus eigener Kraft besiegen, wie Dr. Oliver Mann von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf bestätigt: "Da er in seiner Mobilität so eingeschränkt und im Prinzip seit zwei Jahren bettlägrig ist, kann er auch keine Kalorien mehr verbrennen. Also er kann jetzt machen, was er will - er wird es nicht schaffen, von seinem Gewicht runter zu kommen!"

Letzter Ausweg: Magenverkleinerung

In einem OP ist ein Bauch zu sehen
Die Magenverkleinerung erfolgte mikroinvasiv. | Bild: HR

In der Chirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, bot sich ein Ausweg aus der lebensbedrohlichen Situation, die radikalste Lösung: Eine mikroinvasive Amputation eines Großteils seines weit überdehnten Magens. Über vier Stunden operierten Dr. Mann und sein Team Joachim W. und am Ende fasste der Magen des Patienten nur noch 150 Milliliter. Die Mediziner bildeten einen so genannten "Schlauchmagen", ein komplizierter und bei einem Schwergewicht wie Joachim W. nicht ungefährlicher Eingriff. Doch die Prognosen für die Patienten sind in aller Regel gut, weiß Dr. Mann zu berichten: "Man weiß nicht genau, woran es liegt, aber es ist nicht so, dass die Patienten nach dem Eingriff immer noch die ganze Zeit Schokolade essen wollen oder was sie vorher gegessen haben. Die Patienten sagen, das Hungergefühl spielt keine Rolle mehr."

Ein langer und mühsamer Weg

Joachim W.  zwei Jahre später
150 Kilogramm hat Joachim W. abgenommen. | Bild: HR

Doch die Operation war nur der erste Schritt des langen und mühsamen Gesundungsprozesses. Fast ein Jahr hat Joachim W. anschließend in einer Reha-Klinik im niedersächsischen Bad Bodenteich verbracht. Sein Kreislauf war komplett aus dem Ruder, die Muskulatur erschlafft. Doch die Kilos purzelten: Die Gier nach Süßem war, wie vom Chirurgen prophezeit, tatsächlich über Nacht verschwunden. Schritt für Schritt musste Joachim W. wieder gehen lernen. In weiteren Operationen hat er sich von seiner hängenden Haut, den Fettschürzen, befreien lassen müssen.

Doch der Kampf hat sich gelohnt: Zwei Jahre später hat der einstige Sechs-Zentner-Mann mehr als 150 Kilogramm abgespeckt. Nun arbeitet er wieder im kleinen Tante-Emma-Laden. Die vielen Süßigkeiten, die großen "Verführer" von einst, können ihm nichts mehr anhaben. Er fühlt sich fit, fährt wieder Auto und traut sich unter Leute. Und Joachim W. hat sich für sein neues Leben noch viel vorgenommen…

Autor: Tilman Jens (HR)

Stand: 03.11.2015 14:30 Uhr

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