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Ökologisch sinnvoll? Der Biogas-Boom

Neue Anlagen mit Fördermitteln

Eine Biogasanlage in Bayern
Biogas boomt. Zuletzt entstanden jedes Jahr 1.000 neue Anlagen. | Bild: BR

In Deutschland sieht man immer häufiger die markanten Kuppeln von Biogasanlagen. Anfang 2012 gab es schon mehr als 7.000 solcher Anlagen. In den Gär-Behältern, den so genannten "Fermentern", werden organische Stoffe wie Mais, Gülle oder Biomüll zu Biogas vergoren. Dieses besteht vor allem aus Methan. Das Gas wird dann in einem Blockheizkraftwerk in Motoren verbrannt. Hierbei entsteht Energie - Strom und Wärme. Der Anlagenbetreiber speist den Strom ins Netz ein und erhält dafür Fördergelder. Gut drei Prozent des Stroms, den wir in Deutschland verbrauchen, wurden 2011 in Biogasanlagen produziert. Das reicht immerhin für fünf Millionen Haushalte. Und auch die Abwärme kann genutzt werden, zum Beispiel um Gebäude in der näheren Umgebung zu heizen. In den Anlagen landet als Rohstoff vor allem Mais, der sehr energiereich ist. Das führt zu Problemen, denn immer mehr Anlagen bedeuten immer mehr Maisanbau.

Vermaisung der Landschaft

Ein Maisfeld mit kargem Boden
Maisfelder bieten keinen guten Lebensraum für Tiere und Pflanzen. | Bild: BR

Biogasanlagen stehen deswegen zunehmend in der Kritik: Die Monokultur Mais breite sich wie eine "Wüste" immer weiter aus, sagt zum Beispiel Helmut Altreuther vom Bund Naturschutz in Ansbach. Bei ihm in Mittelfranken wird bis zu ein Drittel der Ackerflächen für den Anbau von Energie-Mais genutzt. "Als Lebensraum scheidet das Maisfeld nahezu völlig aus, als Nahrungsquelle ist nichts da, es gibt kein Blütenangebot. Ein Maisfeld ist ein ökologisch nahezu toter Lebensraum", kritisiert Altreuther. Dazu kommt, dass Regen den nackten Boden zwischen den Pflanzen auswäscht. So gelangen Düngemittel wie Phosphat in Bäche, Flüsse und Seen - und stören das ökologische Gleichgewicht. Für Landwirte ist der Energiemais eine lukrative Einnahmequelle. Denn sie können ihn an Besitzer von Biogasanlagen verkaufen oder selbst eine Anlage betreiben. Als Folge steigen die Pachtpreise, denn die Maisbauern können mehr Geld bezahlen, als zum Beispiel Landwirte, die Mais als Futter für ihr Vieh anbauen.

Alternativen zum Mais

Eine Mini-Biogasanlage im Labor wird mit Pflanzenproben befüllt.
Im Labor wird der Biogasertrag der Versuchspflanzen gemessen. | Bild: BR

Damit die Produktion von Biogas in Zukunft weniger belastend für die Umwelt ist, muss sich einiges ändern. Zum Beispiel die Auswahl der Rohstoffe. Forscher an den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf suchen nach alternativen Energiepflanzen. Sie testen Saatgut aus der Welt. Ihr Favorit: das Energiegras Szarvasi aus Ungarn. Vorteil: Es ist eine Dauerkultur, die nicht jedes Jahr neu gesät werden muss, und zwei Mal im Jahr geerntet werden kann. Es wächst sehr dicht, bedeckt den Boden und bietet so Tieren einen guten Lebensraum. Und das Energiegras muss kaum gedüngt werden. "Das macht Szarvasi auch interessant für Wasserschutzgebiete. Es durchwurzelt den Boden ziemlich tief und nimmt auch Nährstoffe wieder auf, die ein Stück nach unten gewandert sind", sagt Pflanzenforscher Herbert Geißendörfer. Zudem liegt der Biogas-Ertrag von Szarvasi 20 Prozent über der Leistung des Maises - doch bislang wird es nur auf Versuchsfeldern angebaut.

Viel ungenutztes Potenzial

Kühe stehen im Stall
Mist und Gülle kommen zu selten in Biogasanlagen. | Bild: BR

Auch wenn diese neuen Energiepflanzen besser sind für die Umwelt: Noch sinnvoller wäre es, die Biogasanlagen gleich mit etwas zu "füttern", das man gar nicht erst anbauen muss, zum Beispiel mit Mist, Gülle oder Biomüll. Jeder Deutsche wirft im Jahr 140 Kilogramm Biomüll weg, viel ungenutztes Potenzial. Ähnlich ist es bei Mist und Gülle. Nur drei Prozent des Mists werden bisher in Biogasanlagen zu Energie umgewandelt. Bei der Gülle sind es 12 Prozent. Zwei Millionen Haushalte könnte man nach Berechnungen des Ökoinstituts mit Strom aus Mist und Gülle versorgen.

Auch von Seiten des Staates wird der zunehmenden "Vermaisung" der Landschaft entgegengesteuert. Seit Januar gilt ein neues Gesetz: Wer zu viel Mais in seine Anlage wirft, bekommt weniger Fördergeld. Außerdem muss jeder Biogas-Betreiber ein Konzept zur Wärmenutzung vorlegen. Denn noch bleiben gut 60 Prozent der Abwärme aus Biogasanlagen ungenutzt. Allerdings treffen diese schärferen Vorschriften nur neue Anlagen, nicht die bestehenden 7.000. Diese Maßnahmen sollen verhindern, dass Deutschland zur Maiswüste verkommt.

Autorinnen: Monika Eder, Anja Mößner (BR)

Stand: 13.11.2015 14:22 Uhr

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