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Muskeln im Alter: Use it or lose it!

Wer an Seniorensport denkt, hat in der Regel Bilder von Wassergymnastik und Nordic-Walking-Gruppen im Kopf. Seniorenfitness ist meist gemütlich und moderat. Doch wissenschaftliche Studien empfehlen das genaue Gegenteil: Senioren sollen gerade im Alter an ihre Grenzen gehen und Krafttraining machen.

Das Experiment: Senioren bei Tough Mudder

Senioren bei Tough Mudder
Christiane kämpft sich auf den Schlammhügel. | Bild: WDR

Schlamm, Teamwork und jede Menge Spaß. Die Senioren vom TSV Milbertshofen wollen es wissen: Können sie noch mithalten beim sogenannten Tough Mudder, einem Extremhindernislauf über fünf Kilometer durch den Schlamm? Das Durchschnittsalter beträgt normalerweise 30 Jahre. In der Seniorengruppe ist keiner unter 65, der älteste 84. Die Hindernisse, die auf dem Parcours bewältigen werden müssen, sind hoch. Wer sie meistern will, braucht nicht nur Technik, sondern vor allem Kraft! Damit die Senioren gut vorbereitet an den Start gehen, haben sie eine Trainerin an ihrer Seite. Hindernislauf ist ihr Hobby und in einer intensiven Trainingsstunde übt sie mit den Senioren an ähnlichen Hindernissen wie später im Wettkampf – nur noch ohne Schlamm.

Am Wettkampftag sind alle aufgeregt – und hochmotiviert. Gemeinsam mit der Trainerin laufen, kriechen, klettern und rutschen die Senioren durch den Schlamm. Sie brauchen für den Parcours zwar deutlich länger als die jüngeren Teilnehmer. Aber am Ende bewältigen sie tatsächlich alle Hindernisse. Die meisten sind dabei an ihre Grenzen gegangen – und darüber hinaus. Und das ist gut so!

Was passiert im Alter mit unseren Muskeln?

Der Muskelquerschnitt – rote und weiß Muskelfasern
Besonders weiße Muskelfasern bilden sich im Alter zurück. | Bild: WDR

Unsere Muskeln bestehen aus weißen und roten Muskelfasern. Die Verteilung im Körper ist je nach Muskel und Beanspruchung unterschiedlich. Während die roten Muskelfasern eher langsam arbeiten und z.B. für ausdauernde Bewegungen beansprucht werden, brauchen wir die weißen Muskelfasern vor allem dann, wenn wir Schnelligkeit und viel Kraft aufwenden müssen.

Bereits ab dem 30. Lebensjahr lässt unsere Muskelmasse und damit auch die Muskelkraft nach, ab dem 60. Lebensjahr verstärkt sich der Abbau. Diesen ganz natürlichen Prozess nennt man Sarkopenie. Besonders die weißen Muskelfasern sind davon betroffen. Immer weniger Kraft aber bedeutet immer weniger Selbstständigkeit. Von einem Stuhl aufzustehen oder einen Kasten Wasser zu heben, wird zum Kraftakt. Außerdem erhöht sich die Sturzgefahr. Wer zu wenige weiße Muskelfasern hat, kann sich nicht abfangen und fällt hin. Krafttraining kann dem Muskelschwund entgegenwirken. Die Sarkopenie ist die Hauptursache für die so genannte Frailty, ein Syndrom, dass sich am ehesten mit Gebrechlichkeit übersetzen lässt.

Das richtige Training im Alter

Die richtige Kombination aus Ausdauer-, Balance- und Krafttraining kann der Sarkopenie entgegenwirken. Durch spezifisches Krafttraining ist sogar ein Kraftzuwachs möglich. Einige Untersuchungen stellten fest, dass sich damit die Kraft bei Senioren sogar verdoppeln lässt. Grundsätzlich gilt dabei: Auch im Alter müssen Sportlerinnen und Sportler vor hohen Intensitäten nicht zurückschrecken – im Gegenteil: Vor allem Ältere dürfen und sollen an ihre Grenzen gehen. Auslastungen von 80 Prozent bis 100 Prozent sind durchaus sinnvoll. Hohe Intensitäten und wenig Wiederholungen – so können die weißen Muskelfasern erhalten bzw. gestärkt werden.

Die 78-jährige Gaby beim Training
Hohe Belastungen im Alter sind sinnvoll. | Bild: WDR

Der Sportwissenschaftler Andreas Klose von der Uni Münster hat sich auf Krafttraining für Senioren spezialisiert. In enger Absprache mit den behandelnden Ärzten geht er im Fitnessstudio gezielt auf die Beschwerden und Zielsetzungen seiner Kunden ein. Das Training wird auf den gesundheitlichen Zustand abgestimmt. Gaby ist 78 und trainiert schon seit 20 Jahren im Fitnessstudio. Das regelmäßige Krafttraining an verschiedensten Geräten macht sich in ihrem Alltag bemerkbar – sie ist oft viel fitter als ihre Altersgenossen.

Die Praxis sieht anders aus

Zahlreiche Studien der Sport- und Gesundheitswissenschaften belegen seit Jahren, dass moderates Ausdauertraining allein für Senioren nicht ausreicht und sie mehr Krafttraining machen sollten. Viele verschiedene Trainingsansätze sind innerhalb von Studien getestet worden – von HIIT (High Intervall Intensive Training) bis hin zu EMS (Elektromyostimulation). Doch in der Praxis kommt der Trainingsgedanke der hohen Belastung bei Senioren oft zu kurz.

Einige Senioreneinrichtungen bieten spezielles Krafttraining für eingeschränkte und sturzgefährdete Senioren an – mit Erfolg. Aber auch noch nicht eingeschränkte Senioren können und sollten mit Krafttraining beginnen, um Muskelabbau entgegen zu wirken und möglichst lange selbstständig zu bleiben. Und für genau diese Zielgruppe besteht Nachholbedarf. In herkömmlichen Fitnessstudios fehlt es an speziell geschultem Personal für den Seniorenbereich.  

Autorin: Lena Paul (WDR)

Stand: 22.11.2019 13:03 Uhr

Sendetermin

Sa., 23.11.19 | 16:00 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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