Interview mit Dr. Rietschel

"Die Tierrettungstation Harnas ist vorbildlich und immens wichtig."

Dr. Wolfram Rietschel und ein Afrikanischer Wildhund
Auch die Wildtiere müssen manchmal medizinisch versorgt werden.  | Bild: SWR

Dr. Wolfram Rietschel ist einer der erfahrensten Zoo- und Wildtierärzte Europas. 27 Jahre arbeitete er als Zootierarzt in der Stuttgarter Wilhelma. 2011 ging er in den Ruhestand. Bereits in der ersten Staffel hielt er sich für einige Wochen auf "Harnas" auf. Auch in dieser Staffel war der Tiermediziner wieder vor Ort und lies sich bei seiner Arbeit von der Kamera beobachten.

Warum machen Tierrettungsstationen in Namibia Sinn?
Rinderzucht beispielsweise spielt in Namibia eine große Rolle. Die Herden leben auf riesigen Farmen im ganzen Land. Oft sehen Farmer die Wildtiere als Konkurrenz, weil sie Kälber reißen. Deshalb finden sich immer wieder angeschossene oder in Fallen geratene Wildtiere sowie Tierbabys, deren Eltern getötet wurden. Raubkatzen, vor allem Löwen, Leoparden und Geparden, aber auch Hyänen, Schakale und Wildhunde sind von den Nachstellungen betroffen.

Afrikanische Wildhunde
Afrikanische Wildhunde. | Bild: SWR

Gerade Afrikanische Wildhunde zählen zu den besonders bedrohten Tierarten. Man schätzt, dass es nur noch 150 Wildhunde in Namibia gibt. Ein guter Teil davon lebt auf dem Auswilderungsgelände von "Harnas". Gerade dieses Projekt der Tierrettungsstation ist vorbildlich und immens wichtig für den Wildhund-Bestand im südlichen Afrika.

Wie konnten Sie den Wildtieren auf der Tierrettungsstation helfen?
Die Tiere auf "Harnas" benötigen oft ganz alltägliche Behandlungen. Ich habe Impfungen und Entwurmungen durchgeführt, Blutproben für genetische Untersuchungen genommen, Mikrochips zur Kennzeichnung der Tiere implantiert, Sender mit einem Halsband an den Tieren befestigt, um sie leichter auffinden zu können, und natürlich jede Menge Untersuchungen und kleinere Operationen durchgeführt. Für all das ist es nötig, die Tiere vorher zu betäuben. Bisher wurden die Tiere auf "Harnas" mit einem Betäubungsgewehr immobilisiert, was mit wesentlich größerem Stress und Schmerzen und einem erheblichen Verletzungsrisiko verbunden ist. Mit dem Blasrohr ist das für die Tiere oft nur wie ein Mückenstich. Die Kanülen sind hier kleiner, die Aufprallwucht ist geringer und man braucht geringere Mengen an Medikamenten. Meine Narkosetechnik stieß bei den Kollegen in Namibia auf großes Interesse. Die Narkoseausrüstung habe ich gleich dort gelassen. Sie wird sicher gute Dienste tun.

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Fütterung der Geparde | Bild: SWR / Harald Pokieser

Ist Ihnen ein Tier besonders in Erinnerung?
Ja, Pride – so heißt eine Gepardin, die auf einem acht Quadratkilometer großen Farmgebiet lebt, in dem Tiere unter Bedingungen wie in der Wildnis jagen und sich auf die Freiheit vorbereiten können. Ein wichtiges Ziel von "Harnas" ist die überwachte Auswilderung von Tieren. Pride ist mit einem Sender ausgestattet, damit regelmäßig nachgeschaut werden kann, ob es ihr gut geht, ob sie beispielweise erfolgreich jagt und sich selbst versorgen kann.

Die rund zwanzig Jahre alte Elefantenkuh Sally haben wir auch mit so einem Sender ausgestattet, damit wir regelmäßig nach ihr schauen können. Wir haben sie von einem Hubschrauber aus betäubt. Und obwohl wir schon vorher wussten, dass ihr kleiner Sohn sie beschützen würde, sind wir dann ganz schön gerannt. Manche sind auf Bäume geklettert, um sich vor dem kleinen in Schutz zu bringen. Der hat ganz schön für Aufregung gesorgt.