Die Drehbuchautoren Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser im Interview

Silva (Jürgen Tarrach) lernt den Straßenjungen Figo (Martim Oliveira) kennen.
Doch dann ist es ausgerechnet Crístovao, der mit einem toten Jungen in seinen Armen gefunden wird. Der kleine Pelé wurde erstickt und – Opfer sexuellen Missbrauchs. Crístovao schweigt zu allen Vorwürfen, auch gegenüber seinem Anwalt Eduardo Silva und dessen Assistentin Marcia Amaya öffnet er sich nicht. Was verbirgt er? Silva lernt den Straßenjungen Figo kennen. | Bild: ARD Degeto / Armanda Claro

"Die verlorene Tochter" ist nach "Alte Rechnungen" und "Feuerteufel" das dritte Drehbuch, das Sie für die Reihe "Der Lissabon-Krimi" geschrieben haben. Was fasziniert Sie an diesem Format?

Anfangs war es Neugier auf die Stadt, die wir beide vorher nur von touristischen Besuchen her kannten. Bei den Recherchen haben wir Lissabon von ganz anderen Seiten kennengelernt: vital, divers, melancholisch, dunkel, beladen mit einer langen, reibungsvollen Geschichte, aber auch sehr modern. Das macht die Stadt für uns zu einer Inspirationsquelle und zu einem idealen Hintergrund für die Geschichten, die wir spannend finden.

In "Wolfsland" spielt Görlitz eine entscheidende Rolle, im "Lissabon-Krimi" die namensgebende portugiesische Hauptstadt. Welche Bedeutung hat der Schauplatz in Ihren Büchern, welche Rolle spielt die Seele einer Stadt?

Die Seele der Stadt und auch der Landschaft, die sie umgibt, spielt eine immense Rolle. An Görlitz haben uns von Anfang an die Grenzlage und die Sagenwelt interessiert, die sich aus deutschen, polnischen, tschechischen und sorbischen Einflüssen speist. Bei Lissabon fasziniert uns die lange Geschichte als Schmelztiegel europäischer, afrikanischer und südamerikanischer Kulturen, die Melancholie der ehemaligen Großmacht, der Fado als Ausdruck dieses Lebensgefühls.

Eduardo Silva und Marcia Amaya sind keine typischen Ermittler, und doch lösen der brillante Strafverteidiger und seine junge Referendarin jeden Fall. Was ist das Besondere an diesem Duo?

Als Ermittler sind die beiden so begabt und beschränkt wie viele andere. Das Besondere an ihnen ist ihre Aufstellung im Leben: Eduardo pflegt eine melancholische Haltung, für ihn scheint das Beste und Schlimmste hinter ihm zu liegen und er glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben – außer Marcia. Marcia denkt wiederum optimistisch nach vorne, sie steht am Beginn, sie bricht gerade aus zwielichtigen Familien- und Herkunftsverhältnissen aus, sie will Klarheit und Offenheit – ausgerechnet an der Seite des beladenen Eduardo. Deshalb ist "Der Lissabon-Krimi" immer auch ein Familiendrama, mit Eduardo in der Vater- und Marcia in der Tochterrolle. Ein Spaß besteht darin, diese Rollen immer wieder auf die Probe zu stellen – erst recht, wenn, wie in unserem neuesten Fall, Eduardos leibliche "verlorene Tochter" aufkreuzt.

Sie thematisieren brennende Probleme Portugals in Ihren Drehbüchern – straffällig gewordene Jugendliche und Brandstiftung im vierten Film "Feuerteufel" oder Umweltterrorismus in "Die verlorene Tochter", und betten sie in atmosphärisch dichte Beziehungsgeflechte ein. Wie stoßen Sie auf die Ideen für Ihre Drehbücher?

Dank der Vorarbeit der Produktion konnten wir uns einen guten Überblick über Themen verschaffen, die in Lissabon und Portugal aktuell sind. Auf weitere landesspezifische Aspekte sind wir bei unseren eigenen Recherchen gestoßen. Die Hauptaufgabe bestand und besteht darin, diese Themen an deutsche Zuschauer heranzuholen, sie also so zu erzählen, dass wir sie nicht als portugiesisches Problem abtun, sondern den universalen Aspekt darin erkennen.