Die Päpstin – Legende und Wirklichkeit

Johanna als Papst
Johanna als Papst | Bild: NDR / Mathias Bothor

Ein weiteres Gegenargument besteht darin, dass die Geschichte der Päpstin erst Jahrhunderte später nennenswerte Verbreitung fand. Der Name "Johannes Anglicus" wurde im Jahre 1265 erstmals von Dominikanermönch Martin von Troppau erwähnt, der die Amtszeit der Päpstin ebenso ins 9. Jahrhundert verlegt und sie zur Nachfolgerin von Leo IV. macht. Sein "Chronicon pontificum et imperatorum" ("Chronik der Päpste und Kaiser") war in 500 Handschriften verbreitet; für die damalige Zeit eine ungeheure Menge, die diese Chronik zum Standardwerk machte. Martin von Troppau erzählt, dass Johanna, die aus Mainz oder England stammte, bei einer Prozession zum Lateran ein Kind geboren habe, dabei gestorben und sogleich begraben worden sei.

Zeitgenössische Quellen, sei es aus dem 9. oder dem beginnenden 12. Jahrhundert, existieren nicht – was wiederum nicht für den Wahrheitsgehalt der Geschichte spricht. Zudem stammen die wichtigsten Quellen zur Päpstin aus Chroniken von Benediktiner und Franziskanermönchen, deren Orden der römischen Amtskirche eher kritisch gegenüberstanden. Weitere Popularität erlangte die Päpstin Johanna dann in der Zeit der Reformation, in der sie in zahlreichen Schriften der Reformatoren als ein weiterer Beweis für die moralische Verkommenheit der Amtskirche höchst willkommen war.

Ein zeitgenössisches Dokument mit einem Bericht über Johannas Amtszeit gibt es doch – eine Abschrift des Liber Pontificalis. Es gibt Zweifel, ob der Bericht über Päpstin Johanna in diesem Schriftstück eine spätere Erweiterung ist. Aber selbst wenn das der Fall wäre,würde das den Bericht nicht zwingend unwahr erscheinen lassen. Ein späterer Chronist könnte auch Johannas Fehlen in der Aufzeichnung korrigiert und damit Missverständnisse aus dem Weg geräumt haben. Diese Annahme und die genannte Abschrift spielen im Roman von Donna Woolfolk Cross, sowie im Film, eine wichtige Rolle.

Neben dem Liber Pontificalis taucht Johannas Geschichte zunächst in der Arbeit von Marianus Scotus auf, einem Mönch, der dem Pontifikat vollkommen ergeben war. Nur wenig später war auch in den Schriften von Sigebert von Gembloux, Otto von Freising, Godfrey von Viterbo und Gervase of Tilbury von Johanna zu lesen – alle im 12. Jahrhundert, lange vor Martin von Troppau. Doch von diesen Aufzeichnungen gibt es keine Originale und Johannas Geschichte taucht nur in einigen der Kopien auf. Fraglich ist, ob Johannas Geschichte nachträglich in diese Abschriften eingefügt oder aus denjenigen gelöscht wurde, in denen sie nicht erwähnt wird.

Martin von Troppau (besser bekannt als Martin Polonus) war Dominikanermönch und ein eifriger Verfechter von Johannas Pontifikat – ein Mann, der für seine Genauigkeit und gewissenhafte Recherche in der Bibelforschung geschätzt wurde. Sein Werk, das Chronicon Pontificum et Imperatorum, legt den Grundstein für die Geschichte der Päpste, eine "semioffizielle" Chronik der Päpste. An seiner Erwähnung von Johanna gibt es keinen Zweifel, da sie in allen Ausgaben auftaucht.

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