Aus dem Gerichtsverfahren: Die Kläger

Befragung von Phillip Schneider (Umweltorganisation Germanwatch) von den Klägeranwältinnen Meybach und Kastager

Wiebke Kastager (Nina Kunzendorf) und Larissa Meybach (Friederike Becht) vertreten 31 Länder, die die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer Klimapolitik auf Schadenersatz verklagt haben.
Wiebke Kastager und Larissa Meybach vertreten 31 Länder, die die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer Klimapolitik auf Schadenersatz verklagt haben. | Bild: rbb/zero one film / Julia Terjung

Larissa Meybach (Klägeranwältin): Sprechen wir also über Fakten, ganz emotionslos. Sie sagen, wir haben unsere Klimaschutzziele erreicht, 2008, 2012 und 2020. Aber was waren das für Ziele? Deutschland zählte weiter zu den höchsten CO2- Emittenten weltweit. Die angeblich ehrgeizigen Ziele waren so moderat gesetzt, dass sie niemandem wehtaten. Wir werden nachweisen: Der Klimaaufbruch ist an denen gescheitert, die ihn am lautesten gefordert und am wenigsten unternommen haben.

Philipp Schneider (Umweltorganisation Germanwatch): Lassen Sie mich kurz die Rahmenbedingungen erklären. 1998, ein Jahr nach Kyoto, sechs Jahre nach Rio. Zum ersten Mal hat sich die Welt auf verpflichtende Klimaziele geeinigt – zumindest für die Industrieländer. Die Stimmung war widersprüchlich. (…)

Wiebke Kastager (Klägeranwältin): Was haben Sie unternommen?

Phillip Schneider: Das Tauziehen nach Kyoto war ideologisch. Die EU wollte den CO2-Ausstoß für Energiewirtschaft und Industrie verringern. Vorab sollte erfasst werden, wieviel CO2 ein Unternehmen bislang ausstößt. Diese Menge wurde jedem Unternehmen an Emissionen zunächst zugestanden, der CO2-Ausstoß sollte dann von Jahr zu Jahr sinken.

Larissa Meybach: Damit alle verstehen, worum es geht, stellen wir das kurz vor: Die Industrie sollte für jede Tonne CO2 ein Verschmutzungsrecht, ein sogenanntes Zertifikat erwerben. Der CO2-Ausstoß sollte stetig verringert werden, indem die Anzahl der Zertifikate, also die Anzahl der Berechtigungen, die Umwelt mit CO2 zu verschmutzen, jährlich reduziert wird. Zusätzlich zur Reduktion sollten die Unternehmen für die Verschmutzungsrechte einen stetig steigenden Preis bezahlen. Das sollte die Industrie motivieren, in sauberere Technik zu investieren, um weniger zu emittieren. Man hätte damit auch Geld verdienen können: Ja, wenn ein Unternehmen sauberer wird, kann es überschüssige Zertifikate an ein Unternehmen verkaufen, das sie benötigt.

Phillip Schneider: Gerade Energieversorger wie RWE und Vattenfall und wichtige Industrieunternehmen waren strikt gegen den Emissionshandel. Sie wollten bei der freiwilligen Selbstverpflichtung bleiben. Die Konzerne hatten sich Ende der 90er-Jahre freiwillig zu einer Begrenzung verpflichtet. Was bei Überschreitung keinerlei Konsequenzen haben würde. Und dabei sollte es bleiben.

Wiebke Kastager: Hat die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie je zum Erfolg geführt?

Phillip Schneider: Erfolg für wen? Mir ist kein Fall bekannt, in dem die Industrie selbstgesteckte Ziele tatsächlich eingehalten hätte. (…) Wäre der Emissionshandel mit einem Mindestpreis von 20 Euro pro Zertifikat und entsprechend verschärfter Emissionsbegrenzung eingeführt worden, hätte Deutschland ab 2005 1,75 Milliarden Tonnen, Europa ca. 8 Milliarden Tonnen CO2 eingespart. Das entspricht der Menge, die Deutschland in zehn Jahren ausstößt!