Expertengespräch mit Jan Heckmann, Insolvenzverwalter und Anwalt für Insolvenzrecht und Schuldnerberatung

Der Insolvenzverwalter Udo Schick erklärt seiner Mandantin Juliane Mai, im Beisein von Schuldnerberater Jonathan Hüter, die Konsequenzen der bevorstehenden Insolvenz.
Der Insolvenzverwalter Udo Schick erklärt seiner Mandantin Juliane Mai, im Beisein von Schuldnerberater Jonathan Hüter, die Konsequenzen der bevorstehenden Insolvenz. | Bild: rbb / Volker Roloff

Zu welchem Zeitpunkt kommen Mandanten zu Ihnen? Wann ist der optimale Zeitpunkt, dass Menschen bei Ihnen Hilfe suchen?

In der Regel kommen betroffene Personen dann zu mir, wenn sie Kreditraten nicht mehr bezahlen können oder schon eine längere Zeit diverse Forderungen nicht mehr ausgleichen konnten. Oft schieben verschuldete Menschen schon über Jahre Schuldenprobleme vor sich her, haben bei der Gerichtsvollzieherin oder dem Gerichtsvollzieher schon mehrfach ihre Vermögenslosigkeit erklärt und wollen endlich schuldenfrei sein. Der richtige Zeitpunkt wäre eigentlich, wenn man weiß, dass man demnächst nicht mehr alle Zahlungen leisten kann, etwa wegen zu erwartender Elternzeit, bevorstehender Verrentung oder einer Kündigung. Dann besteht der größte Spielraum.

Was sind die häufigsten Gründe für eine Insolvenz – verkalkuliert, Krankheit, zu hohe Darlehen?

In Brandenburg waren statistisch 2022 gut acht Prozent der erwachsenen Bevölkerung überschuldet, womit Brandenburg deutschlandweit im besseren Mittelfeld liegt. Der häufigste Auslöser ist Arbeitslosigkeit, gefolgt von "Erkrankung, Sucht, Unfall" als dem zweithäufigsten Auslöser. Danach folgen "unwirtschaftliche Haushaltsführung", "Trennung, Scheidung, Tod" und "längerfristiges Niedrigeinkommen". Die gescheiterte Selbständigkeit, die im Film zur Insolvenz führte, ist statistisch der seltenste Insolvenzgrund bei Verbraucherinsolvenzen.

Inwiefern unterscheidet sich eine Privatinsolvenz von einer Firmeninsolvenz?

Die Insolvenzordnung unterscheidet das Insolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren, Begriffe wie Regelinsolvenz, Privatinsolvenz oder Firmeninsolvenz gibt es im Gesetz nicht. Grundsätzlich muss man die Insolvenz juristischer Personen (Gesellschaften) und die Insolvenz von Menschen (natürliche Personen) unterscheiden. Juristische Personen bekommen keine Restschuldbefreiung und durchlaufen immer das Regelinsolvenzverfahren was man auch als Firmeninsolvenz bezeichnen könnte. Natürliche Personen können beide Verfahrensarten durchlaufen. Entscheidend ist im Regelfall, ob diese selbständig tätig sind, oder eben nicht, also Verbraucher sind.

Im Film handelt es sich um unternehmerisch tätige Personen, die ihrer Tätigkeit nicht im Mantel einer GmbH nachgegangen sind, sondern offensichtlich ein Gewerbe als natürliche Personen angemeldet hatten. Diese würden in der Realität ihrer Restschuldbefreiung drei Jahre nach Eröffnung des Verfahrens entgegensehen. Im Ablauf unterscheiden sich die Verfahren dadurch, dass beim Verbraucherinsolvenzverfahren vor der Insolvenzantragstellung durch eine öffentliche Schuldnerberatungsstelle oder durch eine andere geeignete Person – wie etwa einer Rechtsanwält*in – ein Einigungsversuch mit den Gläubigern stattfinden muss. Unternehmer, wie die betroffenen Personen im Film, müssen keinen Einigungsversuch durchlaufen, diese können ohne Schuldnerberatungsstelle unmittelbar die Insolvenz beantragen.

Was ist über die juristische Beratung hinaus wichtig für die Menschen in dieser Situation, was würden Sie ihnen raten, welche Anlaufstellen gibt es noch?

Wenn man in eine Situation kommt, in der man weiß, dass jetzt oder auch erst demnächst, nicht mehr alle finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden können, dann sollte man sich beraten lassen – und es geht dabei vornehmlich nicht um juristische Beratung. Wenn das Geld nicht reicht, um alles Anstehende zu bezahlen, muss man wissen, wie man vorgeht. Zum Beispiel hat dann die Mietzahlung höchste Priorität - und die Stromrechnung und das Telefon. Darlehensraten hingegen sind in der Regel völlig unproblematisch einzustellen, ggf. ist die Bank zu wechseln. Diese Beratungen leisten für Verbraucher die kostenfreien öffentlichen Schuldnerberatungsstellen.

Ist die Figurenkonstellation des Insolvenzverwalters Udo Schick und des Schuldnerberaters Jonathan Hüter im "Polizeiruf 110: Gott des Bankrotts" realistisch oder reine Fiktion?

Von Verschuldung und Insolvenz Betroffene haben zu Beginn des Prozesses oft große Sorgen und Ängste. Außerdem ist das Insolvenzverfahren in seinen Abläufen für Laien undurchsichtig. Was es bedeutet, dass Insolvenzverwalter*innen die Vermögensmasse in Beschlag nehmen, bleibt für Betroffene zunächst abstrakt, die Autorität der Insolvenzverwaltung wird als diffuses Diktat empfunden.

Natürlich ist die Rollenverteilung Schuldnerberater und Insolvenzverwalter in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder Ehe möglich. Allerdings wird das Gericht in den Konstellationen, in denen ein Schuldnerberater aus einer solchen Beziehung beim Insolvenzantrag tätig war, den Lebenspartner als Insolvenzverwalter nicht bestellen. Schuldnerberater*innen haben den gesetzlichen Auftrag, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verbraucherinsolvenz zu schaffen. Schon im Ablauf führt das dazu, dass zunächst die Schuldnerberatung tätig ist und dann der Insolvenzverwalter*in. Die Beiden haben keinen Grund, sich zu begegnen. Sie korrespondieren in der Realität über das Gericht und nicht im Gespräch zu dritt.

Gibt es wie im Film behauptet den Fall, dass Insolvenzverwalter in die eigene Tasche wirtschaften oder werden die Mandanten durch Kontrollinstanzen geschützt?

Je größer die Insolvenzmasse ist, desto höher ist auch die Verteilungsquote für die Gläubiger. Der natürliche Anreiz jeder Insolvenzverwaltung ist daher die maximale Massemehrung. Doch auch die Vergütung der Insolvenzverwalter*innen steigt mit der Insolvenzmasse, da sie sich u.a. aus einem prozentualen Anteil ergibt. Von Insolvenz Betroffene empfinden dies oft als "in die eigene Tasche wirtschaften". Diese Massemehrung geht allerdings nicht zu Lasten der verschuldeten Person. Zudem kann jedes unseriöse Handeln von Verwalter*innen beim Insolvenzgericht angezeigt werden und wird zu einer Überprüfung führen, auch setzt allein das Insolvenzgericht die Vergütung der Verwaltung fest. Das Durchlaufen einer Insolvenz ist für Insolvenzkundige ein sehr klarer Prozess, der bei guter und schuldner-interessensgeleiteter Beratung der verschuldeten Person das Ziel hat: endlich schuldenfrei.

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