Gespräch mit Christina Große

Bukows Sohn (Jack Owen Berglund) hat Mist gebaut; Was hat Keno (Junis Marlon) damit zu tun: (mit Christina Große).
Bukows Sohn hat Mist gebaut: Was hat Keno damit zu tun? | Bild: NDR / Christine Schroeder

Sie spielen Valli, die als Betreuerin in einer Wohngruppe für Kinder und Jugendliche arbeitet. Wie würden Sie diese Figur beschreiben?

Lars Jessen und ich haben uns vorgestellt, dass sie eine Quereinsteigerin ist, die sich erst spät zur Erzieherin hat ausbilden lassen. Ihr fehlt also die langjährige Erfahrung, die sie rein altersmäßig haben könnte, und sie versucht, ihrer Aufgabe so gut es geht gerecht zu werden. Aufgrund ihrer bisherigen Erlebnisse glaubt sie daran, dass sie den Kindern und Jugendlichen hilft zu gesunden, wenn sie ihnen Respekt, Vertrauen und Liebe entgegenbringt; das ist für sie der Schlüssel. Offen und mit gutem Beispiel voran und jeden Tag aufs Neue das Mögliche versuchen, aber nicht jeden Rückschlag reflektieren, nicht jede Unklarheit hinterfragen, sich immer schützend vor "ihre" Kinder und Jugendlichen stellen, das ist für mich Valli.

Im Film prallen unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Umgang mit dem schwer erziehbaren Keno aufeinander. Valli setzt auf Vertrauen, ihr Vorgesetzter Stig reagiert mit Strenge. Wie war es für Sie, sich in diesem Kräftefeld zu bewegen?

Vallis Haltung ist mir persönlich näher, und doch weiß ich, dass es Situationen gibt, wo klar formulierte Grenzen in Erziehungsfragen unerlässlich sind. Zum Thema Pubertät und Erziehung gibt es ein schönes Bild von Jasper Juul, das ich als richtungsweisend empfinde: "Sparringspartner sein – größtmöglicher Widerstand bei kleinstmöglicher Verletzung". Wichtig ist für mich dabei: Ich mache deutlich, dass dein Verhalten nicht richtig ist, aber trotzdem stelle ich dich als Person nicht in Frage, sondern nehme dich genauso, wie du bist. Valli erfüllt für mich nur den zweiten Teil dieses Bildes. Sie hofft: Wenn ich Keno einfach so nehme, wie er ist, wird er selbst merken, dass er mit seinen Grenzüberschreitungen nicht weit kommt. Valli hält Keno nicht wirklich ihre Haltung zu dem, was er tut, entgegen. Sie unterschätzt die Situation, sie sieht nicht das Maß der Verletzungen, die Keno schon erfahren hat, dass ihr pädagogischer Ansatz zu spät kommt. Und indem sie ihren Einfluss auf Keno überschätzt, wird sie mitverantwortlich für den dramatischen Verlauf der Geschichte.

Der Film vermeidet klare Schuldzuschreibungen. Inwiefern ist für Sie auch die verständnisvolle Valli eine Figur mit Widersprüchen?

Valli glaubt, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Aber im Verlauf der Geschichte beginnt sie zu ahnen, dass sie für das, was passiert, genauso mitverantwortlich ist wie andere Beteiligte, auch wenn sie das so noch nicht zugeben kann. Sie hat Keno nicht vor sich schützen können, sie hat bestimmte Mechanismen um sich herum nicht erkannt oder hinterfragt und somit unterstützt, obwohl sie das so nie wollte. Aber sie wird weitermachen, denn sie hat keine andere Wahl, wie sie deutlich formuliert.

Was haben Sie von den Dreharbeiten in besonderer Erinnerung behalten?

Alle Beteiligten in dieser Geschichte sind permanent angespannt, überfordert und verzweifelt. Jeder kämpft allein und ist gefangen in dieser Einsamkeit. Wie Lars Jessen das erzählt und inszeniert hat, wie er Fragen aufwirft, ohne Antworten parat zu haben, finde ich dem Thema entsprechend. Wie soll und kann Pädagogik für Kinder und Jugendliche aussehen, die als "Systemsprenger" bezeichnet werden? Wie müssen Strukturen verändert werden, damit solch eine Geschichte gar nicht erst möglich ist? Das sind die Fragen, mit denen ich als Zuschauer zurückgelassen werde.

(Das Interview wurde geführt von Birgit Schmitz.)

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