Gespräch mit Franziska Weisz

"Die Vergiftung der Menschen ist eine Metapher"

Franziska Weis als Kommissarin Julia Grosz
Franziska Weis als Kommissarin Julia Grosz | Bild: NDR / Christine Schroeder

Das Duo Falke und Grosz löst in "Böser Boden" seinen ersten Fall. Bereut es Grosz bereits, den Job angenommen zu haben? Falke lässt sie im niedersächsischen Dauerregen stehen.

Im ersten Fall "Zorn Gottes" hatte sie Falke nur als Sicherheitsbeauftragte eines Flughafens beigestanden. Persönlich machte sie die Schotten dicht und ließ den Fremden nicht an sich heran. Aber jetzt arbeiten die beiden im Team. Grosz muss ihre Verschlossenheit ein Stück weit aufgeben. Sie beschließt, sich zu öffnen – und wird von ihm bitter enttäuscht. Nach ihrem traumatischen Erlebnis als Ausbilderin in Afghanistan ist es ihr grundsätzlich nicht leicht gefallen, wieder einer Person zu vertrauen. Deshalb wiegt es doppelt schwer, dass Falke sie im Stich lässt, als sie auf einem Bauernhof in eine brenzlige Situation gerät. Also sagt sie ihrem Partner klipp und klar: Das machen Sie nicht noch einmal. Sonst bin ich weg!

Bekommt es Falke mit der Angst zu tun, wieder eine Partnerin zu verlieren?

Vielleicht auch das, aber vielmehr wächst bei ihm die Einsicht, sich unverantwortlich verhalten zu haben. Bei der Polizei muss man sich blind aufeinander verlassen können. Man gibt sein Leben in die Hand des anderen. Grosz unterstellt ihm aber keine böse Absicht. Als Falke spürt, wie tief getroffen sie ist, zeigt er sich für einen kleinen Moment schockiert.

Überlässt er ihr die ganze Ermittlungsarbeit?

Falkes Aufmerksamkeit ist geteilt. Als Kommissar ist er nicht so ganz bei der Sache, weil ihm sein Sohn Probleme bereitet. Deshalb ist sie viel näher dran am Fall und an den Menschen. Im Gegensatz zu ihm erkennt sie die Wesensveränderungen der Dorfbewohner, die von einem Umweltskandal heimgesucht werden. Grosz ist voll auf ihren Beruf konzentriert und ermittelt mit einer militärischen Gradlinigkeit, wie sie für die Figur typisch ist. Sie blickt weder nach links noch nach rechts. Wir werden sicherlich irgendwann damit beginnen, in ihr privates Leben zu schauen. Bisher gibt es da nicht sonderlich viel zu sehen, wie ich vermute.

Ihr "Tatort" wagt einen ungewöhnlichen Genresprung in den Zombiefilm. Was finden Sie an der Geschichte herausragend?

Unser Film thematisiert den Umweltschutz auf eine neue Weise. Er zeigt, dass der Mensch ins Zentrum des Umweltschutzes gerückt ist. Früher ging es in erster Linie darum, die Natur zu bewahren. Naturschutz war für viele gleichbedeutend mit Artenschutz. Dabei herrschte der Gedanke vor: Alles was grün ist, ist super. Heute ist es vor allem die Gesundheit des Menschen, die uns umtreibt, und die entscheidende Frage lautet: Wie müssen wir uns verhalten, damit uns der Planet auch in Zukunft sichere Heimat ist und uns ernähren kann? In einer Szene von "Böser Boden" trinkt die Biobäuerin eine Flasche ihres Brunnenwassers in einem Zug aus, um an der heilen Welt festzuhalten, obwohl es Anhaltspunkte dafür gibt, dass ihr Grundwasser verseucht ist. Ihre Kinder haben sich bereits in halbe Geister verwandelt. Sollte sich der Verdacht bestätigen, steht die Frau mit ihrer Familie vor dem Nichts. Vordergründig geht es im Film um die langsame Vergiftung der Dorfbewohner in mutmaßlicher Folge der Erdgas-Förderung. Aber dahinter steckt viel mehr. Der Film transportiert eine starke Metapher. Über das Wasser und unsere Nahrung gelangen immer mehr Rückstände von Medikamenten in unsere Gläser und auf unsere Teller. Weil Kläranlagen viele Medikamentenwirkstoffe beispielsweise von Betablockern, Psychotherapeutika oder Antibabypillen nicht vollständig herausfiltern können. Angeblich gesundheitlich nicht bedenklich, dennoch nachweisbar. Forscher sehen Zusammenhänge zwischen Weichmachernin Plastikflaschen oder Kaffebechern und Zeugungsfähigkeit. Ich glaube, Alltagschemikalien gefährden nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern sie beeinflussen auch uns Menschen. Solche Themen finde ich hochspannend. Die Zeiten sind vorbei, in denen mit ihnen das Sommerloch in Politik und Nachrichten gestopft wurde. Heute laufen Filme wie "Böser Boden" zur besten Sendezeit, weil sie die Zuschauer essentiell interessieren.

Regisseure schätzen Kommissar Falke auch wegen seines Machismus. Wie gehen Sie mit dessen Mackertum um?

Das mag ich auch an ihm. Jedenfalls kann ich ihm dafür nicht böse sein. Ein intelligenter Mann wie Wotan trägt den Machismo im Übrigen mit feinem Augenzwinkern vor. Man sollte das Mackerhafte seiner Figur nicht mit Chauvinismus verwechseln. Auch als Frau kann ich ein bisschen machohaft sein, auf meine Art.

Können Sie die Figur der Julia Grosz zwischenzeitlich ad acta legen?

Sie ist in meinem Leben durchgehend präsent. Unsere Reihe spielt bei der Bundespolizei, die oft in den Medien vertreten ist. Viele Fälle haben mit aktueller Politik zu tun. Immer wenn ich lese, die Bundespolizei ist zu einem Einsatz ausgerückt, frage ich mich: Was wäre jetzt wohl Julias Aufgabe? Welche Haltung würde sie zu dem Fall einnehmen? Wie würde sie sich verhalten? Ich bin gewissermaßen im Dauereinsatz.

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