Gespräch mit Bibiana Beglau

Frau Bär und Müller
Frau Bär ist sehr unsicher und sucht Rat bei der Kommissarin. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Jetzt mussten Sie erst "Schauspielerin des Jahres" werden, um die Assistentin einer "Tatort"-Kommissarin zu spielen.

Ich habe mich durch die deutsche "Tatort"-Landschaft jahrelang hochgemeuchelt. Ich war immer nur die Mörderin. Jetzt bin ich zum ersten Mal von der Kripo.

Wie kam es zu diesem Seitenwechsel?

Auf der Berlinale kam der NDR-Fernsehspielchef Christian Granderath auf mich zu und sprach über das neue Filmprojekt von Alexander Adolph. In diesem Gespräch ließ er noch vieles im Vagen, doch dann flatterte eines Tages ein Drehbuch auf meinen Schreibtisch. Geschrieben von Alexander Adolph, mit dem ich bereits den Splatterfilm "Der letzte Angestellte" gemacht hatte. Er schreibt einfach wahnsinnig gute Bücher. Ich habe mich sofort in die Rolle der Frau Bär verliebt und dem NDR geantwortet: Wenn ihr mich haben wollt’, mach ich es total gern.

Wer ist diese Frau Bär?

Es gibt Menschen, die als nicht gesellschaftsfähig empfunden werden, weil sie zu leise sprechen oder weil sie anderen zu lange in die Augen sehen, um Kontakt herzustellen. Solche Leute, zu denen auch Frau Bär gehört, werden gern an den Rand gedrängt. Sie ist sehr gerade, vielleicht zu gerade. Sie spricht merkwürdig langsam, weil sie alle Endungen mitspricht, ist aber keine dumme Person. Sie wirkt nur nicht so geschmeidig wie die anderen und hält das Tempo nicht mit, das die Gesellschaft vorgibt. Dabei ist sie ein sehr wertvoller Mensch. Wenn es die Menschlichkeit erfordert, dann nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen und wirft sich in die Schlacht, um der Kommissarin beizustehen.

Sie haben ihr einen besonderen Gang verliehen. Fragen Sie sich bei einer Figur, wie steht sie im Leben?

Und ich frage mich auch: Wie geht sie durchs Leben? Frau Bär macht nur gerade Gänge. Sie geht schnurstracks in ein Büro hinein, stellt sich gerade hin und spricht. Langsam, damit sie die Gedanken so formulieren kann, wie sie es möchte. Dann macht sie kehrt und geht kerzengerade ab. Der Körper formt sich nach dem inneren Charakter. So wie die Figuren sind, so bewegen sie sich auch. Beim Drehen haben wir in ihrer ersten Szene entdeckt, dass Frau Bär so kurze Schritte macht, als hätte sie kurze Beine. Das bedeutet: Sie macht sich klein.

Sie tritt anfangs in jedes Fettnäpfchen. Ist sie eine komische Figur?

Ihr Auftreten hat etwas Komödiantisches, weil sie aus der Einsamkeit kommt und die gesellschaftlichen Konventionen nicht verinnerlicht hat. Sie hat immer nur allein im Büro gesessen, klärte zehn Jahre lang Fahrraddiebstähle auf und schob Akten von links nach rechts. Ich kann mich nicht verhalten, sagt sie. Aber das legt sich mit der Zeit.

Sie haben einmal gesagt, Sie seien keine Komikerin.

Ja. Es gibt bestimmte Schauspieler, die sehr genau wissen, wie man Komik herstellt. Ich weiß nicht, wie Komik funktioniert, doch mir ist bewusst, dass ich durchaus komisch wirken kann. Aber dazu braucht man einen guten Regisseur. Um ehrlich zu sein: Ohne guten Regisseur würden wir alle auf verlorenem Posten stehen.

Was zeichnet Alexander Adolph als Regisseur aus? Wie arbeitet er mit den Schauspielern zusammen?

will, versucht dabei aber auch immer wieder, uns kreativ zu verunsichern. So kommt keiner in die Verlegenheit, faul zu werden und zu sagen: Ich kenne meinen Job, meine Rolle, den Film. Also spielen wir eine Szene einmal so und einmal anders. Diese Methode finde ich künstlerisch großartig.

Zwischen Frau Bär und der Kommissarin entwickelt sich eine innige Freundschaft.

Frau Bär hat von ihren männlichen Kollegen immer gesagt bekommen, du bist eine kleine graue Maus, halt mal die Klappe, geh weg – und hat sich irgendwann entsprechend verhalten. Dann bringt ihr die Kommissarin Anerkennung entgegen: Hören Sie auf, an sich zu zweifeln, Sie sind gut, ich mag Sie. Von da an ist sie eine starke Person und würde alles für Frau Lindholm tun. In einer Szene, der Morgen graut schon, sagt Frau Bär, es tue ihr leid, sie habe den Einsatz vermasselt. Darauf sagt die Kommissarin, sie solle sich keine Sorgen machen, sie trage keine Schuld, so seien nun einmal die Verhältnisse. Das ist für mich eine schöne Liebesszene. Es hat großen Spaß gemacht, mit Maria Furtwängler zu spielen. Ich kannte sie vorher nicht und bin ein richtiger Fan geworden. Sie ist eine totale Macherin. Nicht so verkopft. Sie steht vor einer Aufgabe und legt los.

Müssen die beiden Frauen zusammenhalten, um in dieser Männerwelt der Schlachtbetriebe überleben zu können?

Ich komme aus Niedersachsen und kenne dort die Tierzuchten, die von uns Menschen mit äußerster Gewalt geführt werden. Wenn auch nur von außen. Aber ich kann mir den Horror der Tierschlachtungen vorstellen, und Bilder davon gibt es ja genug. Wer will diese Arbeit schon machen? Doch sicherlich keiner, der es sich leisten könnte, sie nicht tun zu müssen? Nicht nur in unserem "Tatort" sind die Machtstrukturen mafiös. Niemand spricht die Wahrheit aus. Wie soll man in dieser Welt bestehen? Alles läuft über Erpressungen und Vorteilnahmen. Der Film ist fast ein Kammerspiel. Es gibt die große Tierindustrie, die großartige Landschaft und das kleine Menschliche. Dafür stehen wir beiden Frauen.

Wird man Sie im Fernsehen als Frau Bär wiedersehen?

Das überlassen wir anderen Mächten. Die Figur ist toll, man könnte sie sicher weiterentwickeln. Aber Frau Bär ist eine Episode im Leben der Kommissarin, die einige Fälle mehr zu lösen hat.

Müssen Sie sich zurücknehmen, den Irrwisch in sich bändigen, wenn Sie Fernsehen spielen?

Wenn ich viel kräftiges Theater gespielt habe, müssen sich mein Körper und Geist tatsächlich umstellen. Dann brauche ich manchmal einen Regisseur, der mich daran erinnert, vor der Kamera etwas schmaler zu sein. Theater und Fernsehen zu spielen sind zwei unterschiedliche Berufe. Aber schon nach ein oder zwei Tagen ist das jeweils andere wieder voll da.

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