"Neben dem Krimi ist 'Er wird töten' eine Tragödie."

Interview mit dem Regisseur Florian Baxmeyer

Der Regisseur Florian Baxmeyer, geboren 1974 in Essen, lebt in Hamburg. Von 1995 bis 1998 studierte er Soziologie in Köln, brach sein Studium jedoch ab, um sich dem Film zu widmen. Am Set arbeitete er sich vom Kabelträger zum Regie-Assistenten hoch, bald darauf drehte er eigene Filme. "Er wird töten" ist die sechste Folge der "Tatort"-Reihe, die Baxmeyer inzwischen für Radio Bremen inszeniert hat.

Christiane Hörbiger und der Regisseur Florian Baxmeyer
Führte beim neuesten Bremer Fall Regie: Florian Baxmeyer, hier neben der Schauspielerin Christiane Hörbiger. | Bild: dpa / Angelika Warmuth

Herr Baxmeyer, der Film "Er wird töten" ist sehr düster und tragisch. Inga Lürsens neuer Kollege, mit dem sie im vorherigen "Tatort" ("Puppenspieler") eine Beziehung begonnen hat, wird brutal ermordet. Sie haben beide Folgen inszeniert. Wie war es für Sie, zwei Krimis zu drehen, die unmittelbar aufeinander aufbauen?

Für mich und das gesamte Team war es eine interessante Erfahrung, weil wir die beiden Filme wie einen Film am Stück gedreht haben. Das war eine lange, intensive Reise. Gerade für meine Zusammenarbeit mit Sabine Postel und Oliver Mommsen war die lange Drehzeit gut, da wir die Hauptfiguren Lürsen und Stedefreund in "Er wird töten" an ihre Belastungsgrenze führen wollten. Und da wir die Filme chronologisch hintereinander produziert haben, konnten wir uns langsam an diesen Abgrund herantasten.

"Er wird töten" ist bereits der sechste "Tatort", den Sie für Radio Bremen inszeniert haben. Was war für Sie bei den Dreharbeiten zu diesem Film die größte Herausforderung?

Auf der einen Seite ist es ein klassischer "Whodunnit" mit wenigen Figuren. Die Charaktere alle im Spiel und verdächtig zu halten, war erst einmal die wichtigste Aufgabe. Es gibt zum Beispiel viele, zum Teil lange Verhörszenen, die jede für sich eine eigene Spannung und Visualität brauchten. Neben dem Krimi ist "Er wird töten" eine Tragödie, eine Geschichte über Schuld und Sühne, in der es keine wirklichen Täter, sondern nur Opfer gibt. Mein Kameramann Marcus Kanter und ich haben uns für einen warmen und mitfühlenden Blick auf diese Menschen und ihr Leid entschieden, der weit weg ist von üblichen Krimikonventionen. Durch unsere lange Zusammenarbeit mit dem Bremer Team und der Radio-Bremen-Redakteurin Annette Strelow haben wir ein großes Vertrauen zueinander entwickelt. So war es möglich, einen, wie ich finde, sehr außergewöhnlichen "Tatort" zu machen.

Die Figuren in diesem "Tatort" sind psychisch äußerst instabil. Man könnte fast sagen, "Er wird töten" liefert ein Psychogramm der Hauptbeteiligten. Was unterscheidet eine solche Inszenierung von einem Mordfall mit politischem Hintergrund?

Ich finde grundsätzlich: Ein "Tatort" muss erst einmal spannend sein. Ich hoffe, dass die Zuschauer neben der Tragik der Geschichte vor allem auch die Frage nach dem Täter interessiert. Das Besondere an "Er wird töten" ist, dass alle Beteiligten, sowohl die Polizisten als auch die Verdächtigen, eine Schnittmenge haben: Jeder hat großes Leid erfahren, weil er einen ihm nahestehenden Menschen verloren hat. Anders als in einem politischen Thriller wie "Puppenspieler" ging es uns bei "Er wird töten" also um die Frage, wie jede einzelne Figur mit ihrer Tragödie umgeht. Kapselt sie sich ab oder öffnet sie sich? Gibt sie sich selbst oder anderen die Schuld? Zerbricht sie oder bleibt sie stark? Im Falle der Verdächtigen fragen wir uns: Glauben wir ihnen oder nicht? Auch ein Täter kann große Trauer über seine Tat empfinden und so wie ein Opfer wirken. In der Inszenierung ging es darum, diese Feinheiten herauszuarbeiten.

Wie haben Sie mit den Schauspielerinnen und Schauspielern konkret an ihren Rollen gearbeitet?

Die Arbeit mit den Schauspielern war bei "Er wird töten" sehr intensiv. Ein Ansatz für Sabine Postel war es, dass Inga Lürsen fast durchgehend versucht, die Trauer über Leos Tod nicht zuzulassen. Sie wirft sich mit aller Kraft in die Ermittlungen, damit sie sich mit Leos Tod nicht auseinander setzen muss. Wir sehen sie nur in ein paar Szenen im Film weinen. Die Emotion in diesen Szenen zuzulassen, bedeutet für jede Schauspielerin harte Arbeit, denn jeder erkennt, wenn es gespielt ist. Meine Arbeit mit Sabine war in solchen Szenen häufig sehr technisch. Ich habe sie zum Beispiel gebeten, während einer langen Szene die Tränen zurückzuhalten und erst auf ein Stichwort hin eine einzelne Träne zuzulassen, ansonsten aber gefasst zu bleiben. Hört sich unmöglich an, aber sie hat es genau so gemacht. Unglaublich!

Oliver Mommsens Stedefreund ist in diesem Film sehr verschlossen und wortkarg. Stedefreund ist erfüllt von einer stummen Wut, eine große innere Aggression, für die es kein Ventil gibt. Diese innere Haltung zeigt Oliver auch in seiner ganzen Körpersprache.

Herr Baxmeyer, vielen Dank für das Gespräch.

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