Fragen an Stefanie Veith (Drehbuchautorin)

"Wir waren fasziniert von Menschen, die das 'Monster' lieben und mit ihm leben."

Mit einem unbekannten Fahrzeug werden nachts Menschen überfahren.
Tatort Nachtsicht: Ein Serienmörder überfährt nachts Menschen.  | Bild: Radio Bremen

Frau Veith, Sie haben zusammen mit Herrn Tuchmann, der leider kürzlich verstorben ist, das Drehbuch zum Tatort „Nachtsicht“ geschrieben. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Fall über einen Serientäter zu schreiben, der aus Lust Menschen tötet?

Die Mordmethode hat Matthias entwickelt. Eines Tages wollte er gerade eine Straße überqueren und plötzlich saust ein Auto vorbei, das ihn fast umgefahren hätte – er hat es nicht kommen hören. Dieser Schreckmoment hat den Geschichtenerzähler in ihm ausgelöst: Was wäre, wenn jemand mit Absicht Menschen auflauert, um sie zu überfahren? Wir haben uns bei allen gemeinsamen Projekten in die tiefsten Abgründe des Menschseins begeben. Wir hatten uns in der Vergangenheit auch schon mal mit Serienmördern beschäftigt. Wir glauben, dass Lust der wichtigste Antrieb für Serienmörder ist: Lust an Sex, Lust an Macht. Das Morden nach einer bestimmten Methode ist für diese Menschen wie eine unheilige Mischung aus Trieb und Sucht. In "Nachtsicht" sind wir tiefer in die Thematik eingestiegen. Wir waren fasziniert von Menschen, die das "Monster" lieben und mit ihm leben. Sind die völlig ahnungslos oder verdrängen die? Wie schwer muss es sein, so eine Wahrheit zu akzeptieren. Dieses Drama hat uns beide interessiert.

Inwiefern unterscheidet sich die Psychologie eines Serientäters von der eines Täters, der nicht gezielt, sondern im Affekt einen anderen Menschen tötet?

Zu einem Mord im Affekt kann jeder getrieben werden, auch wenn für jeden die Hemmschwelle eine andere sein mag. Zu einem Serienmörder gehört das Töten, wie das Jagen zu einem Raubtier gehört. Wir haben viel über die Frage gesprochen: "Wird man als Serientäter geboren oder machen die Lebensumstände in der Kindheit aus einem Menschen ein Monster?“ Es gibt einige Theorien dazu. Wenn das Töten und die sexuelle Lust durch eine Fehlschaltung im Hirn für den Rest deines Lebens verknüpft werden, dann hast du ein ernsthaftes Problem als Erwachsener. Aber du bist deswegen noch kein Serienmörder. Warum ganz wenige die Grenze überschreiten und aus ihrer mörderischen Fantasie Wirklichkeit werden lassen, weiß man nicht. Und wie man es verhindern kann, ist ebenfalls unklar.

Wie sahen in diesem Fall Ihre Recherchen konkret aus? Gab es reale Fälle, mit denen Sie sich besonders beschäftigt haben?

Wir haben uns intensiv mit Serientätern beschäftigt. Vor allem mit dem berühmten Fall des Jeffrey Dahmer, der in den USA in den 80er Jahren mindestens 17 junge Männer auf grausamste Art ermordete. Es gibt dazu viel Material. Dahmer sagt ganz offen, dass er im Gefängnis besser aufgehoben ist als in der Freiheit. Er wusste zu jeder Zeit, dass seine Taten falsch waren und schämte sich sogar dafür. Doch aufhören konnte er nicht. So war es eine Erleichterung für ihn, geschnappt zu werden. Der Drang, seine Fantasien auszuleben, war bis zu seinem Tod ungebrochen.

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