Gespräch mit Friederike Linke

Franzi (Friederike Linke)
Friederike Linke spielt Franzi, die mit ihrer Sucht kämpft. | Bild: SWR / Stephanie Schweigert

In "Tatort – Côte d´Azur" spielen Sie Franzi, eine junge Frau, die eigentlich noch ihr Leben vor sich haben sollte, aber durch die Maschen der sozialen Netze der Gesellschaft gefallen ist. Nun verbringt sie ihre Tage mit einer Gruppe Obdachloser. Wie würden Sie Franzi beschreiben?

Franzi, Franziska, ist eine junge Frau, die nun aber nicht mehr so jung ist, dass sie am Ende ihrer Schulzeit steht. Seither sind einige Jahre vergangen. Sie ist eine sehr aufgeweckte, intelligente Person, der eigentlich die Welt hätte offen stehen können, die auch mit einigen Talenten ausgestattet ist. Durch den Kontakt, den sie als junge Erwachsene mit Drogen hatte, ist sie jedoch abgestürzt und komplett aus den Fugen geraten. Franzi ist sehr hilfsbereit und unterstützt andere wahnsinnig viel. Auch, wenn sie im Grunde selbst Hilfe sucht und sie nicht bekommt. Eigentlich ist sie einsam. Trotz allem sind für sie Freundschaft und Loyalität von großer Bedeutung. Durch ihren Drogenkonsum hat sie jedoch alle Freunde und alle Kontakte aus ihrer Vergangenheit verloren, auch zu ihrer Familie. Jetzt hat sie eigentlich nur noch Bill.

Neben Bill bleiben ihr nicht mehr viel, sie hat mit einer schweren Drogensucht zu kämpfen. Sogar ihr letztes Geld gibt sie immer wieder dafür aus. Wenn es sein muss, bestiehlt sie dafür sogar Menschen aus ihrem Umfeld. Welche Rolle haben Alkohol und Drogen in Franzis Leben eingenommen?

Franzi hat neben der starken Sucht, der sie verfallen ist, auch immer wieder mit schlechtem Gewissen und Verzweiflung zu kämpfen. Harte Drogen bergen häufig die Gefahr, dass die Wirkung beim ersten Versuch so überirdisch scheint, dass man dieses Gefühl nochmal haben möchte. Durch solch ein Erlebnis ist sie in einen Teufelskreis geraten, aus dem sie alleine nicht mehr herauskommt. Dann empfindet sie noch Scham wegen dem, was aus ihr geworden ist – deswegen hat sie sich so eingeigelt, in diesem kleinen Kreis an der "Côte d´Azur".

Franzi (Friederike Linke)
Für Franzi sind Freundschaft und Loyalität von großer Bedeutung.  | Bild: SWR / Stephanie Schweigert

Kann da eine "Tatort"-Kommissarin wie Klara Blum helfen?

Klara Blum ist eine Kommissarin, die sehr auf sie eingeht – die beiden entwickeln eine Verbindung zueinander. Klara Blum versucht zu helfen, aber aus ihrer Situation findet Franzi nur heraus, wenn sie dabei auch ein eigenes Ziel verfolgen kann. Das ist aber leider an diesem Punkt in ihrem Leben noch viel zu vage, viel zu verschwommen. Vielleicht hätte sie ihr helfen können, aber die Zeit, die die beiden miteinander verbringen, ist zu knapp. Es bleibt aber schon die Hoffnung, dass sich für Franzi noch einiges ändern könnte.

Wie haben Sie für die Figur recherchiert? Haben Sie sich für ihre Rolle eng an der Lebensrealität von Obdachlosen orientiert oder ist Franzi eine Figur, an der sich vielmehr die emotionale Verfassung eines Menschen zeigt, der, wie Klara Blum sagt "zu oft die falsche Abbiegung genommen hat"?

Sowohl als auch. Für die Rolle habe ich mir viele Filme angesehen: Dokumentationen, Reportagen. Natürlich ist es auch so, dass man Menschen sieht, wenn man durch die Straßen geht, denen es vielleicht ähnlich geht wie Franzi. Ich bin niemand, der da wegsieht. Oft frage ich mich, wie es dazu gekommen ist, dass dieser Mensch, der dort sitzt, anscheinend alles verloren hat. Ich denke darüber nach, wie schlimm eine Depression sein kann, durch die man sich nicht mehr gegen diesen Verfall wehren kann und wie es ist, wenn man alles verliert: die Familie, die Arbeit, das Studium. Es begibt sich ja niemand freiwillig in eine solche Situation.

Ich habe auch Menschen befragt, die schon in Kontakt mit harten Drogen gekommen sind. Die Gefühls- und die Gedankenwelt waren mir dabei wichtig: wie es ist, wenn alles andere in den Hintergrund rückt, weil Drogen immer mehr zum Mittelpunkt werden und dadurch das Leben natürlich in eine ganz andere Richtung gelenkt wird. Das kann schneller gehen als man denkt. Wenn man sich mit damit befasst, bemerkt man, wie wenig dazugehört, damit ein junger Mensch von einem normalen Leben abweicht. Man lernt durch die Arbeit an einer solchen Rolle, Menschen besser zu verstehen.

Die Bilder aus der "Côte d´Azur" sind trist. Als Weihnachtsschmuck bläst Lucky die leeren, silbrigen Plastiksäcke, die einmal mit billigem Wein gefüllt waren, auf und hängt sie an einen schiefen Baum. Wie war die Atmosphäre am Set?

Die Atmosphäre am Set war sehr eindringlich, auch weil wir Schauspieler äußerlich so verändert waren. Durch die Maske und das Kostüm haben wir das Erscheinungsbild von Junkies und starken Alkoholikern angenommen, die größtenteils auf der Straße leben – das hat sich auf das Spiel übertragen, das hat sehr geholfen.

Und was hat das für Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen gehabt?

Nur zwei von uns hatten bisher zusammen in einer Produktion gespielt, wir haben uns also bei den Dreharbeiten zu "Tatort – Côte d´Azur" erst wirklich alle kennengelernt. Die enge Zusammenarbeit hat uns zusammengeschweißt, auch die Tatsache, dass wir währenddessen unter einem Dach gelebt haben. Auch wenn dann die Beziehungen untereinander nicht immer gut und manchmal gespannt sind, arrangiert man sich miteinander. Ein wenig war es, als ob uns die Rollen auf eine gemeinsame Fahrt in ein anderes Leben mitgenommen hätten – diese Erfahrung war intensiv, das war toll.

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