Drehbuchautor Sönke Lars Neuwöhner zu "Eine Frage des Gewissens"

Bootz
Beim Telefongespräch mit seinen Kindern wird Bootz seine Einsamkeit ganz besonders stark bewusst. | Bild: SWR / Johannes Krieg

Herr Neuwöhner, ist die Idee zu diesem Tatort aus der durchlaufenden Geschichte um die Scheidung von Sebastian Bootz entstanden? Sie und Sven Poser führen Bootz in dieser Folge ja an einen Tiefpunkt.

Die Idee zu diesem Tatort ist ganz unabhängig von Sebastian Bootz' Entwicklung innerhalb der Reihe entstanden, hat sich aber bestens damit verbinden lassen. Sven Poser und ich wollten eine Geschichte erzählen, in der unsere Kommissare selbst in die Schusslinie geraten und sich juristisch und moralisch rechtfertigen müssen. So etwas passiert in der Realität ja ständig, jeder polizeiliche Schusswaffengebrauch wird untersucht, die Polizisten stehen nicht über dem Gesetz. Verschärft wird diese Situation in unserer Geschichte dadurch, dass zwar Lannerts Verhalten beim Einsatz untersucht wird, aber eigentlich Bootz auf dem Prüfstand steht. Denn es ist Bootz, der einen schweren Fehler macht, als er seinen Freund und Kollegen zu entlasten versucht. Ein moralischer "Fehler", der an ihm klebt und ihn tiefer in die Krise treibt. Zu dieser thematischen Konstellation unserer Ausgangsidee passte es natürlich gut, wie sich die Figur Bootz im Verlauf der Reihe entwickelt hat. Im Privatleben nach seiner Scheidung ohnehin im Sinkflug, droht nun auch beruflich die Katastrophe. Und nicht nur das: Auch die Freundschaft zu Lannert steht auf dem Spiel.

Das heißt die Tatsache, dass der gegnerische Anwalt im Prinzip Recht hat, wir als Zuschauer aber trotzdem auf der Seite von Sebastian Bootz sind, war ein besonderer Reiz beim Schreiben?

Diese Konstruktion ist die Idee des Ganzen und war deshalb Reiz und Ansporn. Ziehen wir unseren Helden ihre weißen Westen doch einmal aus! Und schauen wir zu, wie sie sich schlagen, wenn ihnen ein starker Gegner gegenüber sitzt und sie befragt, wie sonst sie Verdächtige befragen. Eine Umkehrung der gewohnten Rollen – die Kommissare werden in die Zange genommen. Und zwar nicht als verfolgte Unschuld. Nein, es gibt da etwas, das wirklich an ihnen nagt. Es gibt eine Vertuschung, einen dunklen Fleck. Das zu erzählen und nicht wegzuwischen, das war der Reiz für uns. Gerade weil wir auf ihrer Seite sind, und es auch danach noch bleiben werden.

Beim letzten Stuttgarter Tatort, "Freigang", den Sie gemeinsam mit Martin Eigler schrieben, steckten Sie Thorsten Lannert als Vollzugsbeamten ins Gefängnis. Diesmal spielt ein großer Teil des Films in einer Anhörung. Entstehen dadurch besondere Herausforderungen für Autoren und ihre Figuren?

Es ist natürlich immer spannend, Geschichten aus einer ganz speziellen Perspektive oder in einer klaren Zuspitzung oder auch Einschränkung zu erzählen. Was wäre "Das Fenster zum Hof" ohne James Stewarts Gipsbein? In diesem Sinne ist das Gefängnis im Stuttgarter Tatort "Freigang" das Gipsbein, und die Angeklagtenbank in „Eine Frage des Gewissens“. Wir erfahren plötzlich etwas über unsere Helden, die Kommissare, was wir vorher nicht wussten, obwohl wir sie schon seit so langer Zeit begleiten. Man muss das nicht machen, das "Gipsbein" muss zur Geschichte und zum thematischen Kern passen, aber wenn es passt, ist es herrlich. Zumindest fürs Autorengemüt.

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