Dominic Raacke zum Tatort "Oben und Unten"

Das Erste: Wie würden Sie die Beziehung zwischen Ihrer Figur Till Ritter und Felix Stark alias Boris Aljinovic nach 20 gemeinsamen "Tatorten" beschreiben?

Dominic Raacke: Aus einer abgrundtiefen Abneigung, mit angedrohten Prügeln und Schusswaffengebrauch, hat sich im Laufe der Jahre eine solide Partnerschaft entwickelt. Keine dicke Freundschaft, keine Feierabendromantik, aber respektvolle vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und weil man bekanntermaßen mit dem Arbeitskollegen mehr Zeit verbringt, als mit irgendeiner anderen Person, haben sich Ritter und Stark aufeinander eingespielt und versuchen, von kleinen Ausrutschern abgesehen, eine friedliche Koexistenz zu führen. Es ist keine Liebesbeziehung, aber eine solide Zweckehe. Und das sind bekanntlich die besten!
Welche Veränderungen würden Sie sich für Ihre Figur Ritter für die Zukunft wünschen?

Eine Serienfigur verändert sich im Grunde nicht viel. Das Ende einer Episode ist wie bei einem Brettspiel. Die Figuren werden wieder alle auf Anfang gesetzt, dann wird gewürfelt und das Spiel fängt von neuem an. Aber wie man selbst, wird auch ein "Tatort"-Kommissar älter, im besten Fall reifer, gelassener, vielleicht auch raffinierter, ein bisschen durchtriebener. Ritter ist Bulle, ein Mann mit Instinkten, mit dem kriminalistischen Riecher. Er ist kein Gutmensch, sondern Pragmatiker. Er weiß, dass er die Welt nicht verbessern wird, aber er ist ein Jäger, sein Revier ist Berlin und das gilt es sauber zu halten.
Inwieweit haben Sie sich mit der Geschichte der Berliner Unterwelten als Drehort auseinandergesetzt?

Wenn man Berlin und seinen Menschen wirklich näher kommen will, muss man U-Bahn fahren. Das ist nicht immer schön, aber immer echt. Im Grunde war es höchste Zeit, den Untergrund als Hintergrund für einen Berliner "Tatort" zu nutzen.
Die Unterwelt, das Oben und Unten in unserem Film ist ja auch metaphysisch gemeint. Wie der Mensch, so hat auch eine Stadt Abgründe, Geheimnisse, und verborgene Seiten. Und Berlin mit seiner Geschichte, von den gigantomanischen Stadtbauplänen der Nazis, der geteilten Front-Stadt, dem Kalten Krieg, bis zur Wiederauferstehung nach dem Mauerfall, spielt immer eine große Rolle – auch die Architektur. Und so ist es auch kein Zufall, dass ein Baulöwe das Mordopfer in dieser Geschichte ist. Unter dem Pflaster liegt nicht nur Sand, da liegen auch eine Menge Geheimnisse. Die Vorstellung, dass es Menschen gibt, die mitten "unter" uns leben, in einer parallelen Unterwelt sozusagen, hat mich fasziniert. Wenn sich Ritter durch das Labyrinth der Unterwelt kämpft, ist das ein klassisches, fast mythologisches Bild. Ein Mann auf der Suche. Aber nach was, nach wem? Anfänglich weiß es Ritter ja selber nicht. Die Begegnung mit dem jungen Sozialarbeiter Daniel und schließlich mit dem Unterweltkünstler Gregor ist für Ritter auch eine Begegnung mit sich selbst: Hier der junge Mann, mit der Vision, die Welt besser zu machen, dort der vergeistigte Typ, der sich befreit, abgelöst hat vom Rest der Menschheit. Zwei Lebensentwürfe, zwei mögliche Mörder. Das ist eine spannende Konstellation. Vor allem das Finale, der Wechsel von oben nach unten, die Montage zwischen Ritter und Stark, das ist sehr filmisch erzählt und gehört zum Besten, was wir bisher gemacht haben.

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