Interview mit Axel Milberg zu dem "Tatort: Mann über Bord"

Das Erste: Der "Tatort: Mann über Bord" entstand durch Ihre Anregung, dass die Fähren, die von Kiel aus nach Skandinavien fahren, auch mal Schauplatz einer Ermittlung sein könnten. Ihr Stichwort dabei war Agatha Christies Klassiker "Tod auf dem Nil". Wie viel Einfluss haben Sie auf die Entwicklung des Projektes genommen?
Axel Milberg: "Tod auf dem Nil" war sozusagen das Code-Wort für diese Idee: ein Mord auf einem Schiff, der Kreis der Verdächtigen ist natürlich der Kreis der Passagiere und der Kommissar untersucht an Bord die Vorfälle. In Kiel ist so ein Fall geradezu ein Muss. Diese Anregung war ein Gedankenspiel, ich glaube ursprünglich von der Regisseurin während der Dreharbeiten eines Tatorts. Die Producerin Martina Mouchot hat das Drehbuch dann gemeinsam mit der Autorin Dorothee Schön entwickelt.

Herrschte bei den Dreharbeiten auf der Fähre, auf See eine besondere Atmosphäre?
Schon. So eine Fähre ist eine Stadt für sich, eine Welt für sich. Ich war vor allem sehr neugierig, weil ich bislang nur einmal, ich glaube es war 1973, mit dieser Fähre gefahren bin. Damals sind wir, die erste und zweite Junioren-Mannschaft vom Tennisclub Kiel-Düsternbrook, zu einem befreundeten Tennisverein in Göteborg über die Ostsee geschippert. Heute war alles sehr propper. Die Dreharbeiten an Bord waren völlig unproblematisch.

Sind Sie seefest?
Als Jugendlicher bin ich schnell seekrank geworden, aber heute bin ich seefest. Ich segle sehr gern, mit Vorliebe auf dem Ammersee.

Drehfreie Tage beim "Tatort" nutzen Sie nicht für kleine Segeltouren?
Ich habe keinen drehfreien Tage beim "Tatort"! Der Kommissar ist immer dran (lacht)! Das Einmalige an Kiel ist aber natürlich, dass die Stadt sich um die Förde herum legt und viele Badebuchten hat. Mit dem Boot unterwegs zu sein und über Nacht in Dänemark oder Schweden anzulegen, entspannt ungemein.

Wie waren die Dreharbeiten an den wunderbaren Motiven in Schweden, wie den Schäreninseln?
Sehr schön, aber zum Teil so irrsinnig kalt, dass ich dachte, ich würde im Sommer gerne noch mal wieder kommen - wobei es dann von Mücken wimmeln soll, habe ich gehört (lacht).

In "Mann über Bord" spielen drei sehr bekannte schwedische Schauspieler mit: Peter Haber, der u.a. als "Kommissar Beck" Erfolge feiert, die ehemalige Ingmar Bergmann-Schauspielerin Ewa Fröling und Ingar Sigvardsdotter, die bei uns z.B. in "Die Rückkehr des Tanzlehrers" zu sehen war. Wie war die Zusammenarbeit mit Ihren schwedischen Kollegen?
Ich war überwältigt von Ewa Fröling. Das ist ein Gesicht, in dem man stundenlang mit den Augen spazieren gehen könnte! Als mir jemand sagte, das sie die Mutter in dem Film "Fanny & Alexander" spielte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, denn ich fand schon vor 25 Jahren, als der Film erschien, dieses Gesicht so bemerkenswert. Ich habe mich auch sehr gefreut, Peter Haber kennenzulernen, der mir in einem sehr guten Deutsch von seinen deutschen Vorfahren erzählte. Grundsätzlich spielten die schwedischen Kollegen sehr ernsthaft und tief.

In diesem Film ermittelt Kommissar Borowski erstmals ohne seinen Assistenten. Haben Sie die Figur anders angelegt, das Verhältnis zu seinen Kollegen anders gewichtet?
Ja, weil mit diesem Film die Figur der Psychologin Frieda Jung aufgewertet wurde. Ich habe mehr Szenen mit ihr. Sie tritt nicht nur im Präsidium auf, sondern ist auch beim Sichern von Beweisen und dem Vernehmen von Verdächtigen und Zeugen dabei. Deshalb gibt es in diesem Film viel mehr Geplänkel, Nettigkeiten und lustige Szenen, als mit meinem Assistenten. Es war mir ein Bedürfnis, die Figur Klaus Borowski auch mal heller, freundlicher anzulegen. Das bot sich bei dieser Geschichte auch an. Wenn so herrliche Frauen um einen herum sind, guckt man schon anders aus der Wäsche!

Warum ziert sich Kommissar Borowski zunächst, die Psychologin Frieda Jung stärker in den Fall einzubinden?
Ich habe das Gefühl, das er das eine sagt und das andere fühlt. Er kann noch nicht ganz von der "Das sind meine Sandförmchen und meine Spielsachen"-Haltung lassen. Er freut sich aber, als sie an Bord kommt.

Auf der anderen Seite kann er die Überraschung kaum verhehlen, als er erfährt, dass Frieda Jung verheiratet ist.
Wenn das nicht nur eine Retourkutsche von ihr ist, um ihm eines zwischen die Hörner zu geben! Ich glaube ihr das nicht ganz. Ich muss mir wohl mal die Personalakte kommen lassen (lacht).

Über den Fall ist er fast schon erfreut. Wenn er "Mein erster Fall von Bigamie" sagt, hat das etwas Begeistertes.
Ihm geht es wie vielen Menschen, die ein Doppelleben fasziniert, weil wir es schwer aushalten, nur ein einziges Leben zu haben. Wenn man ehrlich ist, fragt sich doch jeder Mal in einem Tagtraum: was wäre, wenn ich ein anderes Leben führte, mit anderen Menschen, einer anderen Familie, in einer anderen Stadt? Wir kennen das ja aus der Wirklichkeit. Bei uns am Ammersse gibt es eine Familie von Charles Lindbergh - meine Schwiegereltern und meine Frau kennt sie sogar. Charles Lindbergh hatte ja nicht nur eine sehr kinderreiche Familie in Amerika, sondern in Deutschland eine Familie mit drei Kindern, was erst seit wenigen Jahren bekannt ist – übrigens den Kindern selbst auch – und in der Schweiz auch noch eine Familie. Er hat also sogar ein mehrfaches Doppelleben geführt.

Würden Sie inzwischen mit Klaus Borowski einen Kaffee trinken gehen?
Ich finde Klaus Borowski schon interessant. Ich widerrufe meine frühere Aussage, mit ihm kein Bier trinken zu wollen. Entweder habe ich mich ihm angenähert, er sich mir oder es bleibt die Freude an den Unterschieden zwischen uns. Ich finde es auch prickelnder, wenn zwischen der Figur und mir ein Unterschied besteht. Ich unterhalte mich gerne, bin freundlich und entspannt - das gelingt Borowski nur mit Unterbrechungen.

Sie setzen sich in Kiel auch als Schirmherr des Ronald McDonald-Hauses für Familien mit schwer kranken Kindern ein.
Ich finde es wichtig, meine Popularität für Kinder einzusetzen. Da mein Elternhaus um die Ecke des Ronald McDonalds-"Elternhauses" war, lag dieses Engagement nahe.

Was können Sie über den nächsten "Tatort – Das Ende des Schweigens" (AT) verraten, den Sie bis Ende Mai in Kiel gedreht haben?
Kommissar Borowski untersucht den Fall einer verschwundenen Frau und deckt dabei eine Familientragödie auf. Die Regie führt Buddy Giovinazzo, mit dem ich schon immer arbeiten wollte. Es war eine besonders inspirierende und stille, konzentrierte Zusammenarbeit, bei der uns manches geglückt ist, was sonst nicht gelingt.

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