Interview mit Ursula Karven zum Tatort: Schattenspiel

Das Erste: Dies ist Ihr dritter Tatort in Hamburg. Haben Sie sich gut eingelebt?
Ursula Karven: Ja und nein. Ich persönlich habe mich wunderbar eingelebt. Ich verehre alle Schauspieler, mit denen ich dort arbeite, alle Regisseure, die mit uns gedreht haben, und auch die Redakteurin Doris Heinze, die wirklich unterstützt und sehr offen ist. Die Arbeit in Hamburg macht mir großen Spaß. Als Staatsanwältin muss ich sagen, Wanda Wilhelmi hat sich noch nicht so richtig eingelebt. Dadurch, dass sie sich in Frank Casstorff verliebt hat, hat sie sicherlich ein Stück ihrer Objektivität eingebüßt. Das ist keine leichte Situation für sie. Sie ringt um ihre Unabhängigkeit und ihre Neutralität.

Die Wilhelmi und Casstorff sind offensichtlich sehr verknallt; sie treffen sich regelmäßig nach Dienstschluss. Werden die beiden am Ende doch noch ein ganz normales Paar mit einer geordneten Beziehung?
Ich glaube, eine normale Beziehung lässt diese Kombination gar nicht zu. Aber was ist schon normal? Die beiden werden versuchen, im Beruf ihre Eigenständigkeit und Handlungsfreiheit zu wahren und sich privat doch hinzugeben und ihre Gefühle zu leben.

Die anfangs noch strikte Trennung von Beruflichem und Privatem scheint aber durchlässiger zu werden ...
Es ist für beide eine schwierige Situation. Sie haben beide Neuland betreten, es gibt noch keine gerade Linie. Durch Erfahrung und durch das Ausleben dieser Schwierigkeiten müssen sie einen Weg finden, mit der Situation umzugehen, und das natürlich auf beruflicher und privater Ebene.

Die Wilhelmi suspendiert Holicek vom Dienst, ohne mit Casstorff vorher darüber zu sprechen.
Wanda Wilhelmi ist Casstorffs Vorgesetzte und wird daher selbstverständlich auch dann unangenehme und harte Entscheidungen treffen, wenn Casstorff direkt oder indirekt betroffen ist. Sie entscheidet hier natürlich absolut richtig und angemessen, Holicek ist betrunken im Dienst, das ist nicht tragbar. Aber aus ihrem kühlen Auftreten in diesem Moment, das in gewisser Weise ja auch Casstorff gilt, spricht vielleicht auch ein wenig das Ringen um ihre Unabhängigkeit.

Wie ist denn eigentlich Wanda Wilhelmis Verhältnis zu Holicek?
Komplett neutral. Sie bemerkt natürlich, dass er empfindlich ist und vielleicht auch ein bisschen eifersüchtig. Schließlich beansprucht sie Zeit und Aufmerksamkeit von Frank Casstorff, die früher auch ihm zugute gekommen wären. Das weiß sie selbstverständlich, aber sie begegnet diesem Kollegen von sich aus neutral und geht davon aus, dass man lernen wird, mit der Situation umzugehen.

Der Film "Schattenspiel" rückt die desolate Lage von Abschiebehäftlingen in den Blick. Die Wilhelmi muss dieses Problem nüchtern betrachten. Wie sieht ihre Darstellerin es?
Ich als Mensch bin natürlich weitaus emotionaler als die Staatsanwältin. Ich bin entsetzt, wenn ich andere Menschen sehe, die wegen lächerlicher Dinge abgeschoben werden sollen. Selbstverständlich weiß ich, dass dieses Problem sehr komplex ist. Aber es wäre mir persönlich nur sehr schwer möglich, das Problem unabhängig von den betroffenen Menschen zu sehen. Die Staatsanwältin bleibt persönlich auch nicht unberührt von diesem Thema, aber sie ist durch ihren Beruf dazu gezwungen, Objektivität zu wahren.

Casstorff nimmt besonders das Schicksal des jungen Marihuana-Züchters persönlich mit, und er bittet Wanda, sich für ihn einzusetzen. Würde sie ihm zuliebe auch die Gesetze, sagen wir – ein wenig dehnen?
Ich glaube, das ist genau Wandas Dilemma. Wie weit kann sie sich ihre Objektivität bewahren, wenn sie mit diesem Mann zusammen ist? Das ist genau ihr Kampf. Natürlich hätte sie geholfen, wenn sie gekonnt hätte. Und wenn es ihr eigener Fall gewesen wäre, hätte sie vielleicht auch noch stärker nach einem gangbaren Weg gesucht. Aber sie ist eben die Staatsanwältin und das heißt, dass sie die Gesetze sehr ernst nimmt und respektiert. Sie hält sich selbst an die Vorschriften und erwartet genau das auch von anderen. Sie lässt sich nicht durch Gefühle korrumpieren.

"Schattenspiel" wurde von einer Frau inszeniert. Macht es für Sie einen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann Regie führt?
Nein, meiner Erfahrung nach gibt es da keinen Unterschied. Obwohl ich sehr gern mit Frauen arbeite. Egal, ob die Regie weiblich oder männlich besetzt ist, in der Arbeit zählt letztlich immer nur, ob jemand professionell ist. Und Claudia Garde ist sehr professionell. Sie hat eine absolut gefestigte Vorstellung von ihren Charakteren und ist perfekt vorbereitet. Sie weiß schon vor dem Dreh genau, was sie erreichen will und besitzt auch die Fähigkeit, für das zu kämpfen, was ihr wichtig ist. Und das mit der exakt richtigen Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Genau das zeichnet einen guten Regisseur aus. Ich habe wahnsinnig gern mit ihr gearbeitet.

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