3 Fragen an Kriminaldirektor Peter Egetemaier

Auf Viktor Baumann (Roman Knižka) wurden Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) wegen einer früheren Anzeige aufmerksam, die zurückgezogen wurde. Er findet zu Recht, dass die hätte gelöscht sein müssen und will keine DNA-Probe abgeben.
Auf Viktor Baumann wurden Friedemann Berg und Franziska Tobler wegen einer früheren Anzeige aufmerksam, die zurückgezogen wurde. Er findet zu Recht, dass die hätte gelöscht sein müssen und will keine DNA-Probe abgeben. | Bild: SWR / Benoit Linder

Lieber Herr Egetemaier, Sie waren Leiter der Kriminalpolizei in Freiburg und sind in diesem Sommer in den Ruhestand gegangen. In Ihrer aktiven Zeit haben Sie sich immer wieder für die Einführung der erweiterten DNA-Analyse in Deutschland eingesetzt. Wenn Sie zurückblicken, was waren Ihre Gründe dafür? Was bedeutet die erweiterte Merkmalsanalyse für die Polizeiarbeit ganz konkret? In welchem Fall Ihrer Karriere hätte sie die Ermittlungsarbeit entscheidend beschleunigt oder weitergebracht?

Wir haben uns schon lange gewünscht, dass wir bei der Untersuchung von Täter-DNA die gleichen Möglichkeiten bekommen wie unsere Kolleginnen und Kollegen im europäischen Ausland. In den Niederlanden, Frankreich, Schweden oder Spanien arbeitet man schon seit Jahren mit erweiterten DNA-Analysen, die die Vorhersage äußerer Körpermerkmale und des Alters möglich machen. Die außergewöhnliche Situation, in der wir uns im Herbst 2016 mit zwei ähnlich gelagerten Mordfällen und deren Aufklärung Monate später befanden, haben wir in der Medienarbeit intensiv genutzt, um für diese Gesetzesänderung zu werben. Unsere Argumentation ging in zwei Richtungen: erstens wären wir in vielen Fällen wesentlich schneller zu Ermittlungserfolgen gekommen, weil wir eine Vielzahl mutmaßlich Verdächtiger gar nicht hätten überprüfen müssen und zweitens wären gerade bei der Arbeit unserer Sonderkommissionen viele Personen gar nicht intensiv überprüft worden, wenn wir gewusst hätten, dass sie aufgrund des Täterprofils nicht infrage kommen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Den 55-jährigen Winzer, auf den ein Hinweis bei der »Soko Dreisam« eingegangen ist, hätten wir nicht belästigen müssen, wenn klar gewesen wäre, dass wir einen wesentlich jüngeren Täter suchen.Dieser "Tatort" zeigt ja auch eindrücklich, welche Auswirkungen kriminalpolizeiliche Ermittlungen auf Betroffene haben können.

Durch welche Maßnahmen muss denn die Merkmalsauswertung flankiert sein, wie sieht das in der praktischen Arbeit der Kriminalpolizei aus? Es gab und gibt ja auch Gründe dafür, dass das in Deutschland bis Ende letzten Jahres gesetzlich enger gehandhabt wurde.

Über manche Kommentare zur beabsichtigten Gesetzesänderung habe ich mich sehr geärgert. Sozialwissenschaftler, Datenschützer und Juristen haben vor allzu viel Vertrauen in die Untersuchungsmethode gewarnt und rechtliche, ethische und soziale Risiken gesehen. Ich sage, es beleidigt die Intelligenz der Ermittlungsbehörden, wenn man unterstellt, dass wir uns bei entsprechenden Ergebnissen ausschließlich und blindlings auf Vorhersagegenauigkeiten zwischen 70 % (Haarfarbe) und 95% (Hautfarbe) verlassen. Auch die erweiterte DNA-Analyse ändert ja nichts daran, dass wir bei unserer Arbeit immer noch sämtliche be- und übrigens auch entlastenden Faktoren zu ermitteln haben, bevor es dann zu einer Anklage und der Verurteilung des Täters kommt. Auch wir glauben nicht an scheinbar unfehlbare wissenschaftliche Ergebnisse. Ich habe in diesem Zusammenhang stets vom »stummen Zeugen« gesprochen, auch vermeintlich eindeutige Zeugenaussagen müssen wir stets mit einem kleinen Fragezeichen versehen und sie durch weitere Ermittlungen verifizieren. Im Übrigen kommt diese Maßnahme ja nur bei schweren Delikten (Sexual- und Tötungsdelikte) zum Tragen.

Der "Tatort – Rebland" war schon gedreht, als zum Jahreswechsel 2019 / 2020 ist die erweiterte DNA-Analyse im Hinblick auf bestimmte Merkmale auch in Deutschland legal wurde. Wirkt sich denn die Gesetzesänderung auch auf die DNA-Entnahme aus?

Nein, überhaupt nicht. Die entsprechenden Rechtsvorschriften in der Strafprozessordnung (StPO) gab es schon vorher. Auch für andere körperliche Untersuchungen wie z.B. die Blutentnahmen brauchte es grundsätzlich schon immer eine richterliche Anordnung, Man hat jetzt lediglich den »DNA-Paragraphen« (§ 81e StPO) erweitert. Die Abgabe von DNA ist ja im Grundsatz freiwillig*, Auswertung und Vergleich von DNA wiederum sind nur möglich – wie der Film ja auch durchspielt – , wenn das Material dazu auch vorliegt.

* ANMERKUNG* das ist so nicht richtig. Es geht auch bei der DNA-Entnahme darum, dass sie bei einem »Beschuldigten« erfolgt, also einer Person, gegen die es einen Verdacht gibt. Freiwillig, wie im Film, ist die Abgabe der DNA bei einer Reihenuntersuchung, also einem »Massentest«, bei dem zahlreiche Personen, oft mehrere hundert, gebeten werden, mitzumachen, obwohl sie nicht konkret verdächtigt werden.

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Der "Tatort"