Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke

Falke (Wotan Wilke Möhring) möchte Jon (Alois Moyo) gern helfen.
Falke möchte Jon gern helfen. | Bild: NDR / O-Young Kwon

Die Figur Thorsten Falke

Normalerweise sind die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ja nicht so begeistert, wenn Thorsten Falke und Julia Grosz aufkreuzen und das Ruder übernehmen. Das kennt Falke schon. Aber hier in Hannover sind die lokalen Beamten sehr aufmerksam. Im Kühlschrank steht sogar Milch für Falke breit. Na ja, H-Milch. Aber sein Ruf scheint ihm vorausgeeilt zu sein. Nicht so begeistert ist Falke, dass der Dienststelle Formalitäten wichtiger zu sein scheinen als die Anliegen der Menschen. Unklarer Aufenthaltsstatus hin oder her – wenn jemand sein Kind vermisst, dann hilft man, auch wenn es eigentlich um den Fall eines toten Flüchtlings geht. Etwas unsicher ist er im Umgang mit den Eltern und Freunden des vermissten Noah dann aber doch manchmal. Als Gegenleistung für Hilfe und Informationen bei den Ermittlungen fällt ihm vor allem ein, „Duldung“ anzubieten. Die Reaktion ist jedes Mal wenig begeistert. Aber Falke kann zuhören, auch über das Interesse am Fall hinaus. So erarbeitet er sich bei aller anfänglichen Skepsis das Vertrauen vor allem von Noahs Vater Jon. Vertrauen, das merkt er, ist unter den geflüchteten Menschen, die unter ihrer Unsichtbarkeit leiden und die Sichtbarkeit fürchten, die härteste Währung. Und dieses Vertrauen ist viel wichtiger als den pedantischen Kollegen in Hannover jede Einzelheit auf die Nase zu binden.

Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke

Ihr neuer „Tatort“ erzählt von Geflüchteten, die in Deutschland im „Verborgenen“ leben, weil sie keine Papiere haben. Warum werden diese Menschen von den Behörden als Illegale bezeichnet?

Um diese Fragen beantworten zu können, habe ich mich im Vorfeld natürlich mit dem Thema beschäftigt und auch mit Bundespolizisten darüber gesprochen. Es reicht schon aus, wenn ein Pass oder ein Visum abgelaufen ist, um zu den Illegalen zu zählen. Illegal klingt nach Untertauchen, sich Verbergen, das trifft für den Großteil der Menschen ohne gültige Papiere aber überhaupt nicht zu. Unsere beiden Protagonisten Hope und Jon aus Simbabwe sind als Touristen eingereist und nach Ablauf ihrer Visa einfach im Land geblieben. Weil sie in ihrer Heimat politisch aktiv gewesen sind, gibt es für sie kein Zurück mehr. Sie haben sich aus verschiedenen Gründen nicht um einen Aufenthaltstitel bemüht und sich mit der Zeit in Deutschland irgendwie eingerichtet, wo sie ein Leben ohne Rechte und Pflichten führen, weil sie keine „Bürger“ oder als Asylberechtigte anerkannte Personen sind.

Im Krimi geht es um Schleuserbanden, illegale Beschäftigung und das Verschwinden eines Jungen – müssen die Kommissare drei Fälle lösen?

Die Bundespolizei ist zuständig, weil in einem führer - losen Lkw die Leiche eines Flüchtlings gefunden wurde. Dessen Identifizierung erweist sich als schwierig, denn das Opfer hat sich absichtlich die Fingerkuppen abgeschliffen, um genau das zu verhindern. Das ist ein wichtiger Punkt: Unser Asylrecht schützt Menschen aus humanitären Gründen, etwa weil sie in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden. Wenn jemand ohne belegbare Gründe einreist, ohne seine Identität preiszugeben, dann verschafft er sich im ersten Moment vielleicht einen Vorteil, weil er seine Abschiebung verhindert. Aber mit der Verschleierung seiner Identität beraubt er sich zugleich aller Rechte und ihn erwartet oft nichts anderes als den illegalen Arbeitsmarkt. Im Film schließlich meldet der verzweifelte Jon – trotz seines illegalen Aufenthalts – seinen Sohn als vermisst. Der Junge hat unter gefährlichen Bedingungen für eine Abrissfirma gearbeitet.

Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) lässt Jons (Alois Moyo) Schicksal nicht unberührt.
Thorsten Falke lässt Jons Schicksal nicht unberührt. | Bild: NDR / O-Young Kwon

Wie ermittelt Falke in dieser Schattenwelt?

Falke erkennt, dass die Welt der Papierlosen zunächst für ihn verschlossen ist. Weil er automatisch dem System der Abschiebung zugeordnet wird. Falke erhält nur auf dem privaten Weg einen Zugang in dieses Milieu, weil er sich mit Jon als sorgendem Vater gut versteht. Umgekehrt macht sich Jon mit Hilfe einer List unabdingbar für den Kommissar. Dahinter steht sein Kalkül: Wenn ich Falke unterstütze, eine Straftat aufzuklären, dann bringt mir das einen positiven Eintrag in meine Asylakte ein, und außerdem ist er die einzige Chance, meinen Sohn zu finden.

Ist Falke hier weniger als Kommissar und mehr als Mensch gefragt?

Falkes Vorteil ist, dass Jon in ihm einen Guten sieht. Er ist zwar eine Person der Obrigkeit, aber Jon erkennt, dass der Kommissar an ihm und seinem Leben wirklich interessiert ist und ihm zuhört, wenn sie im Restaurant zusammen essen. Falke ist selbst Vater und kann die Not des Mannes nachempfinden, der seine Heimat verloren hat und jetzt auch noch seinen Sohn vermisst. Er ist keiner, der sagt, das geht mich nichts an, ich tu hier bloß meine Pflicht.

Steht Falke der Polizei in diesem Fall kritisch gegenüber?

So kritisch wie es sein muss, um eine Art Mittlerfunktion zwischen den beiden Welten einzunehmen. Wenn Falke die Wahrheit herausfinden will, dann muss er den Flüchtlingen als Mensch begegnen, dann muss er echt sein, um vorsichtig eine Tür nach der anderen zu öffnen. Deshalb teilt er dem Leiter der örtlichen Polizeidienststelle seine Ermittlungsergebnisse erst gar nicht mit. Der Kollege würde sie wahrscheinlich anders interpretieren und anders benutzen. Doch eines sollte man nicht außer Acht lassen: Bei aller Menschlichkeit ist Falke ein Terrier, der für das Recht kämpft, egal, welche Seite dagegen verstößt.

Hat dieser Film ein starkes politisches Anliegen?

Ich will das gar nicht politisch bewerten. Für mich war es wichtig zu zeigen: Es gibt diese Menschen, und es sind viele! Der Bauarbeiter, die Küchenhilfe, der Taxifahrer, der Pfleger, die Putzfrau, wir sind umgeben von Papierlosen, die illegal beschäftigt sind, in Unternehmen, die weder einen ordentlichen Lohn bezahlen noch Sozialabgaben entrichten. Sie sind die Profiteure dieser inhumanen Situation! Einerseits verurteilt der Bürger alles, was mit illegaler Einwanderung zu tun hat, andererseits ist er im Alltag vollkommen abhängig von diesen Menschen. Sie leben im Verborgenen, auch weil wir nicht hingucken. Wir wollen zum Teil ihre Probleme nicht sehen. Falke sagt am Schluss zu Jon: Ich sehe dich. Du bist für mich da! Es ist für alle Menschen das Wichtigste, sichtbar zu sein.

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