SENDETERMIN So., 07.04.24 | 18:30 Uhr | Das Erste

Afghanistan/Russland – Wer steckt hinter den ISPK-Terroristen?

PlayProvinz Khorasan auf einer Karte
Afghanistan/Russland – Wer steckt hinter ISPK-Terroristen? | Bild: NDR

Der Anschlag auf die russische Konzerthalle, bei dem mehr als 140 Menschen ums Leben kamen, hat die Terrorgruppe ISPK ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Der selbsternannte "Islamische Staat Provinz Khorasan" hat die brutale Tat für sich reklamiert. Bisher ist dieser Ableger des IS in Europa noch nicht in Erscheinung getreten, obwohl Experten seit längerem vor der Brutalität dieser 2015 gegründeten Gruppe warnen. Wer steckt hinter dem ISPK? Wie gefährlich sind die Terroristen? Wie viele Schläfer des ISPK befinden sich in Europa? Welche Gefahr geht vom ISPK für die Oympischen Spiele im Sommer und die Fußball-Europameisterschaft aus? Der Weltspiegel fasst die bekannten Erkenntnisse in einer umfassenden Analyse zusammen.

Schlimme Nachrichten liest Yama Waziri von der Flüchtlingshilfe "First Contact" über Afghanistan, von wo seine Familie einst nach Hamburg floh. In der alten Heimat sorgen nun erneut Islamisten für Angst und Schrecken. "Natürlich bin ich wie jeder andere Migrant, der aus der Region kommt, sehr besorgt. Egal wer 'das Boot beschädigt', welche Organisation auch immer, alle Menschen unter einem Klischee betrachtet werden: Alle Ausländer sind irgendwie Islamisten und Radikale."

Terror in Moskau: Spuren führen nach Afghanistan

Nach dem Terror in Moskau führen Spuren auch nach Afghanistan, was Waziri nicht überrascht. "Der IS Khorasan ist wirklich eine sehr kleine Organisation damals gewesen – wie die anderen 25 terroristischen Organisationen auch. Aber diese kleinen Organisationen sind immer in der Lage, großen Schaden anzurichten."

Seit 2015 verübt der zentralasiatische Ableger des Islamischen Staates Gräueltaten in der Region. Zugeschrieben werden dem IS-Khorasan Attacken auf afghanische Schulen und den Flughafen in Kabul mit mehreren 100 Toten. Anfang dieses Jahres zündeten die Terroristen Sprengsätze bei einer Gedenkfeier im Iran, mehr als 80 Menschen starben. Ein halbes Jahr vorher hatten sie eine Wahlkampfveranstaltung in Pakistan angegriffen und mehr als 60 Menschen getötet.

In Pakistans Hauptstadt Islamabad wird die Entwicklung des IS-Khorasan mit Besorgnis verfolgt. Von einer regionalen Gruppierung sei dieser zu einer globalen Bedrohung mutiert, sagen pakistanische Experten. Qamar Cheema, Terrorismus-Experte vom Sanober Institut: "Ihre Spuren führen in die die ganze Welt. Sie haben keine Kontrolle über ein klar umrissenes Gebiet. Sie sind rein ideologiegetrieben. Sie wollen an allen möglichen Orten ihr islamisches Kalifat errichten, das eine radikale Form des Islam verwirklichen soll.“

US-Geheimdienste sollen vor Terrorplänen gewarnt haben

Jungen mit Gewehren.
Mit inszenierten Propagandavideos wird Nachwuchs rekrutriert. | Bild: NDR

Die Terrorgruppe Islamischer Staat Khorasan, benannt nach der historischen Provinz, die von Turkmenistan und dem Iran im Westen bis nach Tadschikistan reichte. Von dort sollen die Attentäter des Moskauer Terrors stammen. Russland wurde mutmaßlich auch zum Ziel, weil Putin das den Islamisten verhasste Assad-Regime in Syrien stützt. US-Geheimdienste sollen schon Anfang März vor Terrorplänen des IS-Khorasan in Russland gewarnt haben. Das dortige Staatsfernsehen zeigte am 7. März Bilder des Inlandsgeheimdienstes FSB, die liquidierte Terroristen aus Tadschikistan zeigen sollen. Angeblich hatten diese Männer einen Anschlag auf eine Synagoge geplant.

In den unwegsamen Schluchten des Grenzgebiets zwischen Pakistan und Afghanistan soll der IS Khorasan junge Männer ausbilden – und mit inszenierten Propagandavideos über das Internet Terrornachwuchs rekrutieren. Experten schätzen die Gruppe auf zwischen 2.000 und 6.000 Islamisten, darunter auch übergelaufene Taliban.      "Es ist der Ableger des gesamten globalen IS-Netzwerkes, der sich sehr spezifisch auf Anschläge im Ausland, insbesondere in Europa, auch hier in Deutschland, spezialisiert hat", sagt Hans-Jakob Schindler vom "Counter Extremism Project".

Nachrichtendienste tauschen sich aus

Mit Sorge schaut Europa auf den Sommer. Werden die Olympischen Spiele in Paris zum Ziel von Terroristen? Und wie lassen sich die Feste der Fußballfans bei der Europameisterschaft in Deutschland schützen? Schließlich wurden auch hier bereits mehrfach Terrorzellen des IS-Khorasan verhaftet – die Hinweise kamen mutmaßlich von US-Geheimdiensten. "Also die gute Nachricht ist zunächst mal: Diese Verhaftungen in den letzten acht Monaten kamen alle aufgrund von internationaler Kooperation zustande. Also der Informationsaustausch funktioniert. Weiterhin gibt es für sportliche Großereignisse wie die EM oder die Olympischen Spiele fest eingeübte Kooperationsmechanismen, die lange vor dem Ereignis schon anfangen und bei dem alle beteiligten Staaten und Nachrichtendienste zusammenkommen und sehr detaillierte Erkenntnisse austauschen und Sicherheitskonzepte zu entwickeln. Deutschland ist hier nicht alleine und die Franzosen sind nicht allein wenn es um die Olympischen Spiele geht", sagt Schindler.

Um zu verhindern, dass es weitere Terroristen des IS-Khorasan nach Europa schaffen, müssen sich die Geheimdienste womöglich auch mit den antiwestlichen Taliban austauschen. Denn Afghanistans radikalislamische Machthaber wollen die noch extremeren Konkurrenten vom Islamischen Staat vermutlich auch gern wieder loswerden.

Autor: Stefan Niemann, NDR Hamburg      

Stand: 07.04.2024 19:29 Uhr

2 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 07.04.24 | 18:30 Uhr
Das Erste

Produktion

Norddeutscher Rundfunk
für
DasErste