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Ukraine – Jana Stepanenko: Mit Willenskraft in ein neues Leben ohne Beine

PlayEin Mädchen wird von einem Arzt getragen.
Jana Stepanenko: Mit Willenskraft in ein neues Leben | Bild: NDR

Mittlerweile ist Jana Stepanenko fast 13 Jahre alt und lebt in Lviv im  Westen der Ukraine. Doch ihre alten Schulfreunde aus Kramatorsk trifft sie jeden Tag – online – im Schul-Unterricht am Computer. Sie will den Kontakt unbedingt halten, obwohl die meisten längst woanders leben. Denn Kramatorsk gerät immer wieder unter Beschuss. "Manchmal finde ich es schon traurig, dass ich hier alleine sitze. Aber ich will noch nicht wirklich in die Schule gehen. Ich weiß einfach nicht, wie die Kinder reagieren würden."

Russischer Raketenangriff: Jana verliert beide Beine

Denn über das, was damals geschah vor genau zwei Jahren, will Jana am liebsten nicht reden. Rückblick: Jana verliert bei dem Anschlag beide Unterschenkel, auch das linke Bein ihrer Mutter muss unterhalb des Knies amputiert werden. Ihr Zwillingsbruder Jaroslaw hat Glück. Er ist im Hauptgebäude als die russischen Raketen einschlagen. Ein Arzt trägt Jana auf Händen. Das Bild geht um die Welt. Jana wird nach San Diego ausgeflogen, bekommt dort Prothesen. Langsam lernt sie wieder laufen. Schritt für Schritt kämpft sie sich zurück ins Leben. Ganz wichtig dabei ihr Zwillingsbruder, der immer an ihrer Seite ist.

Doch für Familie Stepanenko steht fest, sie wollen zurück in ihre Heimat, in die Ukraine. Ihr Heimweh sei zu groß gewesen, erzählen sie. "Ich wollte unbedingt nach Hause, auch wegen meiner Freunde, die mir sehr nah sind. Ich bin in der Ukraine ausgewachsen. Amerika war cool, sogar großartig. Aber die Ukraine finde ich einfach besser", sagt Jana. Und ihre Mutter Nataliya Stepanenko fügt hinzu: "Als uns mitgeteilt wurde, wann sie entlassen wird und wir nach Hause können, habe ich schon fünf Monate vorher unsere Koffer gepackt."  

Mit Prothesen begann ein neues Leben

Ein Mädchen mit Prothesen
Janas trainiert mit viel Ehrgeiz. | Bild: NDR

Doch in ihr altes Zuhause können sie nicht. Natalyia zeigt auf ihrem Handy warum. "Hier ist alles zusammengestürzt. Völlig zerstört durch Raketen im Februar. Das hier war unser Haus." Geblieben sind nur Trümmer. Die russische Armee rückt immer weiter vor. Da russische Soldaten an mehreren Frontabschnitten angreifen muss sich Familie Stepanenko darauf einstellen, erst einmal in Lviv zu bleiben. "So lange wir hier bleiben, ist alles gut. Wir fühlen uns sicher. Allerdings wenn Alarm ausbricht, zucke ich innerlich. Und die Angst von damals vor den Raketen kommt gleich wieder hoch", sagt Nataliya Stepanenko.

Jana blendet das aus – so gut sie kann. Sie konzentriert sich darauf, Kraft aufzubauen, wieder eigenständig zu werden. Auch heute ist sie mit ihrer Mutter auf dem Weg zum Training. Mit ihren Prothesen begann ein neues Leben. Ihre ersten Schritte werde sie nie vergessen. "Ich bin so froh, dass ich nicht nur wieder gehen, sondern auch laufen kann. Denn es war so schwer mit dem Rollstuhl. Selbst nach draußen zu gehen. Jetzt kann ich wieder selbstständig überall hin alleine gehen."

Janas Ziel: der Boston Marathon

Im größten Rehazentrum der Ukraine "Unbroken", aufgebaut mit der deutschen Partnerstadt Freiburg, trainiert sie. Tausende Kriegsverletzte werden hier behandelt. Der Bedarf ist riesig. Eine große Aufgabe, die auf die ukrainische Gesellschaft zukommt. Janas Therapeut Vsevolod Drebot weiß, dass sie große Ziele hat. Sie will den Boston Marathon laufen. "Wir arbeiten gerade an Janas Ausdauer, damit sie fünf Kilometer beim Marathon schaffen kann. Das ist das Ziel, das sich Jana selbst gesteckt hat. Wir machen Aufbautraining für die Muskeln und arbeiten an ihrer Ausdauer und der Koordination. Wir versuchen so viel wie möglich zu laufen."

Mit Sportprothesen trainiert Jana unermüdlich. Sie sei unglaublich ehrgeizig, meint ihr Trainer. Mittlerweile habe sie die Muskeln einer 16-Jährigen. Die Sportprothesen sollen Teil ihres Körpers werden. Noch fällt es ihr allerdings schwer die Balance zu halten. "Es ist viel komplizierter auf diesen Kufen zu laufen, als auf den normalen Prothesen. Da hilft nur Training", sagt Jana. Zunächst läuft alles super. Doch plötzlich spürt Jana Schmerzen. Es sei besser aufzuhören, rät ihr Trainer.  Schweren Herzens bricht sie das Training ab. Zum ersten Mal! Ein kleiner Rückschlag. Für heute muss Jana aufgeben.

Ihre Mutter sieht das gelassen: "Als sie das erste Mal alleine aufstand und alleine lief – dieses Gefühl war unbeschreiblich. Nicht zu vergleichen mit dem Rollstuhl. Sie macht riesige Fortschritte, läuft jeden Tag größere Strecken. Am Anfang waren es 200 Meter, dann 300, 400. Und dabei wächst ihr Selbstbewusstsein." Auch wenn sie heute kürzer treten muss, Jana hält an ihrem großen Ziel fest: dem Boston Marathon. "Ich will es mir einfach beweisen, dass ich nach allem, was ich durchgemacht habe, fünf Kilometer laufen kann. So will ich anderen Kindern zeigen, dass sie das auch schaffen können." Jana will Mut machen, damit auch andere ihren Weg zurück ins Leben schaffen.   

Autorin: Birgit Virnich, ARD-Studio Kiew

Stand: 07.04.2024 19:28 Uhr

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