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Brasilien: Lula, der Herausforderer

PlayLuiz Inacio Lula da Silva bei Rede mit Mikrofon
Brasilien: Lula, der Herausforderer | Bild: picture alliance/dpa/AP | Marcelo Chello

Wenn die Menschen in Brasilien am Sonntag einen Präsidenten wählen, müssen sie sich zwischen zwei extremen politischen Lagern entscheiden. Der amtierende Präsident ist extrem rechts. Sein Herausforderer ein Linker. Der Ex-Gewerkschafter war wegen Korruption verurteilt, saß im Gefängnis und war schon einmal Präsident – damals Hoffnungsträger. Aber ist er das noch immer noch? Wer ist Lula, wer sind seine Anhänger?

Lula da Silva: Politik für die Armen und für Minderheiten

Eine kleine Hymne auf Lula da Silva. Die stimmt Maria de Jesus Oliveira – Spitzname "Tia Zélia" – in diesen Tagen öfter mal an. In ihrem Restaurant im Herzen der Hauptstadt Brasilia. Überall köchelt es. Deftige Küche aus dem Hinterland Brasiliens. Dort, sagt sie, habe Ex-Präsident Lula da Silva, Spuren hinterlassen und viel für die armen Menschen erreicht. "Lula hat mal den Bürgermeister meines Heimatdorfs persönlich angerufen. Und schon 40 Tage später waren wir an das Strom- und Wassernetz angeschlossen." Tia Zélia ist eine der bekanntesten Lula-Verehrerinnen. Oft schon hat sie ihn persönlich getroffen.

"Tia Zélia" betrachtet Fotografien von Lula da Silva
"Tia Zélia" verehrt Lula da Silva  | Bild: SWR

Luiz Inácio "Lula” da Silva. Geboren in einfachen Verhältnissen. Als Gewerkschaftsführer wurde er landesweit bekannt. Kämpfte gegen die Militärdiktatur und wurde schließlich 2003 Präsident. Auch mit Hilfe von Sozialprogrammen schafften unter ihm Millionen den Sprung aus der Armut. Jetzt hoffen seine Anhänger – die überall das "L" für Lula mit dem Finger formen – auf ein Comeback des Mannes mit dem grauen Bart. "Dank Lula konnten vier meiner Familienmitglieder studieren", sagt Generosa de Jesus. "Sie sind Anwälte und Ingenieure." Im Wahlkampf umgarnt Lula politische Gegner. Auch Anhänger der wichtigen evangelikalen Freikirchen versucht er von den Erfolgen seiner Sozialpolitik zu überzeugen. "Vor meiner Zeit sah man fast keine Schwarzen an den Universitäten. Als wären diese Orte nur für die reiche weiße Elite. Heute dagegen ist an jeder Uni die Hälfte schwarz."

Die andere Seite von Lula da Silva: Korruptionsskandale während seiner Amtszeit

Lula stand aber auch massiv in der Kritik. Während seiner Amtszeit wurden Korruptionsskandale aufgedeckt. Politiker aller Parteien seiner Regierung und Unternehmer aus ihrem Dunstkreis hatten Milliarden Euro hinterzogen. Lulas Gegner feierten, als auch er verhaftet wurde. Vorwurf: Bestechlichkeit. Nach mehr als anderthalb Jahren in Haft wurde er aus formalen Gründen freigelassen. Und erhielt seine politischen Rechte zurück. Lula behauptet bis heute, er sei nie korrupt gewesen.

Anhänger von Lula da Silva auf Balkon
Anhänger von Lula da Silva hoffen auf einen Sieg im ersten Wahlgang  | Bild: SWR


Seine Anhänger hoffen jetzt auf einen Sieg im ersten Wahlgang. Korruptionsvorwürfe hin oder her. "Ich kann es nicht leugnen: Es gab Korruption. Aber jetzt geht es darum, Brasilien voranzubringen." So denken ganz offensichtlich viele. Lula selbst streicht im Wahlkampf seine Vorteile gegenüber Bolsonaro heraus. "Ich habe die Staatsanwaltschaft nie behindert. Die konnte immer frei ermitteln. Anders als Bolsonaro habe ich mich da nie eingemischt. Ich bin für eine unabhängige Staatsanwaltschaft." Ein wichtiger Faktor im Wahlkampf ist die Pandemie-Politik. Bolsonaros Corona-Management sei katastrophal gewesen, kritisierte Lula im ARD-Interview. "Bolsonaro hätte viel früher Impfstoffe kaufen müssen. Darüber hinaus hat eine Untersuchungskommission aufgedeckt, dass es zu Korruption beim Kauf der Impfstoffe kam." Tia Zélia hofft, dass Lula tatsächlich bereits im ersten Wahlgang den Sieg davonträgt. Ihr Idol – der Ex-Präsident und Herausforderer – mit dem grauen Bart.

Autor: Matthias Ebert, ARD-Studio Rio de Janeiro

Stand: 06.10.2022 13:57 Uhr

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