So., 07.03.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Bulgarien/Serbien: Illegaler Welpen-Handel
Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Hunde-Babys massiv verstärkt. Im Lockdown wurden nach Schätzung des Verbandes des Hundewesen (VDH) 20 Prozent mehr Hunde verkauft als in den Jahren zuvor. Eine Nachfrage, auf die sich die illegalen Hundezüchter vor allem auch in Bulgarien eingestellt haben. Hündinnen werden zu "Gebärmaschinen", Tierrechte spielen keine Rolle. Dazu kommen mafia-ähnliche Strukturen. Die EU versucht, die illegale Zucht per Gesetz zu verhindern. Aber schon jetzt ist klar, das Geschäft läuft weiter – in Serbien, dort gilt EU-Recht nicht.
Am Rand der Müllkippe ausgesetzt
Ein Morgen in Nis, Serbien. Sascha Pesic ist auf der Suche nach Hundewelpen. Er will ihnen das Leben retten. Einen Tag lang begleiten wir ihn dabei. Schon nach wenigen Minuten: Straßenhunde, überall. Das gewohnte Bild, sagt Sascha. 90 Prozent der Tiere stammen aus illegalen Zuchtstationen. Hier in der Stadt kennt Sascha die meisten der Hunde. "Ich kann nur Welpen aufnehmen, Hunde, denen es wirklich schlecht geht, die in Lebensgefahr sind. Ich habe einfach nicht genug Platz. Am liebsten würde ich allen helfen. aber dafür fehlen mir die Mittel."
Diese Szene hat Sascha vor ein paar Wochen mit dem Handy gefilmt. Am Rande einer Müllkippe findet er diese Hundewelpen. Ausgesetzt, weil sie nicht reinrassig sind, sagt Sascha. Ausschuss für die Züchter. Ohne Sascha würden sie verhungern. 150 Kilometer östlich. Sofia, Bulgarien. Auch hier boomt der Welpen-Handel. In ganz Bulgarien sind offiziell 20 Zuchtstationen registriert. Die Illegalen übertreffen diese bei weitem.
Welpen und Muttertiere werden gequält
Ein Klick ins Internet zeigt: Tausende Welpen pro Tag bieten bulgarische Händler an. Die meisten bestimmt für Kunden in Deutschland, sagt Magdalena Penewa von einer Tierschutzorganisation. Dort bringen sie den meisten Gewinn. Doch Muttertiere und Welpen werden gequält, gegen bestehende Tierschutzgesetze. "Sie trennen die Jungen viel zu früh von ihren Müttern, allein für Verkaufszwecke. Das zerstört das Immunsystem der Tiere und sie erhalten keinerlei Impfungen gegen schwere Krankheiten. Das ist ein ernstes Problem." Der Kampf gegen die Hundemafia ist gefährlich. Diese Szenen haben die Tierschützer heimlich gefilmt: in einer illegalen Zuchtstation. Erst auf ihre Anzeige hin ermitteln auch die zuständigen Behörden. Wir wollen mit den wenigen registrierten Züchtern über ihr Geschäft reden. Doch noch ist keiner bereit dazu.
Am Mittag in Nis, Serbien. Hinter diesem Tor offenbare sich die dunkle Seite des Welpen-Handels sagt Sasha Peric. 800 Hunde hat er in den letzten Jahren hier aufgenommen. Mit Spendengeldern und der Hilfe einer belgischen Tierschutzorganisation versorgt er die Tiere und vermittelt sie an Tierfreunde. "Den illegalen Züchtern ist es egal, wie es den Tieren geht, ihnen geht es um den Profit. Ich mache es aus Liebe zu Hunden. Bevor ich sie zur Adoption frei gebe, bekommen sie einen Chip und alle nötigen Dokumente, dazu gehört auch ein Antitollwut-Test. Erst dann vermittle ich sie ganz legal in die EU."
Die Hunde-Mafia arbeitet mit allen Tricks
Zurück nach Bulgarien und damit in die EU. Ende April wird auch hier ein EU-Gesetz gelten. Dann dürfen nur noch registrierte Tiere verkauft werden. Besuch bei Tierarzt Dimitri Yanovksi in Sofia. Er hofft, dass das neue Gesetz hilft, aber so richtig glauben kann er es nicht. Die Hunde-Mafia arbeitet mit allen Tricks. Dokumente und Chips würden oft gefälscht, mit Hilfe von Tierärzten. Auch sein Name stand schon auf einer Urkunde:
Die illegalen Händler hatten Stempel und Unterschrift des Arztes gefälscht, um einen Welpen zu verkaufen. "Es wurde dann festgestellt, dass das Tier aus Serbien kam. Serbien ist eine wichtige Handelsquelle, da es nicht in der EU liegt. Wenn die Spuren dorthin führen, dann kann nichts mehr unternommen werden."
Schließlich redet doch noch ein Züchter mit uns: Vencislav Dachevski. Er züchtet nebenbei, vor allem trainiert er Hunde. Alles nach strenger Vorschrift. Seine Tiere sind gefragt, als Therapiehunde oder für Film- und Fernsehaufnahmen. Vencislav sieht die Kunden in der Pflicht: Wer einen Hund will, sollte dessen Herkunft genau kennen und sich klar machen, dass Hunde Geld und Zeit kosten. "Für jeden Kompromiss, den der Kunde eingeht, verliert das Tier an Qualität! Es steht mir nicht an, das zu fordern. Aber wenn wir den illegalen Handel in den Griff bekommen wollen muss es mehr Kontrollen geben."
Am Abend in Serbien. Sascha Peric kauft Futter für die Hunde auf seiner Farm. 9.000 Euro braucht er allein dafür, pro Monat. Ohne Spendengelder unmöglich. Lange sagt er, wird er nicht mehr durchhalten können. Er fürchtet, dass die Zahl der Straßenwelpen zunehmen wird und die illegalen Züchter aus Bulgarien ihr Geschäft nach Serbien verlagern. Denn dort gibt es weder Gesetze noch Kontrollen, die den lukrativen Welpen-Handel eindämmen.
Autor: Christian Limpert, ARD-Studio Wien
Stand: 08.03.2021 17:53 Uhr
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