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China: Gesundheits-App als digitale Fußfessel

PlayEine Frau an einem Gittertor
China: Gesundheits-App als digitale Fußfessel | Bild: ARD Peking

Proteste vergangene Woche in Henan, etwa 700 km entfernt von Peking. Es sind Anleger die um ihr Erspartes fürchten. Eine strauchelnde Bank hat ihre Konten eingefroren. Der Polizei in Zivil rufen sie Flüche zu:

Das Problem aber: viele Menschen von außerhalb der Stadt können nicht mal zu den Protesten kommen. Ihre Gesundheits-App zeigt nicht mehr den grünen Code. Aber an jedem Eingang zum Bahnhof muss gescannt werden; nur mit einem grünen Code kann man weiter. rot oder gelb bedeutet, dass man Corona hat oder eine Corona-Kontaktperson ist. Aber bei Bankkunden, die zum Protest fahren wollten, sprang der Code auf rot. In Videos in den Sozialen Netzwerken zeigen sie, wie sie vom Reisen abgehalten werden. Das Phänomen wird klar: Allein Bankkunde zu sein reicht aus, um einen roten Code zu bekommen.

Politische Gesundheits-App

Sie hat davor keine Angst mehr. Sie ist der Regierung schon lange ein Dorn im Auge, lebt unter ständiger Beobachtung. Die Anwältin Wang Yu. Sie hat selbst erfahren, wie die Gesundheits-App politisch genutzt wird. Als sie einen sensiblen Fall vor Gericht bringen wollte, sprang ihr Code auf gelb, obwohl sie gerade dreimal hintereinander einen negativen PCR-Test gemacht hatte: "Das war in der Stadt Datong. Ich musste als Anwältin für einen Fall zum Gericht. Aber sie stellten meinen Code auf gelb. Ich war komplett hilflos. Du kannst dich quasi gar nicht mehr bewegen, du kannst nirgends mehr hingehen."

Was Wang Yu schier in den Wahnsinn treibt: alles basiert auf Willkür. Für den Einsatz des Gesundheits-App gibt es keine Gesetze. Wang Yu bekommt derzeit keinen grünen Code, warum weiß sie nicht. Ihr Bewegungsradius ist daher eingeschränkt, schon die Einkaufsstraße tabu.

Ihr Verhalten scheint auffällig zu sein. Offenbar ein Polizist in Zivil beginnt zu telefonieren: Ärger droht. Wang Yi geht lieber weiter. Sie will ein Taxi nehmen. Doch da taucht die nächste Hürde auf. Sie soll im Taxi den QR-Code scannen. Glücklicherweise lässt sich der Taxifahrer darauf ein, dass sich nur ein Passagier einloggt. Allerdings muss auch für Bus und U-Bahn der Code gescannt werden. Die New York Times hat herausgefunden, dass die Daten der App in Echtzeit an die Polizei geschickt werden.

Totale Überwachung

Und überall muss inzwischen gescannt werden, selbst der Zugang zur Wohnung wird überwacht, denn jeder in Peking wohnt innerhalb einer abgezäunten Anlage. Es gibt nur einen Zugang, an dem haben Wärter ihre Grenzposten aufgestellt.

Schon seit zwei Jahren gibt es die Gesundheits-App. Aber erst seit einigen Monaten wird das Scannen des Codes rigoros nachgehalten.

Hier im Vorort von Peking wohnt Wang Yu. Und wie überall braucht es für den Zugang zur eigenen Wohnung den grünen Gesundheitscode. Nachdem Wang Yu einen Aufstand gemacht hat, lässt die Eingangswache sie auch ohne den Code passieren. Jeder Besucher aber muss den Code scannen. Unten in ihrem Hochhaus muss sie nochmals ihre Daten hinterlassen, um die Tür zu öffnen.

Zurück zu den Protesten der Bankkunden in Henan: Die wenigen, die es vor Ort geschafft hatten, werden von der Polizei in Zivil brutal abgeführt. Für den Missbrauch mit der Gesundheits-App wird die lokale Behörde abgestraft: zu offensichtlich soll es offenbar nicht sein, dass die App nicht nur der Pandemiebekämpfung dient.

Autorin: Tamara Anthony, ARD Peking

Stand: 17.07.2022 22:09 Uhr

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