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Grenada: Gewürzinsel in Gefahr

PlayFarmer auf seiner Muskatnuss-Plantage
Grenada: Gewürzinsel in Gefahr | Bild: SWR

1847 brachten die britischen Kolonialherren die Muskatnuss auf die Karibikinsel. Schnell entwickelte sich die Gewürznuss zum Exportmotor. Grenada ist das zweitgrößte Anbaugebiet für Muskatnuss weltweit. Doch die Plantagen sind bedroht. Der Klimawandel heizt das karibische Meer auf. Wirbelstürme werden immer häufiger und heftiger. Und gefährden so die traditionelle Landwirtschaft auf der Karibikinsel.

"Der Klimawandel ist längst da, wir sind mittendrin!"

Grenada, tropisch heiß und saftig grün – ein Traum in der Karibik. Im Osten der Insel: die beschauliche Farm von Norbert Julien. Kokos, Zimt, Bananen, Papayas – und duftende Bäume voller Muskatnuss. "Hier sehen wir Muskatnüsse in allen Wachstumsphasen. So geht es los: winzige Kügelchen, ganz zart, ganz jung. Die nächste Etappe: schon etwas größer, und dann die nächste, voll und rund und gelblich und schließlich, hier ist die Hülle schon aufgeplatzt, wie bei einer Kastanie. Ich helfe jetzt mal nach… siehst du. Das ist jetzt der Kern, die reife Muskatnuss, eingewickelt in den feuerroten Samenmantel."

Muskatnuß in Hand von Farmer
Muskatnuß auf der Plantage von Norbert Julien | Bild: SWR

Seine Plantage – auf den ersten Blick ein Garten Eden. Doch der ist vom Klimawandel bedroht und von immer zerstörerischen Hurrikans – je wärmer das Wasser ist. In jedem Jahr entstehen in der Karibik ein gutes Dutzend Wirbelstürme. Davon werden im Schnitt 2,7 zu desaströsen Hurrikans der Kategorien drei bis fünf. Vor allem an einen erinnert Norbert sich mit Grausen. In wenigen Stunden hatte er alles verloren. "Alles war vernichtet, alles war dem Erdboden gleich gemacht. Nur eine Handvoll Bäume stand noch aufrecht. Für mich war Ivan ein persönliches Desaster: ich war bankrott. Und es geht weiter: Im letzten Monat hatten wir jeden Tag vollen Sonnenschein, mitten in der Regenzeit! Der Klimawandel ist längst da, wir sind mittendrin!"

Gewürzinsel Grenada

Papaya, Vanille, exotische Blüten… In Grenadas vulkanischer Erde gedeiht fast alles. Der karibische Traum existiert noch, mit seinen Gerüchen und seinen einzigartigen Geschmacksnoten: Zimt, Pfeffer, Nelken und "Nutmeg"– Muskatnuss.

Verschiedene abgepackte Gewürze
Gewürze sind Teil der Kultur Grenadas | Bild: SWR

Im Hafen der Hauptstadt St. George’s füllen sich abends die Musik-Clubs und die Spezialitäten-Restaurants. Der Tourismus läuft auf Hochtouren. Bis zum nächsten Wirbelsturm. Die meisten Insulaner leben nach dem Prinzip Hoffnung: der nächste Hurrikan möge uns verschonen, Augen zu und durch. So lange wie es geht sorgen Zimt und Muskatnuss für karibische Würze. "Wir haben hier Muskatnuss von Grenada, das wohl bekannteste Gewürz unserer Insel", erklärt Chefkoch des "Dodgy Dock". Volles Aroma, einzigartiger Geschmack. Das passt zu allem – von herzhaften Mahlzeiten bis zu süßen Nachspeisen."

Hurrikan Ivan wirft die Insel um Jahrzehnte zurück

Die kleinen Karibikinseln liegen schutzlos mitten im Ozean. Kündigt ein Wirbelsturm sich an, schrillen in der meteorologischen Einsatzzentrale im Flughafen von Grenada die Alarmglocken. Wie beim Monster-Hurrikan Ivan, der die gefährliche Kategorie Fünf erreicht. Am 7. September 2004 trifft er auf Land. "Seine Geschwindigkeit: mehr als 270 Kilometer pro Stunde", sagt der Meteorologe Trevor Thompson. Grenada – um Jahrzehnte zurückgeworfen. Kaum auszudenken, wenn der nächste Hurrikan die Insel treffen würde.

Computermonitor mit Wetterkarte
Grenada fürchtet den nächsten schweren Hurrikan | Bild: SWR

In der Karibik wissen die Menschen aus eigener Anschauung, dass der Klimawandel real ist. Ihn zu leugnen – so sagte der Premierminister der benachbarten Insel Antigua und Barbuda – könne man sich hier nicht leisten. "So ein Wirbelsturm kann ein ganzes Land vernichten", sagt der Meteorologe Frank Fimber. Du kannst dein Land fünfzig Jahre lang aufbauen, so gut es eben geht. Und dann – ein Tag – und alles ist umsonst gewesen. Wir haben gesehen, was Ivan mit den Muskatnussbäumen gemacht hat… Viele, viele Menschen hatten bis zu diesem Tag davon gelebt."

Norbert Juliens Familie treffen wir beim Abendessen, alle sind tiefgläubig. Gott, so ihr Leitspruch, stelle den Menschen vor kleine Prüfungen und vor große – wie frühere und zukünftige Klima-Katastrophen. Wirbelsturm Ivan hat ihm den Boden unter seinen Füßen weggezogen. Seine Ernte reicht seitdem nicht mehr aus, um davon zu leben. Norberts Hauptjob: Bus fahren. Muskatnuss ist nur noch ein Hobby.

Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Mexiko

Stand: 22.01.2024 13:51 Uhr

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