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Mexiko: Businessboom trotz Drogenkrieg

PlayMexiko: Immer mehr internationale Firmen, auch deutsche, wählen als Standort Mexiko.
Mexiko: Businessboom trotz Drogenkrieg | Bild: WDR

280 Kilometer nach Norden, da liegt das gelobte Land. Der größte Verbrauchermarkt der Welt, die USA. Darum nennen sie diese Straße den Nafta-Highway. Nafta, nach dem Freihandelsabkommen zwischen den USA, Canada und Mexiko. Industrieparks, soweit das Auge reicht. In einem dieser Parks schaut sich Tron seine neue Produktionshalle an. Der chinesische Unternehmer ist Zulieferer für die hier boomende Autoindustrie. US-Strafzölle und fragile Lieferketten haben seiner Firma schwer zugesetzt. Er musste näher an seine Kunden. "Als der Handelskonflikt zwischen den USA und China losging, wurde es immer schwieriger und teuer bestimmte Produkte in die USA zu verschiffen. Die USA wollen alles unter dem Freihandelsabkommen laufen lassen, also müssen wir hier in Mexiko produzieren. Lokal", erklärt er. Aber Mexico hat ein massives Korruptions- und Kriminalitätsproblem. Schreckt ihn das nicht? "Wir haben von anderen Firmen gehört, dass die Sicherheitslage nicht so gut ist, darum brauchen wir einen 24-Stunden Sicherheitsdienst. So ist es hier halt."

Das internationale Interesse ist groß

Mexiko: Nicht das ganze Land profitiert von dem neuen Wirtschaftsboom.
Mexiko: Nicht das ganze Land profitiert von dem neuen Wirtschaftsboom. | Bild: WDR

Ein anderer Industriepark weiter östlich. Brandneu und schon ausverkauft. 500 Dollar kostet der Quadratmeter. Früher stand hier eine Hühnerfarm. Jetzt riesige Produktionshallen von mehreren hunderttausend Quadratmetern. In einer von ihnen die kanadische Firma SkyJack, die Hebebühnen und Gabelstapler produziert. "Wir sind hier hergekommen wegen der geographischen Lage und der wirtschaftlichen Vorteile, die uns Mexiko bietet", sagt der Geschäftsführer José Méndez. Das sind vor allem gut ausgebildete billige Arbeitskräfte, eine Sechs-Tage-Woche und nur zwölf Urlaubstage im Jahr. Für die internationalen Konzerne ein riesiger Standortvorteil.

Und das sieht man in Form von Beton. Im Nordosten sind ganze Industriestädte aus dem Boden gewachsen. Allein in den Bundesstaaten Coahuila und Nuevo Leon gibt es 140 dieser Industrieparks, 40 weitere sind in Planung. Und die brauchen Unmengen von Wasser. Ein Problem in dieser wüstenähnlichen Gegend. Die Parks bohren ihre eigenen Brunnen. "Es ist ein sehr tiefer Brunnen, 800 Meter tief, er kann bis zu 25 Litern Wasser pro Sekunde fördern. Von hier geht es dann zu unseren Kunden", erklärt der Verkaufsdirektor des Industrieparks Jose Luis Benitez Romo.

Die Industriekunden werden zuverlässig mit Wasser versorgt. Ganz anders sieht es hier aus: In den wachsenden Siedlungen um die Industriestandorte herum. Fließendes Wasser ist hier nicht selbstverständlich. "In der Trockenzeit gibt es immer mal wieder Tage ohne Wasser, dann stellen sie uns abends einfach das Wasser ab", berichtet ein Anwohner und ein zweiter erzählt: "Wir füllen uns immer ein paar Eimer Reserven ab, damit wir uns wenigstens waschen können. Trinken kann man das sowieso nicht."

Vorteile für Firmen auf Kosten anderer?

Mexiko: Schon jetzt gibt es in Mexiko eine regionale Wasserknappheit.
Mexiko: Schon jetzt gibt es in Mexiko eine regionale Wasserknappheit. | Bild: WDR

Der Stausee Presa de la Boca. Einer von dreien, die die Region um Monterrey mit Wasser versorgt. Er müsste um diese Jahreszeit voll sein, denn die Regenzeit ist gerade vorbei. Er ist aber nur zu 14 Prozent gefüllt. "Die Unternehmen haben ihre eigene Infrastruktur um sich mit Wasser zu versorgen. Sie haben null Probleme, wenn es eine Dürre gibt. Als es im letzten Jahr zu Engpässen kam, haben die Fabriken nicht einen Moment aufgehört zu produzieren. Für die Menschen wurde es dagegen schwierig, denn die kriegen ihr Wasser hauptsächlich aus den Stauseen. Und wenn es nicht regnet, sind die leer", sagt Biologe Antonio Hernandéz.

Auch deutsche Konzerne investieren im großen Stil. Allen voran ZF, einer der größten deutschen Arbeitgeber in Mexiko. Hier, in der neuen Produktionshalle bei Monterrey, werden Kameras und Bremssysteme für intelligentes, automatisiertes Fahren hergestellt. Für die Friedrichshafener Firma ist der Standort ideal, denn Mexiko hat 40 Handelsabkommen, was zollfreien Export unter bestimmten Bedingungen ermöglicht: "Wir ermuntern unsere Zulieferer, nicht nur aus Deutschland, sondern aus der ganzen Welt nach Mexiko zu kommen, damit der regionale Anteil unserer Produkte groß genug ist. 75 Prozent müssen in Mexiko produziert sein, um unter das Freihandelsabkommen mit den USA zu fallen."

Das heißt jede Firma, jeder Zulieferer zieht weitere Firmen mit sich. Ein Pull-Effekt, den dieser Auftritt im Frühjahr verstärkt haben dürfte. "Ich freue mich sehr ankündigen zu dürfen, dass wir eine Gigafactory in Mexiko bauen werden", sagt Elon Musk. Noch sieht das Hanggrundstück bei Monterrey etwas trist aus, aber hier soll einmal, laut Musk, die größte Fabrik der Welt für Elektroautos stehen. Und die mexikanische Wirtschaft? Inwieweit profitiert die von den ausländischen Investitionen? "Wenn Mexikos nationale Unternehmen außen vor gelassen werden bei dieser Geschichte, werden wir wieder nichts lernen, dann werden wir keine eigenen Innovationen hervorbringen können. Am Ende ist es wie immer, viel Euphorie, dass die ausländischen Unternehmen kommen und am Ende wenig, oder kein Vorteil für Mexiko", sagt José Antonio Romero Tellaeche vom Forschungszentrum CIDE.

Was zurzeit gerade in Mexiko passiert, könnte eine riesen Chance für das Land sein. Die Herausforderungen, diesen Boom umwelt- und sozialverträglich zu managen, sind aber mindestens ebenso groß.

Autorin:  Bianca Leitner / ARD Studio Mexiko

Stand: 19.11.2023 20:11 Uhr

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