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USA: Rätselhaftes Robbensterben an Kaliforniens Küste

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USA: Rätselhaftes Robbensterben an Kaliforniens Küste | Bild: NDR
Robbenbaby wurde eingefangen
Ins Netz gegangen: Wallerstein, im "Marine Animal Rescue"-T-Shirt, hat den jungen Seelöwen gefangen. | Bild: NDR / Marion Schmickler

So oft wie in diesem Frühjahr war Peter Wallerstein in den vergangenen 27 Jahren noch nie im Einsatz. Auch sonst rettet der Tierschützer aus Kalifornien vor allem im Frühling verletzte oder verirrte Robben-Junge, die sich zu früh von ihrer Mutter abgenabelt haben, zu jung, um auf eigenen Flossen unterwegs zu sein. Doch dieses Jahr schlägt alle Rekorde.

Die Tiere verkriechen sich auf die Felsen. Wallerstein muss vorsichtig sein, denn der Biss von Robben ist zehnmal so stark wie der von einem Pitbull. Es klingt absurd, aber wenn sie nichts auf den Rippen haben, fühlen sich auch die Meeresbewohner an Land am wohlsten.

Unterernährt und dehydriert

Was ist los mit dem Meer? Die Tierschützer rätseln. Sind die Tiere krank, oder das Ökosystem? In der Seelöwen-Station landen im Frühjahr um die 80 Seelöwen-Junge im Frühjahr, jetzt sind es schon 400. Und alle kommen mit den selben Symptomen, erklärt David Bard, der Leiter der Station: unterernährt, dehydriert, viel zu früh von der Mutter verlassen.

Seelöwen besonders sensibel

Kalifornischer Seelöwe
Der sogenannte Kalifornische Seelöwe, mit dem Wallerstein zu tun hat, ist übrigens eine eigene Art. Man begegnet ihr vor allem an der nordamerikanischen Pazifikküste. | Bild: NDR / Marion Schmickler

"Das hat es noch nie gegeben in dieser Jahreszeit. Uns sind die Seelöwen so wichtig, weil sie besonders sensibel auf Veränderungen im Ökosystem reagieren. Sie sind Säugetiere wie wir, und sie fressen die Fische, die wir auch essen. Wenn etwas nicht stimmt mit ihnen, dann könnte nicht nur sie, sondern auch wir Menschen betroffen sein", erklärt Bard.

Forscher suchen nach der Ursache

Krankheiten, Klimawandel? In der Umweltbehörde schrillen die Alarmglocken. Forscher sollen jetzt klären, ob die Reaktorkatastrophe von Fukushima auch im fernen Kalifornien ihre Spuren hinterlässt. "Wir testen die Tiere auch auf radioaktive Strahlung. Wahrscheinlich ist das zwar nicht. Die Tiere sind in hier geboren und können es noch nicht bis Alaska geschafft haben, wo die Radioaktivität früher auftreten würde. Aber wir wollen es in jedem Fall ausschließen können", sagt Sarah Wilkin von der Umweltbehörde.

Sardellen Mangelware

Naturschützer Peter Wallerstein  im Einsatz.
Naturschützer Peter Wallerstein im Einsatz. | Bild: NDR

Peter Wallerstein nimmt uns mit zu einem Freund, der am eigenen Leib zu spüren bekommt, das etwas nicht stimmt mit dem Ozean. Stolz zeigt ihm Mike Spears, was er aus dem Pazifik gezogen hat: Zum ersten Mal seit Monaten wieder wunderbare Sardellen, das Leibgericht der jungen Seelöwen.

"Wir erleben das schon seit zwei Jahren. Früher habe ich mal einen halben Tag nichts gefangen, jetzt hatte ich monatelang nichts in den Netzen“, erzählt der Fischer. Kein Wunder, dass die Seelöwen hungern und die Muttertiere offenbar immer weiter raus schwimmen müssen, um Futter zu finden.

"Sardinen und Sardellen sind ständig in Bewegung, sie umrunden den gesamten Globus. Wenn du sie fischst, dann schwimmen sie gerade vorbei. Wenn keine vorbeischwimmen, gibt’s nichts zu fangen", sagt Spears.

Auswirkungen nach Fukushima?

Blick in Aufpäppelstation
Mit dem Wagen wird das Tier in eine Aufpäppelstation transportiert. Hier kümmern sich Pfleger um die abgemagerten und zum Teil dehydrierten Robben. | Bild: NDR / Marion Schmickler

Ob giftige Substanzen aus Fukushima nach Amerika geschwappt sind, fragen sich Peter Wallerstein und Mike Spears. 8.000 Kilometer weit? "Die ganze Fischindustrie wäre betroffen, wenn sie tatsächlich Schadstoffe oder Chemikalien finden, die aus Japan stammen. Dann haben nicht nur die Meeressäuger ein Problem, sondern auch wir Menschen", sagt Wallerstein.

Noch sind es nur die Seelöwen, die leiden, und noch nur die Jungtiere. Die Großen aalen sich wie immer in der kalifornischen Sonne.

"Wir betreiben Raubbau an der Natur"

Michael Quill und sein Team überwachen die Schutzzonen für Meeresgetier vor Los Angeles. Sie halten Ausschau nach Müll, der zur Gefahr für die Tiere werden kann. Plastik, zum Beispiel Ballons, wie sie auch zu Muttertag millionenfach verschenkt werden. "Den Menschen ist einfach nicht klar, was sie anrichten, wenn sie diese Ballons steigen lassen. Häufig landen sie im Meer, Meeressäuger und andere Tiere verfangen sich in ihnen, fressen und verdauen sie. Am Ende essen wir dann die Fische, wir kriegen das auch alles ab“, so Quill.

Der Mensch ist oft der größte Feind der Tiere. "Wir betreiben Raubbau an der Natur, nutzen das Meer als Müllhalde und Kühlschrank, aus dem wir uns bedienen. Aber die Symptome dieses Raubbaus kommen jetzt an die Oberfläche. Dass die Seelöwen so leiden, ist ein Alarmzeichen dafür, dass das Meer aus dem Gleichgewicht geraten ist“, sagt Quill.

Autorin: Marion Schmickler, ARD-Studio Washington 

Stand: 15.04.2014 11:15 Uhr

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