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Neuseeland: Revival der Maori-Sprache

PlayAusgabe von Harry Potter in Maori
Neuseeland: Revival der Maori-Sprache | Bild: SWR

Statt "Hi" oder "Hello" hört man in Auckland oder Wellington jetzt immer häufiger "Kia Ora". Und immer mehr Neuseeländer nennen ihr Land im Alltag nicht nur New Zealand, sondern auch New Zealand Aotearoa – Land der langen weißen Wolke. Die Sprache der Maori erlebt gerade ein Revival. Dabei war sie noch vor ein paar Jahren vom Aussterben bedroht. Aber die Regierung investiert inzwischen Millionen in die Förderung der Sprache an Schulen, aber auch im Alltag. Neue Schilder sind inzwischen zweisprachig auf Englisch und Maori. Und bei manchen jungen Neuseeländern gilt es inzwischen als hip, die Sprache der ersten Siedler des Landes zu lernen.

Harry Potter auf Maori

TV-Moderatorin Miriama Kamo in ihrer Show – Miriama Kamo moderiert seit mehr als 20 Jahren die Magazin-Sendung "Sunday" im neuseeländischen Fernsehen. Sie hat einen Maori-Vater und eine Mutter mit britischen Vorfahren. Kurz vor der Aufzeichnung diktiert sie noch schnell noch ein paar Sätze auf Maori für den Teleprompter. "Kei te mihi nunui ki a koutou, e te iwi – Thank you for being with us." Obwohl ihre Sendung eigentlich auf Englisch ist. "Ich fühle mich absolut wohl dabei, Maori zu sprechen, meine Sprache und die meines Landes. Und unsere Zuschauer fühlen sich auch immer wohler damit." Meist streut sie nur ein paar Worte auf Maori ein. Aber die sind ein Symbol für ein neues Selbstbewusstsein.

Moderatorin Miriama Kamo im Fernsehstudio
Moderatorin Miriama Kamo | Bild: SWR

Bei der Moderatorin zu Hause. Ihre Mutter ist zu Besuch. Das mit dem Selbstbewusstsein war nicht immer so leicht. Ich nehme an, die Leute haben früher über dich und Dad getuschelt, sagt Miriama. "Manchmal habe ich mich fast geschämt. Ich dachte, ich muss mich rechtfertigen. Aber er war so ein toller Mann. Ich wollte einfach mit ihm zusammen sein", erzählt die Mutter von Miriama Kamo. Auch Maori zu sprechen, war nicht erwünscht. Die Sprache drohte auszusterben. 2013 konnten nur weniger als vier Prozent der Neuseeländer Maori. Doch seit ein paar Jahren ändert sich das Stück für Stück. "Alle, die moderieren, werden inzwischen sogar ermutigt, auch Maori zu sprechen. Und das Kind in mir, das aus dem Bus geworfen oder im Geschäft misstrauisch beobachtet wurde, kann es kaum glauben. Das ist wunderbar, ist das wirklich real?"

Harry Potter auf Maori – Miriama Kamo unterstützt die Initiative, Bücher bekannter Autoren aus dem Englischen zu übersetzen. Neuseeland will erreichen, dass bis 2040 ein Fünftel der Bevölkerung wieder Maori spricht. "Ich glaube, die Sprache ist ein wichtiges Mittel, um Probleme anzugehen. Sie hilft uns, uns selbst zu finden und gibt uns Stärke zurück. Wenn du nicht als ganze Person auftreten kannst, wie sollst du dann in die Zukunft gehen?"

Immer mehr zweisprachige Schilder

Immer mehr Neuseeländer sagen inzwischen nicht mehr nur New Zealand, sondern auch Aotearoa – also Land der langen weißen Wolke. Und die Regierung gibt jetzt viel Geld aus, um Maori im Alltag des Landes präsent zu machen. Ob im Supermarkt oder auf dem Flughafen – zweisprachige Schilder werden immer selbstverständlicher. Und Ex-Premierministerin Jacinda Ardern war mit großer Selbstverständlichkeit immer wieder im traditionellen Federmantel zu sehen. Außerdem hat sie ihrer Tochter den Maori Zweitnamen Te Aroha, also "Liebe" gegeben. Und Neuseelands Pop-Star Lorde singt inzwischen auch auf Maori über die heilende Kraft des Lichts.

Zweisprachiges Schild: Ladies - Wahine
Die Maori-Sprache verbreitet sich immer mehr | Bild: SWR

Jüngere Neuseeländer finden es inzwischen cool, die Sprache zu können. Auch Rosie Remmerswaal und ihre Freunde. Sie hat ausschließlich europäische Vorfahren, aber sie hatte das Bedürfnis auch Maori zu lernen. Für Rosie hat das auch mit Vergangenheitsbewältigung zu tun. "Wie viele von uns in Aotearoa sind aufgewachsen, ohne viel über die Geschichte zu wissen und mit einem großen Stück Ignoranz über dieses Land und seine Geschichte." Dieses Gesellschaftsspiel hat Rosie mit einem Freund erfunden. Es geht darum, Begriffe zu beschreiben und zu erraten. Aber vor allem darum, spielerisch Maori zu lernen. "Wir hören und verstehen viel mehr Maori im täglichen Leben als früher. Die Zeit wird zeigen, ob das nur eine Mode ist oder eine Bewegung."

Aotearoa statt Neuseeland?

Aber manchen geht das alles noch nicht weit genug. Die Maori Partei und ihr Chef Rawiri Waititi fordern, dass Neuseeland den Namen New Zealand ganz abschafft und nur noch Aotearoa heißt. Und nicht nur beim Landesnamen sollen die Spuren der europäischen Eroberer ausradiert werden. "Wir sind umgeben von Orten, die nach kolonialen Terroristen benannt sind. Wir wollen die alten Namen zurück. Wie zum Beispiel Hamilton Kirikiroa. Das sind schöne, indigene Namen, die wir mit allen hier und der Welt teilen wollen. Niemand muss sich davon bedroht fühlen. Doch dafür gibt es in Neuseeland bisher keine Mehrheit."

Politiker Rawiri Waititi von der Maori-Partei
Rawiri Waititi fordert mehr indigene Namen | Bild: SWR

Und selbst manche Maori-Politiker sind gegen die Umbenennung von Orten. Wie etwa Winston Peters Ex-Außenminister und Chef der Partei New Zealand First. Er nennt diese Ideen woke und linksextremistisch. Maori hätten noch immer so viele tiefgreifende Probleme wie mangelnden Zugang zu Gesundheitsversorgung, die wichtiger seien als Namens-Debatten. "Das sind doch alles Träumer, die nicht mit den Füßen im Leben stehen. Die wissen im Gegensatz zu einigen von uns nicht, wie Armut riecht, schmeckt und sich anfühlt. Wir haben uns aus der Armut gekämpft mit Bildung und der englischen Sprache."

Das eine schließt das andere nicht aus, denkt dagegen Moderatorin Miriama Kamo. Sie träumt von einem Neuseeland, in dem es Maori als Pflichtfach in der Schule gibt. Und plötzlich scheint dieser Traum zum Greifen nah. "Wir sind erst am Anfang dieses Weges. Es wäre verrückt anzunehmen, dass wir sicher sind. Es heißt: Man verliert eine Sprache in einer Generation, aber man braucht drei, um sie wiederzubeleben. Also es liegt viel Mahi, viel Arbeit vor uns. Aber zum ersten Mal fühlt es sich so an, als ob wir das wollen."

Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur

Stand: 06.08.2023 22:43 Uhr

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