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Taiwan: Im Visier von Fake News

PlayTaiwan: Fake News aufspüren im Schulunterricht.
Taiwan: Im Visier von Fake News | Bild: WDR

Die Verteidigung der Demokratie beginnt im Schulunterricht. An der Banqiao Senior Highschool bei Taipeh überrascht Sozialkundelehrer Thomas Lai seine Schüler:innen mit einer schlichten Erkenntnis. Was täglich aus ihren Smartphones sprudelt, entspricht längst nicht immer der Wahrheit: "Statt nur passiv Informationen aufzunehmen und in einer Echo-Kammer oder Filterblase zu bleiben, sollen sie zu digitalen Bürger heranwachsen, die aktiv nach Informationen suchen statt sie nur einfach zu konsumieren."

Medienerziehung an Taiwans Schulen, das heißt Erkennen, wo die Gefahr lauert. Die Demokratie im Fadenkreuz von Desinformation. Es geht um die Erkennung von Fake News. Fünf Wege, eine Meldung zu überprüfen: Wer hat sie veröffentlicht? Und wo? Was sind die Quellen? Ist die Überschrift neutral formuliert? Und sind die Fotos authentisch? "Es geht ja auch auf die Wahlen zu. Bei vielen Meldungen ist der Wahrheitsgehalt unklar. Da kann man die Techniken nutzen, die wir hier lernen", sagt Schüler Yang Hung-che.

Fake News sollen für Zweifel an der Regierung sorgen

Taiwan: Im Unterreicht lernen sie Fake News aufzuspüren.
Taiwan: Im Unterreicht lernen sie Fake News aufzuspüren. | Bild: WDR

Im Januar wird in Taiwan gewählt. Bis dahin will sich auch die Parlamentskandidatin Tseng Po-yu in ihrem Wahlkreis durchbeißen. Die 32-Jährige kandidiert für die China-kritische Regierungspartei DPP. So ein Abendmarkt, eine wahre Gerüchteküche. Taiwans Regierung sei auf einem verhängnisvollen Kurs, raunt es. Jetzt seien sogar die Eier giftig. Belege dafür gibt es nicht: "Was sich dahinter verbirgt, ist natürlich Angst. Um die Sicherheit der eigenen Lebenswelt. Es ist nicht so, dass ich das gar nicht nachvollziehen könnte, warum solche Botschaften Verbreitung finden. Aber diese Desinformation stellt eine Bedrohung für unsere gesellschaftliche Stabilität dar."

Mal reden die Fake News angebliche Versorgungsengpässe herbei. Mal ziehen sie die Zuverlässigkeit der USA als Schutzmacht in Zweifel. Meldungen, die Taiwans Bevölkerung verunsichern sollen. Die Nähe zur chinesischen Propaganda ist auffällig. Initiativen in Taiwan widmen sich der Aufgabe, die Bürger:innen vor den Fake News zu warnen. Die Organisation "Doublethink Lab" beobachtet, wie chinesische Akteure im Netz Falschmeldungen gezielt verbreiten. "Sie wollen ein Bild von Taiwan als einem schwachen Land erzeugen und den Taiwanern einbläuen, dass sie China nichts entgegenzusetzen haben. Die anderen Länder der Region würden Taiwan nicht zur Hilfe kommen. Wir seien isoliert und machtlos", sagt Wu Ming-hsuan, der Geschäftsführer von "Doublethink Lab".

Anonyme Fake-Accounts setzen Behauptungen in die Welt oder verbreiten sie. Die Botschaft dahinter: Taiwan haben nur eine Option: die Unterwerfung gegenüber China. Taiwans Regierung verfolgt die Manipulationsversuche mit Sorge. Staatsminister Lo Bing-chang führt eine Task Force dazu an. Nach ihrer Schätzung werden jeden Monat mehr als 100.000 Falschmeldungen online verfasst oder reproduziert: "China muss dafür noch nicht einmal Raketen oder Artilleriegeschosse abfeuern. Der Angriff mit Falschinformationen hat bereits unsere Tore erreicht, sie sogar schon überwunden. Manche vertreten daher die Ansicht, dass die Desinformation längst mehr ist als ein systematischer Angriff von außen. Sie dringt in unsere Gehirne ein."

Ein hartnäckiger Kampf gegen Falschinformation

Die China-freundliche Opposition in Taiwan hingegen wirft der Regierung Zensur vor. Zu ihren Sprachrohren gehört der Youtuber Lee Yi-hsu. Bei einem seiner Auftritte trug er eine vermeintliche Exklusivmeldung aus dem Netz vor, die Amerikaner hätten einen geheimen Plan zur Zerstörung Taiwans: "Das war nun mal eine Meldung, die in der Bevölkerung Angst auslöste. So etwas kann man doch nicht einfach verschweigen. Ob die Quelle dafür glaubwürdig war, ließ sich schwer überprüfen. Sie wissen doch, wir Taiwaner können nicht gut Englisch."

Kaum Faktencheck, aber zugespitzte Aussagen. Wer das mag, kann gleich spenden. Den Vorwurf, er sammele auch Geld aus China, weist Lee zurück. Die Parlamentskandidatin Tseng Po-yu hat vom Abendmarkt in ein Fernsehstudio des Senders Set-N gewechselt. Das Thema bleibt für sie das Gleiche. Taiwans Demokratie bewahren, die Fake News bekämpfen: "In Taiwan arbeiten viele große Online-Seiten inzwischen mit Faktencheck-Organisationen zusammen. Ich finde das positiv. Allerdings bleibt die Frage offen, welchen Effekt die Faktenprüfung für die Abwehr von Fake News haben kann. Das ist ein ungelöstes Problem für die Medienbranche."

Die Zukunft Taiwans entscheidet sich im Ringen um die Meinungshoheit. Auch deshalb besucht Tseng viele politische Talkshows. Aber die Fake News gehen weiter. Sie sind ein tückischer Gegner der Demokratie. "Hoffentlich haben diese Taktiken irgendwann keinen Effekt mehr auf uns. Wenn diese Tricks dann nutzlos sind, dann haben die Leute, die Falschinformationen in die Welt setzen, das umsonst getan", sagt Lo Ping-chen, der Staatsminister von Taiwan.

Ob Taiwan die Kraft aufbringt, eine schleichende Unterwanderung abzuwehren, es hängt auch von der Wachsamkeit der jungen Generation ab.

Autor: Ulrich Mendgen/ David Demes / ARD Tokio

Stand: 17.12.2023 23:36 Uhr

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