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USA: Bürgerrechte im Wandel der Zeit

USA: Bürgerrechte im Wandel der Zeit | Bild: WDR

Mit Lady Liberty im Arm zur Freiheitsstatue – seit Wochen fiebert Pascale Sablan diesem Trip mit Sohn Xavier entgegen. Nicht nur, weil der Siebenjährige das Wahrzeichen bisher nur aus Legoklötzen kennt. "Xavier und ich haben ewig an der Freiheitstatue gebaut. Ich sagte, Mami hat ein Projekt auf der Insel. Und er: Echt?", erzählt die Architektin. "Guck mal, da hinten! Das ist dein Gebäude", sagt Xavier.

Wer in die Statue steigt, muss durch den Sicherheitscheck. In "ihrem" Gebäude. Funktional und schlicht, am Fuß der Statue. Entworfen von Pascale Sablan – Schwarz und Frau, das schafft auch heute kaum jemand in der weißen Männerdomäne. "Ich bin echt stolz darauf. Es ist vielleicht nicht super glamourös, aber großartig, einen so berühmten Ort mitzugestalten. Wenn ich an all die Menschen denke, die hier durchgehen, das ist irre. Toll, dass ich ein Teil davon bin", erzählt sie.

Besonders in der Bau- und Immobilienbranche sind Schwarze benachteiligt. Pascal hat es dennoch geschafft – mit Talent und eiserner Disziplin. Lady Liberty – für sie mehr als ein Symbol für Freiheit: "Sie ist ein Statement gegen Rassismus. Es ist wichtig, dass wir mit unserem Projekt auf dieser Insel ein Zeichen setzen konnten. Ich habe die Chancen genutzt, die meine Familie mir mitgegeben hat. Die haben viel riskiert, als sie damals aus Haiti hierherkamen, ins komplett Ungewisse."

Ein Diner mit Geschichte

Auch diese Würstchen in Washington sind berühmt – wie ihre Erfinderin Virginia Ali. Auch sie ist erfolgreich, wie Pascale. Die Gäste kommen nicht nur wegen der Hotdogs mit Chili. Die Korrespondentin wird kurzfristig zur Fotografin. Immer wieder wollen Besucher:innen Fotos mit der 89-Jährigen machen.Sogar Barack Obama besuchte als frisch gewählter Präsident "Ben’s Chili Bowl". Sein Platz – bis heute markiert. Bekannt ist der Diner auch als Schmelztiegel über Generationen hinweg. Arm oder reich, Schwarz oder Weiß – hier sind alle willkommen. Der Tresen ist noch derselbe wie 1958, als Virginia das Lokal mit ihrem Mann eröffnete. Das Leben für Schwarze in Amerika: Damals ein völlig anderes. "Denn wir konnten nicht ins Theater in der Innenstadt (downtown) gehen. Und wir konnten uns auch kein Haus in anderen Stadtteilen kaufen. Aber wir hatten hier alles, was wir brauchten", erzählt Virginia Ali.

Die Geschichte der Chili Bowl ist eng verbunden mit der Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre. Seitdem berichtet auch der Weltspiegel über die Situation der Schwarzen in Amerika. "Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach der Farbe der Haut beurteilt werden, sondern nach ihrem Charakter", erzählt damals Martin Luther King Jr.. "250.000 Menschen waren da. Eine tolle Rede. Damals wussten wir: Jetzt kommt der Wandel", erinnert sich Virginia Ali an die Zeit.

"Aus dieser Tür trat gestern Abend Dr. Martin Luther King. Hier ging er diese wenigen Schritte zum Geländer. Er beugte sich hinunter, Und dann fiel ein Schuss von drüben aus einem alten, halb verfallenen Gebäude. Der größte Schock, den die amerikanischen Bürgerrechtsbewegung bisher erlebt hat. Der größte Schock in der jüngsten Geschichte der USA", erzählt damals Gerd Ruge für den Weltspiegel. Es bleiben nicht die letzten Unruhen. Los Angeles, 1992. "Ein Bürgerkrieg sieht nicht anders aus. Der äußere Anlass: Wut und Empörung über ein zutiefst rassistisches Gerichtsurteil", sagt Thomas Roth.

Lebenswerten Wohnraum schaffen, unabhängig von der Hautfarbe

USA: Stararchitektin Pascale Sablan baut bezahlbaren Wohnraum.
USA: Stararchitektin Pascale Sablan baut bezahlbaren Wohnraum. | Bild: WDR

2020 – Minneapolis in Flammen. Erneut ist Polizeigewalt der Auslöser für Proteste. Proteste stehen offen. Im ganzen Land fordern Menschen "Black Lives Matter" – auch das Leben der Schwarzen Menschen zähle. In New York will Pascale uns ihre Lieblingsbaustelle in der Bronx zeigen. Mehr Gerechtigkeit für schwarze Familien – für Pascale heißt das auch: besser wohnen. Während ihres Studiums erlebt sie selbst, was es bedeutet, nach der Hautfarbe beurteilt zu werden: "Mein Professor bat mich und eine Mitstudentin aufzustehen. Wir hatten keine Ahnung, warum. Dann meinte er, die beiden werden nie Architektin, weil sie Frauen sind – und schwarz." Wie war das für Dich? "Das war schockierend, auch weil ich das überhaupt nicht erwartet hatte. Aber als ehrgeizige Frau war das der Satz, den ich hören musste", erzähtl die Architektin.

Mit Erfolg: Pascale macht Karriere. Bei diesem Projekt war Pascals Anderssein der Schlüssel zum Erfolg. 500 Apartments entstehen hier, bezahlbarer Wohnraum, mit viel Glas und Grün drum herum. Ganz anders als in den Wohnblocks, in denen viele schwarze Familien bisher wohnen: "Unsere Wohnungen hier sind extrem klein. Deshalb sind Parks und Grünflächen für die Menschen besonders wichtig. Es gehört zu ihrer Kultur, sich mit anderen zu treffen und als Familien zusammen zu essen. Deshalb hat der Bauherr die Zahl der Grillplätze im Park verdreifacht."

"Ahhh, guckt euch diesen Blick an. Sieht das nicht super aus. Auch bezahlbarer Wohnraum muss menschenwürdig sein, die Leute müssen doch stolz sein können auf ihr Zuhause, auch sie haben einen schönen Wohnraum verdient", sagt sie. Bronx Point ist nicht nur am Schreibtisch entstanden. Pascal und ihre beiden Kollegen haben viel mit den Menschen in dem Problemviertel gesprochen. Was wünscht ihr euch? Was fehlt, wollten sie wissen. Schon jetzt haben sich 40.000 Leute auf die Wohnungen beworben. "Man muss mit Herz und Seele dabei sein bei einem solchen Projekt, damit alle Stimmen gehört werden", erzählt Josue Sanchez.

Vorreiter für die Branche

Virginia und ihre Familie wollen ihre Erlebnisse und die bewegte Geschichte der Chili Bowl und der Schwarzen Community weitergeben. Regelmäßig kommen Schulklassen zu Besuch. Geschichtsunterricht bei Hotdogs und Pommes. "Wir haben schon immer gesagt: Behandelt andere Leute, so wie ihr behandelt werden möchtet, auch die wütenden. Es funktioniert! Wenn ihr die Chance dazu habt", sagt Virginia Ali. So habe es die Chili Bowl seit 65 Jahren geschafft, für alle ein Treffpunkt zu sein – natürlich auch für Freunde und Familie. "Sie gehen offen auf alle zu. Ich frage mich: Hat das beim Thema Toleranz etwas verändert?" "Toleranz und Offenheit haben meiner Familie und dem Unternehmen geholfen. Das sollte weltweit gelebt werden. Wenn wir alle dazu brächten, freundlich miteinander zu sein, wäre das wunderbar."

In Virginias Chili Bowl ist die Zeit ein bisschen stehen geblieben. An der Situation der Schwarzen habe sich seit der Bürgerrechtsbewegung aber einiges verändert, erzählt Virginias Sohn Kamal Ali. Er führt den Diner mit dem Rest der Familie weiter: "Früher ging es um Bürgerrechte. Jetzt kümmern wir uns um viel mehr: Die Rechte von Homosexuellen, Menschenrechte, Tierschutz, unsere Umwelt. Das heißt nicht, dass es keinen Rassismus mehr gibt. Aber wir haben schon viel erreicht – von 1958 bis heute."

Pascale ist zurück in ihrer katholischen Mädchenschule. Hier hat ihr Aufstieg begonnen. Heute macht sie jungen Leuten Mut. Ihre Botschaft: Wenn ihr erfolgreich sein wollt, dann müsst ihr härter arbeiten als alle anderen: "Wenn ich einen Raum betrete, dann bin ich nicht nur Pascale. Ich vertrete meine Hautfarbe, meine Herkunft, mein Geschlecht. Deshalb muss ich immer alles geben. Er reicht nicht, dass ich als Architektin Häuser baue. Ich will meine Branche umkrempeln.""Ich finde sie sehr inspirierend, weil sie in ihrem Job so außergewöhnlich ist", sagt Sophie Longchamp und Sienna Charoenagn ergänzt: "Ich hoffe, dass ich auch viel verändern kann – und dass Pascale dabei helfen kann."

Pascale sieht ihren Erfolg auch als Aufgabe. Ihr ehrgeiziges Ziel: In fünf Jahren sollen Frauen in der Architekten-Branche keinen Sexismus mehr erleben, Schwarze nicht mehr benachteiligt werden.

Autorinnen: Gudrun Engel / Marion Schmickler   

Stand: 25.06.2023 22:21 Uhr

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