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USA/Afrika: Dürre und Hunger

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USA/Afrika: Dürre und Hunger | Bild: WDR
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Im Bundesstaat Iowa ist die Maisernte fast überall vertrocknet, daran können die Farmer nichts mehr ändern. Auch Justin Damman muss mit großen Verlusten leben, dennoch blickt er optimistisch in die Zukunft: Selbst seinen Humor hat er nicht verloren.

Justin Damman, Farmer
„Das sieht überhaupt nicht aus wie normaler Mais, eher wie Popcorn. Die Maiskolben sind nur ein Drittel so groß wie sonst hier in Iowa.“

Doch die Farmer stehen deshalb längst nicht vor dem Aus, für den Notfall wurde vorgesorgt. Finanziell sind die Ernteausfälle abgesichert, Auch Justin Damman hat eine Versicherung abgeschlossen, und die greift jetzt in Dürrezeiten.

Justin Damman
„Wir bekommen so in etwa 75 Prozent des Betrages einer normalen Ernte erstattet. Wir werden so weitermachen wie bisher, es gibt uns Sicherheit.“

Bereits in 5ter Generation betreibt Justin Damman den Familienbetrieb. Sein Sohn soll ihn eines Tages übernehmen, hofft der 32jährige. Ans Aufgeben wegen der Dürre dachte er keine Sekunde. Extreme Ernteausfälle hat es früher schon gegeben, weiß der Farmer von seinen Großeltern. Justin Dammans blickt nach vorne.

Justin Damman
„Wenn Mutter Natur uns fair behandelt, wird die nächste Ernte wieder besser. Wir pflanzen auch weiterhin unseren Mais an. Eine Herausforderung wie diese packen wir. Haben wir einen wirtschaftlichen Verlust: Ohne Zweifel. Aber ist das eine Katastrophe: Ganz klar Nein!“

Justin drückt aufs Tempo, vorzeitig wird er den Mais ernten, der die Dürre überlebt hat. Er will retten, was noch zu retten ist. Und auf eine gute Ernte hoffen – im nächsten Jahr in Iowa.

In Burkina Faso hoffen Kleinbauern wie Oumarou Tamburu schon zwei Jahre auf eine gute Ernte. Mal fiel der Regen ganz aus, dann gab es zu wenig. Eine Versicherung gegen Ernteausfälle gibt es nicht. Sie wäre auch längst pleite.

Oumarou Tambura, Bauer, Burkina Faso
“Fünf Hektar habe ich im vergangenen Herbst bestellt, und alles umsonst. Die Körner sind fast alle vertrocknet, bevor sie reif wurden. Den Rest haben die Vögel gefressen. Und so erging es allen im Dorf.“

In den Ländern südlich der Sahara sind 15 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Alles hängt jetzt von der Regenzeit im Spätsommer ab.

Nur zehn Kilometer von Tamburas Dorf entfernt: ein Zeltlager für Flüchtlinge aus Mali. Sie haben praktisch nichts mitnehmen können und müssten in der Wüste verhungern - ohne Hilfe von außen. Und die kommt überwiegend aus den USA: Weizen, Mais, Sojaöl – 500 Millionen Dollar lässt sich Amerika die Nahrungsmittel-Nothilfe für Afrika jährlich kosten. Die Verteilung übernimmt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Koordinator David Orr zeigt mir die Folgen, die die gestiegenen Weltmarktpreise haben können.

David Orr, UN-Welternährungsprogramm (WFP)
“Für Afrika heißt das, dass die Preise auf den regionalen Märkten ebenfalls steigen werden. In Ländern, wo die Menschen schon jetzt bis zu zwei Drittel ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, wird es vor allem die Armen treffen.“

Noch sind die Lager der UN halb voll. In zwei, drei Monaten aber könnte die Dürre in den USA auch in Afrika voll durchschlagen. Die Weltmarkt-Preise sind schon jetzt für viele Länder kaum noch zu bezahlen. Und: die USA könnten ihre Getreide-Lieferungen einschränken, auf die Millionen Afrikaner angewiesen sind.

Die USA sind Weltmeister im Maisanbau. Sie produzieren 36 Prozent der weltweiten Ernte. Sie exportieren soviel Korn, wie kein anderes Land, nach Japan und auch nach Afrika. Kaum ein Korn wächst so schnell wie Mais. Und so investieren die Agrarriesen seit Jahren in Technik und Maschinen, setzen alles auf die Karte Mais.
Dieser Kurs – wissen Agrarexperten – wird von vielen Kräften unterstützt.

Karen Hansen-Kuhn, Institute for Agriculture and Trade Policy
“Seit Jahrzehnten predigen Weltbank und internationaler Währungsfond den Entwicklungsländern, Lebensmittel lieber billiger zu importieren als selber anzubauen. In vielen Ländern wird die Eigen-Produktion dadurch geschwächt.
Staatliche Mittel für die Landwirtschaft wie Kredite etc. wurden gestrichen oder privatisiert.“

Die extremen Ernteausfälle sind global zu spüren – Zeit für ein Umdenken?

Karen Hansen-Kuhn
„Das ist eine historische Dürre, in der ganzen Gesellschaft wird der Ruf lauter, neu über die Produktion von Nahrungsmitteln und über die Folgen des Klimawandels nachzudenken. In Zukunft werden wir mehr Dürren und mehr Überschwemmungen erleben, wir müssen handeln.“

Auch Farmer Justin Damman aus Iowa macht sich Gedanken über die Dürre und die Folgen für Afrika.

Justin Damman, Farmer
„Wir US-Farmer verdienen jetzt schon 8 Dollar pro Scheffel Mais. Afrika wird nächstes Jahr mehr Mais produzieren als dieses Jahr. Bei diesen hohen Preisen lohnt sich das auch für afrikanische Bauern.“

Höhere Preise für Mais – ist das womöglich eine Chance auch für Afrika ?

In Kenia kann Bauer Joseph Pareijo über den hohen Weltmarktpreis für Mais nur lächeln. Denn in Kenia liegt er sogar 65 Prozent darüber. Dennoch kommt er mit seinen vier Hektar kaum über die Runden. Und das – so erzählt er mir – liegt nicht nur am schlechten Saatgut, das jetzt bei der Ernte braune Flecken hervorbringt.

Joseph Pareijio, Maisbauer, Kenia
„Ein freier Markt soll es sein. Aber in Wirklichkeit wird der Maispreis gar nicht durch Angebot und Nachfrage bestimmt.“

In Kenia erwirtschaften zwei Prozent der Grundbesitzer rund fünfzig Prozent der Agrarproduktion. Nur sie verfügen über große Lagersilos und sind gut vernetzt. Für Wolfgang Fengler von der Weltbank in Nairobi, ist der Maispreis in Kenia ein politischer Preis.

Wolfgang Fengler, Weltbank, Nairobi
„Der Hauptpunkt ist, dass der Hauptproduktionsort, also Zentral-West-Kenia, wie Iowa in den USA so eine Art Swing-State ist. Und damit politisch sehr einflussreich ist und dann auch mit Parteispenden oft Maispolitik gemacht wird.“

Auch beim Weizen gibt es Kungelei und Korruption. Zudem hat sich der Weizenanbau in Kenia jahrelang nicht gelohnt. Eine Folge von kostenloser Nothilfe und niedrigen Weltmarktpreisen. Der Landwirt Hudson Naisho lässt sich davon nicht beirren. Über hundert Hektar hat er gepachtet und für die Ernte zwei Mähdrescher geleast. Bei dem momentan hohen Weltmarktpreis könnte sich die Investition tatsächlich lohnen.

Hudson Naisho, Landwirt, Kenia
„Um als Landwirt in Afrika erfolgreich zu sein, braucht man gutes Saatgut, Dünger, den richtigen, also vorsichtigen Einsatz von Chemie und natürlich moderne Maschinen.“

Afrikas Bauern können es schaffen. Trotz oder auch gerade wegen der hohen Weltmarktpreise. Dazu aber müssten Afrikas Politiker ihre Landwirte unterstützen, statt sich durch Preis-Manipulation und Korruption die eigenen Taschen zu füllen.

Autoren: Heribert Roth und Peter Schreiber

Stand: 22.04.2014 14:53 Uhr

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