So., 13.10.13 | 19:20 Uhr
Russland - Die Retter der Vermissten
Zehn Uhr Abends. Jetzt sind schon fast vierzig Freiwillige aus Moskau eingetroffen, um hier, siebzig Kilometer entfernt, nach dem vermissten Mann zu suchen. Alexander, sein Sohn, erzählt den Helfern, was er weiß. Vor drei Tagen ging der 78jährige aus dem Haus, um einzukaufen, und kehrte nie mehr zurück. Irgendwo liegt Wladimir Padselujew nun, sein Handy funktioniert noch.
Sohn
Vergeblich. Der alte Mann ist übergewichtig und geht nur mit Mühe, weit konnte er eigentlich nicht kommen.
Koordinator
Sie alle hier gehören zu LIZA Alert, einem losen Zusammenschluss Hunderter Freiwilliger in Raum Moskau. Nach Büroschluss, in ihrer Freizeit, suchen sie nach Vermissten.
Gruppenchef
Tagsüber, in seinem normalen Moskauer Leben, ist Dmitry Finanz-Manager. Er leitet die Gruppe, denn er hat die größte Erfahrung von allen. Systematisch durchkämmen sie jetzt das Planquadrat, das ihnen zugewiesen wurde. Die Polizei hatte das Telefon des Vermissten über Sendemasten orten lassen.
Eine weitere Gruppe sucht etwa 500 Meter entfernt. Sie alle wissen: Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, ohne Wasser kann der alte Mann nicht mehr lange überleben. Wir fragen: Warum tun sie alle das hier?
Mann
Doch Morgens um Fünf sind alle erschöpft, weder sie noch eine der anderen Gruppen hatten Erfolg.
Sie haben wieder seine Nummer gewählt.
Auch Alexander ahnt: So lange kann sein Vater eigentlich nicht schlafen.
Und dann kommt noch eine schlechte Nachricht: Sie haben vermutlich die ganze Nacht in die falschen Richtung gesucht.

Die Ortung der Polizei hat nicht funktioniert, erklärt Artjom frustriert. Eine Antenne des Sendemastes ist kaputt, alle Ortsangaben, die sie bekamen, waren wertlos.
Die Polizei, die schon nach dem zweiten Tag die Suche aufgegeben hatte – jetzt hat sie sie auch noch in die Irre geführt.
Alexander versucht noch einmal, den Weg seines Vaters zu rekonstruieren.
Sohn
Die meisten der Freiwilligen müssen sich jetzt auf den Weg zurück nach Moskau machen – Siebzig Kilometer in den morgendlichen Staus dauern schnell zwei Stunden und mehr.
Blone
Blauer
Am nächsten Abend sind noch mehr Freiwillige gekommen. Wir sind mit einer anderen Gruppe unterwegs. Zwei von ihnen haben gestern auf ihr Rufen hin eine Männerstimme antworten gehört, glauben sie.
Leiter
Gestern hatten sie aufgegeben, weil hier das Unterholz so dicht ist. Hier ist es noch leichter, einen regungslos liegenden Mann zu übersehen.
Die vierte Nacht kommt, der vermisste Mann hat keinen Telefonanruf mehr beantwortet. Weiß Alexander, welche Chancen die Ärzte seinem Vater noch geben?

Sohn
Wie kann ein alter Mann auf dem Weg zum Kramladen so weit vom Weg abkommen, dass ihn niemand mehr findet, fragen sich alle? Und: Warum gibt es keine Unterstützung vom Katastrophenschutz? Ein Hubschrauber hätte tagsüber mehr erreicht als diese motorisierten Freiwilligen es Nachts können.
Doch im Einsatzstab wollen sie weder Polizei noch Katastrophenschutz kritisieren – die haben wohl einfach zuwenig Personal, glauben sie hier. Neue Helfer kommen.
Jetzt sind endlich auch Freiwillige mit Suchhunden dabei. Im Sommer sind sie fast jedes Wochenende unterwegs.
Hundefrau
Ist der Mann denn nach fünf Tagen nicht schon bewusstlos? Das ist egal. Hauptsache ist, ein Mensch atmet noch, ganz gleich ob bei Bewusstsein oder nicht, egal was er gegessen hat – Hauptsache er atmet.
Inzwischen sehen die meisten Helfer ziemlich müde aus.
Koordinator
Auch in dieser Nacht werden sie den alten Mann nicht finden, selbst zwei Wochen später bleibt er verschollen. Das werden viele von ihnen nur auf der Internetseite von Liza-Alert lesen - sie suchen dann längst woanders. Wenn Du einmal nur einen Vermissten lebend gefunden hast, sagen sie uns noch, willst Du nie wieder aufhören damit…
Autor: Udo Lielischkies, ARD Studio Moskau
Stand: 15.04.2014 11:02 Uhr
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