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Weltspiegel

USA: Grüner G20-Gipfel? Umweltsch(m)utz American Style

Kingston, Tennessee, ist im Grunde genommen Katastrophengebiet: Auf der Anlage eines Kohlekraftwerks brach der Damm bzw. der Untergrund einer provisorischen Ascheschlamm-Deponie, wo giftige Rückstände aus den Kraftwerksfiltern aufgeschichtet worden waren. Ihre Menge entspricht dem Volumen von mehr als 1600 olympischen Schwimmbecken. Tonnenweise toxische Schwermetalle wie Arsen, Blei und Quecksilber gelangten so in die Umgebung, inklusive zweier Flüsse. - In wenigen Tagen tritt in Pittsburgh, einer der angeblich ?grünsten' Städte der USA, der G20-Gipfel zusammen. Schaulaufen für Präsident Obama, Demonstration des in den Staaten vermeintlich neu entdeckten Klima- und Umweltbewusstseins. Aktivisten beklagen jedoch, Amerika hinke in Umweltstandards dem Rest der westlichen Welt noch immer weit hinterher. "So lange etwas Geld einbrachte", sagt einer, "galt es als gut." Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat z.B. jahrzehntelang vergeblich versucht, giftige Kohleasche wie in Kingston als "gesundheitsgefährdend" einzustufen und entsprechend zu überwachen. Zuletzt scheiterte sie am Druck der Industrie: Die Kontrollen würden zu teuer. Landesweit sieht die Behörde etwa 1.300 ähnliche Deponien, die meisten davon unreguliert und unüberwacht. Umweltschutz in den USA oder: Eine Weltmacht auf dem Niveau eines Entwicklungslandes.

Autor: Klaus Scherer, ARD-Studio Washington

Spanien: Entenmuscheln - Galiciens gefährliche Delikatesse

Eine Woge kracht auf die Klippen. „Welle", rufen die Männer und retten sich schnell auf eine höher gelegene Stelle des Felsens: Entenmuscheln essen ist lecker, Entenmuscheln hacken dagegen sehr gefährlich. Die Fischer aus dem südgalizischen Ort La Guardia sind dabei, die kostbaren Meeresfrüchte zu hacken, Galiciens gefährliche Delikatesse. Ein Kilo kostet bis zu 100 Euro. Das ist lukrativ, erklärt aber trotz strenger Auflagen auch die Wilderei in den Beständen an der zerklüfteten Küste im Nordwesten Spaniens. Dabei ist die Entenmuschel gar keine Muschel, sondern ein primitiver Krebs, der sich nicht fortbewegt. Er wächst genau dort am besten, wo die Brandung auf die Felsen schlägt. Daher die Lebensgefahr, die bei jeder Ernte mitschwimmt, auch wenn die Fischer nur bei Ebbe ihre Stecheisen rausholen. Doch Erlös und Geschmack der ?Muschel' versöhnen für alle Plagen - köstlich soll sie schmecken, ein bisschen wie Garnele, nur viel saftiger. Nach Atlantik eben.

Autorin: Annekarin Lammers, ARD-Studio Madrid

Kenia: Mörderischer Hexenwahn

Geprügelt, getreten, bei lebendigem Leibe verbrannt: Nach inoffiziellen Angaben sind von 2008 bis heute in der Region Kisii Dutzende Frauen und Männer als angebliche Hexen massakriert worden. Mindestens 16 konnten dem Flammentod gerade noch entkommen. Die Sicherheitskräfte gehen nur halbherzig gehen die Täter vor, schließlich glauben die oft selbst an Hexerei. Häufig werden Nachbarn als verhext bezichtigt, weil man hofft, sie damit loszuwerden. Aber auch alte Leute, von denen man annimmt, sie besäßen mehr als einer selbst, müssen mit der Angst leben, der Hexenjagd zum Opfer zu fallen. Weil sie schneller ans Erbteil wollen, werden sogar manchmal die eigenen Kinder oder Verwandten zu Mördern. Der traditionelle Glaube an übernatürliche Kräfte ist in Kisii noch stärker verwurzelt, als anderswo im Land. Es ist eine kleinbäuerliche Gegend, arm und bildungsschwach. Politiker schauen hier nur bei Wahlen vorbei. Wer vermeintlich verhext ist oder vom Teufel besessen, der gilt als gemeingefährlich. Hexendoktoren, die angeblich das Böse aus den Menschen vertreiben können, genießen hohe Anerkennung. Meist sind es die Mütter, die den Hexenunfug an ihre Kinder weitergeben. Erziehung ist Frauensache.

Autor: Jochen Hütte, ARD-Studio Nairobi

Brasilien: „Schatz, wir gehen ins Motel!"

Kleine Wohnung, Großfamilie, Haustiere - aber Privatsphäre ausgeschlossen. Die Frage: ?Gehen wir zu mir, oder gehen wir zu Dir?' beantworten viele brasilianische Paare schlicht mit: ?Schatz, wir gehen ins Motel.' Denn das hat am Zuckerhut nichts Anrüchiges. Selbst lang Verheiratete gönnen sich regelmäßig eine Auszeit außerhalb der eigenen vier Wände, weil es da ja stets zu eng und zu voll ist. Und den kleinen Luxus lässt man sich dann auch was kosten. So entstand ein ganzer Wirtschaftszweig. Sagt der 70-jährige Francisoc Barbosa vor dem Stelldichein: „Sex muss man praktizieren, und man muss ihn planen. Bei uns ist das ganz einfach: Am Freitag gehen wir ins Motel!"

Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Rio de Janeiro

Japan: Wasserkinder - Abtreibungen mit Nachspiel

In einem Land, in dem erst vor zehn Jahren die Pille Einzug hielt und Männer mit dem Kondom nicht umgehen können oder wollen, hat sich statt Verhütung seit langem die Abtreibung durchgesetzt. Mehrere hunderttausend gibt es jedes Jahr in Japan. Schuldgefühle der jungen Frauen stellen sich oft erst später ein. Und dann greift, vermischt mit Angst und Aberglauben, ein bizarrer Totenkult: In Tempeln stellen die verhinderten Mütter zu tausenden kleine Steinfiguren auf, eine für jede Abtreibung. ?Wasserkinder' nennen sie die, die niemals zur Welt kamen, in Anlehnung an die feuchte Zwischenwelt im Mutterleib. Nun fürchten die Frauen späte Rache, die ungewollten Kinder könnten nachträglich Unheil über sie bringen. Also pilgern sie in die Tempel, machen Geschenke an die kleinen Steinfiguren, beten oder schweigen andächtig. Diese Form des Gedenkens jedoch lassen sich die Tempel gut bezahlen. Ein zwielichtiges Geschäft mit der Schuld.

Autor: Thomas Berndt, ARD-Studio Tokio

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Norddeutscher Rundfunk
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